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Ausgabe:

1962

Spalte:

64

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Solberg, Richard William

Titel/Untertitel:

Also sind wir viele ein Leib 1962

Rezensent:

Wüstemann, E.

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die Vision einer freien Gesellschaft) wie auch die Zusammenstellung
der „Fragen der Christen an den Kommunismus". Dessen
„radikalem Historismus" stellt er die Personhaftigkeit des Menschen
gegenüber, die ihm nicht „Ausdruck irgendeiner idealistischen
Philosophie" ist, sondern „Folge der Intervention des
Wortes, das von dem Herrn der Natur und der Geschichte
kommt". Die Erkenntnis, „daß die Freiheit und Würde des Menschen
in dem wurzeln, was höher als Natur und Geschichte", ist
realistischer als eine Ansicht, die „den Menschen eben noch zu
einem Nebenprodukt des Naturgeschehens und der wirtschaftlichen
Entwicklung macht". Die unaustilgbare „Realität des Bösen
" aber sorgt dafür, „daß sogar eine klassenlose Gesellschaft
;ine Gesellschaft von Sündern, von selbstsüchtigen, leicht zu
zerrüttenden Menschen sein wird". Dies ist nicht eine pessimistische
, wohl aber eine entillusionierende Aussage, aus der gerade
die Notwendigkeit christlicher Mitarbeit bei der Umwandlung
der gesellschaftlichen Verhältnisse resultiert.

Man kann fragen, ob die Schwierigkeiten und Gegensätze
hier scharf genug dargestellt sind, man wird aber in Anschlag
bringen müssen, daß die Zurückhaltung auch durch die Notwendigkeit
motiviert ist, gegenüber einer defensiven und negativen
Polemik eine gerechtere Sicht zu erwirken. Darum auch die Betonung
, daß die hier nötige Auseinandersetzung („eine Synthese
gibt es nicht") nicht auf der politischen Ebene geschehen kann
und darf und daß für sie eine „neue Atmosphäre" nötig ist, zu
der auch die christliche Seite das ihrige beitragen muß.

Summa: „Wir brauchen eine kraftvolle und mutige Theologie
, die in ihrer Tiefe und Weite bis zur eigentlichen Wurzel
unserer gegenwärtigen Situation vordringt und jeden Kurzschluß
vermeidet, der die Lage der christlichen Kirche sorgenlos und
sicher zu machen verspricht. Wir brauchen eine intellektuell
scharfe Einsidit in die Entscheidungsfragen des gegenwärtigen
Zeitalters und des Augenblicks, in dem die Kirchen und ihre
Glieder einen wahrhaft geistigen und moralischen Kampf für die
Sache Christi zu führen haben" (II, 70).

Berlin Holmut G oll w i tz e r

Essinger, Helmut, Dr.: Wege nach Rom. Kritische Betrachtung von
Konversionsberichten aus dem 20. Jahrhundert. Düsseldorf: Triltsch
1958. 197 S. 8°. Kart. DM 12.80.

Bs ist zu begrüßen, daß das schwierige und bedrängende
Thema behandelt wird. Es gibt viele Konvertiten; die katholische
Theologie läßt ein Buch nach dem andern mit Kurzberichten
der Konvertiten erscheinen, und die evangelische Theologie
hüllt sich allzusehr in vornehmes Schweigen. Essinger hat aus den
Hunderten der veröffentlichten Viten 38 ausgewählt und sie
vier Typen zugeordnet: er spricht vom ästhetisch-liturgischen,
kirchenpolitischen, dogmatisch-lehrhaften Motivkreis und der
persönlichen Begegnung. Nur der vierte Motivkreis ist Essingers
persönliche Entdeckung; die drei ersten Typen hat Vogelsanger
herausgestellt, von dem auch der Titel des Buches entlehnt ist
(Peter Vogelsanger, Weg nach Rom. Friedrich Hurters geistige
Entwicklung im Rahmen der romantischen Konversionsbewegung,
1954). Da der vierte Typ kaum erwähnenswert ist, weil er jedermann
selbstverständlich ist, tritt die geistige Unselbständigkeit
«hon hier ans Licht. Über das Auswahlprinzip, nach dem die 38
Erwählten herausgestellt sind, erfährt der Leser nichts. Zudem
wird ihm wiederholt gesagt, daß die Konversionsmotive komplex
sind und sich im allgemeinen einer Wertordnung widersetzen.
Damit wird die mühsame Typisierung fast illusorisch. Man gewinnt
den Eindruck, daß die Auswahl innerhalb der Typen nach
einem nationalen Gesichtspunkt erfolgt ist. Als Beispiel nennen
wir aus § 15 den Abschnitt zum Motiv der Einheit in kirchlicher
Organisation und Lehre; hier begegnen zwei Deutsche, zwei Engländer
, ein Lette, ein Afrikaner, ein Ire. Wer die Hochflut der
Konversionsberichte in mehr als einem Dutzend Sammelbänden
unserer Zeit kennt, wird die Schwierigkeit neuer Kürzung bei
einer referierenden Wiedergabe fürchten. Es kann nicht ausbleiben
, daß die Schematisierung und Vereinfachung, die in der überwiegenden
Mehrzahl der Urberichte vorliegt, gesteigert wird.
Bei geistig ungeordneten Berichten ist in keinem Fall Klarheit zu
gewinnen. So muß der Kern des Buches unbefriedigend bleiben.
In verstärktem Maß gilt das Gleiche von dem vorausgeschickten

