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Ausgabe:

1962 Nr. 11

Spalte:

846-847

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Plassmann, Otto

Titel/Untertitel:

Das Almosen bei Johannes Chrysostomus 1962

Rezensent:

Stuiber, Alfred

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 11

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möchte Spanneut schon bei Justin die ersten Spuren einer Bekanntschaft
entdecken; aber der Beweis hierfür (die Übereinstimmung
bei einem gekürzten Plato-Zitat) ist ganz und gar nicht zwingend.
Dagegen ist die Beziehung zu Klemens von Alexandrien auf Grund
wörtlicher und sachlicher Bemühungen nicht zu bestreiten, und bei
Origene6 wird Epiktct auch ausdrücklich genannt, übrigens ohne besondere
Wärme oder Sympathie. „Im Ganzen hat E. keinen bedeutenden
Einfluß auf die griechischen Väter der Blütezeit ausgeübt", und
der Einfluß auf die christlichen Lateiner ist noch geringer. Das Gleiche
gilt — im Gegensatz zu einer oft geäußerten Annahme — auch für
das frühe Mönchtum. Erst im Mittelalter ändert sich das Bild, vor
allem für den griechischen Osten. Im Abendland hat wohl erst der
Humanismus die Wendung gebracht. Über Epiktet selber heißt es,
daß er in allen traditionellen Lchrpunkten ein orthodoxer Stoiker
geblieben sei; aber die Zartheit und „Glut" seines religiösen Empfindens
und seiner persönlichen Gottcsvorstellung lassen sich am Ende
doch nur schwer mit dem alten naturalistischen Pantheismus in Einklang
bringen. „Man hat den Eindruck . . . , die Religion überwinde
die Physik" (616). Von einer Beeinflussung Epiktets durch das
Christentum ist mit Recht nicht mehr die Rede.

Bei dem großen Artikel Wolfg. Schmids (an die 140 Spalten
!) mag man sich fragen, ob er seinem Stil und Umfang nach den
Rahmen des RAC nicht sprengt; aber der Reichtum des Inhalts überwindet
solche Bedenken. Obschon die Fragen der Theologie und
Ethik, „Epikurs Philosophie als Lebensichre und Heilsbotschaft",
bevorzugt behandelt werden und einiges auch hier noch ausgeklammert
wird, handelt es sich doch fast um eine selbständige Monographie
mit wichtigen gelehrten Auseinandersetzungen. Epikurs Götterlehre
birgt Probleme eigener Art; er kommt auch als Stifter — gewiß
nicht einer religiösen, aber doch „einer quasi-religiösen Gemeinde
in Betracht. Die Diffamierung seines Andenkens und die Verzerrung
seiner Lehre im Sinne eines groben Hcdonismus, dem ein „Vulgär-
epikurcismus" Recht zu geben schien, beginnt schon in der heidnischen
Tradition. So entsteht die gängige Vorstellung des Epikuräers
als eines „unerleuchtcten", der Offenbarung verschlossenen „porcus ,
der bei den Vätern so gut wie überall zu finden ist. Damit werden
dann auch die jeweils bekämpften Ketzer in geistige Verbindung gebracht
. Dabei besteht in der christlichen Polemik dennoch auch ein
Positiver Zusammenhang, insofern „die gesamte Götterkritik der
Alten seit dem Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. auf epikureischer
Grundlage" ruht. Zum Schluß wird De Witts Versuch, zwischen
dem Epikurcismus und dem Apostel Paulus positive Zusammenhänge
zu konstruieren, mit Recht „durchweg als verfehlt" erwiesen.
Hoffentlich werden die Theologen es nicht übersehen, wieviel in diesen
äußerlich „philosophiegcschichtlichen" Beiträgen gerade für die
Patristik zu holen und zu lernen istl