Kapitel zur Problementfaltung und der nachfolgenden Kritik der
Typen. Nie führen die Erwägungen in die Tiefe, d. h. zur Erschöpfung
der Problematik. Was z. B. über Gründung, Entfaltung
und Entwicklung der römisch-katholischen Kirche gesagt wird,
desgleichen über das Wesen dieser Kirche (S. 14—24), dürfte nicht
einmal für die Kenntnisse eines Lehrers an Elementarschulen ausreichen
. Das statistische Kapitel ist, wie der Verf. selbst zugibt,
anfechtbar. Anspruchsvollen Formulierungen wie „ontologisches
Selbstverständnis der römisch-katholischen Kirche" begegnet man
mit Unbehagen, weil sie nicht verarbeitet sind. Das Kapitel über
die Konversionen in der Geschichte bis zum 20. Jahrhundert enthält
nur aneinandergereihte Namen. Relativ wertvoll ist das
Literaturverzeichnis, wenn es auch umständlich geordnet ist und
den Fundort der Quellen nidit immer angibt. Man scheidet unbefriedigt
und wird sich des Abstandes von F. Nippoldt, Welche
Wege führen nach Rom? 1869, schmerzlich bewußt.

Rostock Gottfried Holt z

S o I b e i g, Richard W.: Also sind wir viele ein Leib. Vom weltweiten
j k Dienst des Luthertums. Übers, v. Renate Zimmermann u.
Herbert Reich. Berlin: Luth. Verlagshaus 1960. 158 S., 16Taf.
gr. 8°. Lw. DM 16.80.

Das Buch, dessen Originaltitel „As between Brothers" lautet
, ist in der amerikanischen Ausgabe im Sommer 1957 erschienen
. Nun liegt die ausgezeichnete Übersetzung von Renate
Zimmermann und Herbert Reich vor, die einen Überblick über
die Hilfeleistungen des Lutherischen Weltbundes und seine Vorgeschichte
gibt.

Die historischen Aufzeichnungen der mehr als zwanzigjährigen
Bemühungen, die im Jahre 1947 zur Gründung des Lutherischen
Weltbundes führten, sind lebendig geschildert. Den Männern
, die die treibenden Kräfte waren, beseelt von einer unerschrockenen
Bereitschaft, ihren Mitmenschen in den Hungerjahren
nach den zwei Weltkriegen zu helfen, ist hier ein würdiges
Denkmal gesetzt worden.

Umsiedlung von Flüchtlingen — Verteilung von Nahrungsmitteln
und Kleidung an bedürftige Familien — ärztliche Hilfe
— berufliche Ausbildung von Heimatlosen — Wiederaufbau von
zerstörten Kirchen und Pfarrhäusern und ähnliche Hilfeleistungen
nach dem zweiten Weltkrieg führten dazu, daß 1952 innerhalb
des Lutherischen Weltbundes die Abteilung „Weltdienst" ins
Leben gerufen wurde, die sich mit zwischenkirchlicher Hilfe und
dem Dienst an notleidenden Menschen, in erster Linie Flüchtlingen
, befaßt. Das Buch enthält Zahlen, die die Größe des
Opfers vieler Tausender lutherischer Christen anschaulich werden
lassen.

Dr. Solberg, der selbst lange Zeit in Europa im „Außendienst
" des LWB gearbeitet hat, ist ein anerkannter Gelehrter
auf dem Gebiete der Kirchengeschichtc. Das Buch profitiert von
diesen beiden Seiten des Autors: einerseits bietet es eine gründliche
Forschungsarbeit, einen wertvollen Beitrag zur Geschichte
des Welt-Luthertums, andererseits strahlt es Lebendigkeit und
Wärme in seinen anschaulichen Schilderungen aus.

Genf E. Wlistomann

Albright, Raymond W.: Sektentum und Sekten in Amerika.
Zeitschrift f. Religions- u. Geistesgeschichte XIII, 1961 S. 146—168.

Bauer, Martin: Trennung von Staat und Kirche in Frankreich.
Die Zeichen der Zeit 15, 1961 S. 253—266.

B e 1 e w z e w. I.: Die Idee des Friedens in der Liturgie der Orthodoxen
Kirche.

Stimme der Orthodoxie Heft 3, 1961 S. 56—63.
Berkhof, Hendrik: Die Stadt Rom und die Zukunft der Kirche.

Materialdienst d. Konfessionskundlichen Institut« 12, 1961 S. 21—23.
Bertetto, Domenico: La natura della verginitä di Maria SS. nel

parto.

Salesianum XXIII, 1961 S. 7—42.
Bischof Ioann (Wendland): Christliche Einheit, Zeugnis
und Dienst im Bewußtsein und Leben der Russischen Orthodoxen
Kirche.

Stimme der Orthodoxie Heft 2, 1961 S. 27—44.
D u m o n t, C. J.: Mönchtum und Einheit.
Erbe und Auftrag 37, 1961 S. 211—213.