Der willkommene Artikel über Epiphanius von Salamis (Schnee-
melcher) bringt nicht nur die übliche Orientierung über Schriften,
Lehransdiauungcn und die total verkehrten Vorstellungen von der Bedeutung
der antiken Philosophie, sondern bemüht 6ich darüber hinaus
um „eine Einordnung dieses Mannes in den Zusammenhang seiner
Zeit". Epiphanios erweist sich dabei „als ein Theologe, der, nur
äußerlich von der theologischen Entwicklung des 4. Jahrhunderts erfaßt
, im Grunde in älteren Traditionen wurzelt". Auch sein Kampf
gegen die „Erzkctzer" Origenes und Arius kann von hier aus gesehen
werden. — Eine Reihe von Beiträgen sind wieder für die Literaturgeschichte
besonders bedeutsam. Die Ausführungen über das „Epitha-
lamium" (Key de 11) zeigen das ungebrochene Weiterwirken der
festen antiken Tradition und Sitte auch in der christlichen Gesellschaft
. Der Versuch einer inneren Christianisierung ist nur einmal von
Paulinus von Nola (für den Eheschluß Julians von Aeclanum!) verbucht
worden. Doch gehören gewisse Betrachtungen über Christus
und die Kirche auch in diesen Zusammenhang. Wichtig sind besonders
^•e einschlägigen Bemerkungen über den Hymnus des methodianischen
■•Symposions". Der ebenso kenntnisreiche wie lesbare Artikel
-Tpitome" von Ilona O p p e 11 bringt u. a. einen Katalog von nicht
Weniger als 160 Nummern, nach Gruppen geordnet, über diese „zweien
Auflagen, deren wesentliches Ziel die Kürze ist". Di« verschiedenartigen
Motive dazu 6ind bei Heiden und Christen im wesentlichen
gleich. Der 70 Spalten umfassende Aufsatz über das „Epos'
(Thracde) bringt neben minutiösen Einzclbeobachtungen anregende
Darlegungen über den jeweiligen geistigen Hintergrund und Stil des
begrifflich weit gefaßten Gegenstands. Auch das Problem der biblischen
Dichtungen und Paraphrasen wird ausführlich behandelt, wobei
e'n Zusammenhang mit dem julianischen Schulcrlaß gänzlich geleugnet
wird. Es scheint mir jedoch im Sinne der Gesamtdisposition des
Lexikons nicht sinnvoll, wenn unter diesem Stichwort neben vielem
anderen auch noch die inhaltliche „Deutung des vorchristlichen Epos
,n der theologischen Literatur" erörtert wird; das gehört an einen
anderen Ort.

Zum Schluß seien noch die allgemein-religionsgeschichtlichen

Lesky, Waszink) sind auch von medizin- und rechtsgeschicht-
lichem Interesse. Über das Nebeneinander der wissenschaftlichen und
religiösen Erklärung der „Erdbeben" und ihre historische Bedeutung
orientiert Hermann. Er schließt mit einem „Katalog historischer
Erdbeben nach Christus", der künftig gewiß ein willkommenes Hilfsmittel
sein wird. Das Material zur „Epiphanie" (Pax) wird mit Recht
nach den großen Kulturkreisen geordnet. Die riesige Stoffsammlung
reicht bis zum Hofzeremoniell und bis zum Epiphanienfest, das wohl
besser in einem gesonderten Artikel behandelt worden wäre. Bei der
Charakterisierung des Alten Testaments und der Zuordnung der
Staurophanien mögen Zweifel bleiben. Unter den „Offenbarungs-
epiphanien" fehlt der Montanismus. Die Ausführungen über die
„Epoptie" (Fascher) mußten magerer ausfallen, zeigen aber doch
recht instruktiv, „wie sich altchristliche Theologie einen in der Bibel
kaum vorhandenen und noch bei den Apostolischen Vätern und Apologeten
spärlich vertretenen Begriff aneignet und durch Umwandlung
seines Sinngehaltes verwendbar macht". Dagegen halten sich die Erörterungen
zur „Erbauung" (Pohlmann) ganz an den Wort6inn
von oixoSo/ietv und seiner Äquivalente (die im Heidentum beide
ohne religiöse Bedeutung sindl), konstruieren eine problematische Entwicklungslinie
innerhalb der paulinischen Literatur und strafen die
Apostolischen Väter wieder einmal wegen ihrer „Gesetzlichkeit" ab.
Aus der Entwicklung der Väterzeit werden nur Klemens von Alexandrien
und Augustin stärker beachtet.

Druckfehler und Versehen im Jahrbuch: S. 76, Z. 13 statt „war,
sofern man" vielmehr: oder; S. 149a, Z. 27 lies: Märtyrer. Im RAC:
Sp. 651, Z. 2 ist „zeitgenössisch" ungeschickt formuliert. Sp. 691,
Z.25 lies: Arnim; Sp. 716, Z. 1 v.u. lies: atj/ieidoetov; Sp. 763,
Z. 12 lies: Menschenopfer; Sp. 765, Z. 10: statt „sie" lies: „ihn";
Sp-776, Z. 6: 363 statt „367"; Sp. 782, Z. 17: statt „abträglich, er-"
lies: abträglich. Sp. 907, Z. 20 v.u. muß es statt des, wie üblich,
falsch gebrauchten „bzw." vielmehr heißen: oder. Das papierene
..letzteren" in Sp. 957, Z. 1 v.u. kann man überhaupt streichen;
Sp. 1009, Z. 1/2 muß „des Christen" gestrichen werden.

Heidelberg Hans Ton Ca m p e n h a u s e n

P'»ssmann, Otto, Dr.: Das Almosen bei Johannes Chrysostomus.

Münstcr/W.: Aschendorff [1961]. 100 S., 1 Titelb. 8°. Kart.
DM 5.80.

„Ziel der Arbeit ist, das Material, das sich in den Schriften
des Johannes Chrysostomu6 (Migne, Patrol. Graeca 47—63)
zerstreut über das Almosen findet, zu sammeln und zu ordnen,
um so weitere Arbeiten auf diesem Gebiete zu erleichtern."
Das 6ehr in6 Einzelne gehende Inhaltsverzeichnis, das ein Register
ersetzen kann, zeigt die Fülle des gesammelten Materials,
aber auch die Schwierigkeit, die zahllosen, unsystematischen
und manchmal widersprechenden Gedanken des Johannes in
eine Ordnung zu bringen. Im allgemeinen spricht Johannes
vom Almosengeben nur am Schlüsse von Predigten in rhetorisch
-ermahnender Form, die die wirklichen Verhältnisse des
Almosenwesens nicht richtig erkennen läßt.

Im einzelnen behandelt der Verf. die Begriffe des Almosens
, des Gebers und des Empfängers, die Beschaffenheit des
Almosens und die Gestalten der Geber und Empfänger, die
Gegenleistungen, das Almosen im Verhältnis zu anderen Tugenden
und zu anderen Schenkungen; dann die soziale Ordnung
und die Theodizee, den Wert von Reichtum und Armut,
das Verhältnis des Reichen und des Armen zu Laster und
Tugend, Glück und Unglück; schließlich die Habsucht und die
Barmherzigkeit. Kein altchristlicher Prediger hat öfter und eindringlicher
als Johannes über das Almosen gesprochen, so daß
er mit Recht als Repräsentant der vor ihm liegenden Überlieferung
und als maßgebliche Autorität für die folgende Zeit
gelten kann. Ob er aber selbständige Gedanken geäußert hat,
das muß der Vergleich mit der Tradition zeigen; dafür benützt
der Verf. das Neue Testament und sechs weitere altchristliche
Schriften (Didache; dem. AI. Quis dives; Cyprian, op. et
eleemos.; Ambros. off.; Leo I, serm. 6—11; Agapitus Diaconus,
Fürstenspiegel). te zeigt sich, daß Johannes nur wenig Neues
bringt; am wichtigsten dürfte die „Ausrichtung des Almosens
auf die Überwindung der Habsucht und der Liebe zu den
Gütern dieser Welt" sein.

In deT absdiließenden Zusammenfassung berührt der Verf.
auch die heidnische Tradition, von der Johannes abhängig ist;
es handelt sich hier vor allem um den griechischen Gedanken
daß Wohltun Gott ähnlich macht; insbesondere aber entstam-

Stichwortc genannt. Die Darlegungen über die „Epilepsie" (Erna men der stoisch-kynischen Popularphilosophie die Argumente