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Ausgabe:

1962 Nr. 11

Spalte:

837-840

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schmithals, Walter

Titel/Untertitel:

Das kirchliche Apostelamt 1962

Rezensent:

Schweizer, Eduard

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 11

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Geschichte einzuordnen, sind sehe lobenswert, auch wenn man
in Einzelheiten anders denken muß, was in 6olchen verwickelten
Fragen nicht zu vermeiden ist. Was man in der Darstellung
Wolfis vermißt, sind solche Überlegungen, die zur Prophetenpsychologie
gehören (Ausführungen wie die zu 9,10—17, S. 210,
sind Ausnahmen), und weiter eine rechte Würdigung der mündlichen
Überlieferung und ihrer Bedeutung für den Textbestand.
Nicht selten würde ich die stichwortartigen Verknüpfungen der
Sprüche dem Sammler der hoseanischen Aussagen zuschreiben
statt sie als Verbindungen ,,rhetorischer" Einheiten innerhalb
des gleichen kerygmatischen Ganzen zu erklären. Was aber dem
Rezensenten persönlich am wenigsten gefallen hat, ist Wolfis
Behandlung der Heilsweissagungen des Hoseabuches.

Daß Hosea vom zukünftigen Heil geweissagt hat, scheint
mir unzweifelhaft. Gegen 2, 16—17; 3, 5 (in der ursprünglichen
Form; vgl. Wolff zur Stelle) und 11, 8—9 können keine berechtigten
Einwände gemacht werden. Diese Aussagen sind gut verständlich
als in diejenige Periode des Lebens Hoseas gehörend,
während deren Hosea vom Gedanken an die Läuterung und
Besserung Gomers durch ihre Isolierung beherrscht war. Es
waltet ja ein enger Zusammenhang zwischen dem, was Hosea
mit seiner Frau tat, und dem, was Jahwe mit seinem Volk nach
dem Gedanken des Propheten tat oder tun wollte. Anders verhält
es sich meiner Meinung nach mit Weissagungen wie 2,1—3;
2,18—25; 11,10—11; 14,2—9. Sie zeigen mit der exilischen
und nachexilischen Heilscschatologie so nahe Verwandtschaft,
daß es mir persönlich unmöglich scheint, 6ie als hoseanische
Aussagen anzuschlagen. Bei der Beurteilung solcher Abschnitte
in den prophetischen Büchern darf man die einzelnen Bücher
nicht isoliert analysieren, man muß sie im Lichte einer Gesamtschau
der prophetischen Literatur betrachten. Dann wird sich
herausstellen, daß faktisch alle die vorcxilischen Propheten-
hüchcr einer exilischen bzw. nachexilischen Redaktion unterworfen
worden sind, für die weitgehende Ergänzungen mit
heilscschatologischcn Sprüchen nach dem Geschmack und den
Bedürfnissen einer späteren Zeit mehr als alles andere kennzeichnend
sind.

Bei der Verteidigung der Echtheit solcher Stellen bedient
sich Wolff, wenn ich recht sehe, folgender Gesichtspunkte: das
Heil kommt durch das unbedingte Eingreifen der Liebe Jahwes;
die Spätzeit des prophetischen Wirkens Hoseas bot andere
Voraussetzungen für den Glauben an zukünftiges Heil als die
frühere Periode; der Prophet mag wohl dem engeren Kreis der
..Oppositionsgemeinschaft" Gedanken anvertraut haben, die für
die Öffentlichkeit nicht geeignet waren; ursprüngliche Hosea-
Worte können durch die Tradenten umgestaltet worden sein.
Nach meiner Auffassung gehörte die Heikvcrkündigung Hoseas
in eine Periode, in der er noch auf den glücklichen Erfolg einer
harten Züchtigung des Volkes hoffte. Sein letztes Wort über
die nordisraclitischen Stämme war aber nicht Heil, sondern Gericht
. Hier scheint er mit seinem Vorgänger Arnos übereinzustimmen
. Daß die Exegeten hinsichtlich der Heilscschatologie
der vorexilischen Propheten jemals Einstimmigkeit erreichen
Werden, ist wohl aber aussichtslos.

l.nnd (Sdiwcden) Joh.Lindblom

NEUES TEST AM EIST

Schmithalt, Walter: Das kirchliche Apostclamt. Eine historische
Untersuchung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1961. 273 S.
gr, 8" = Forschungen z. Religion u. Literatur d. Alten u. Neuen
Testaments, hrsg. v. R. Bultmann, N. F., 61. H. DM 26.—.

Der erste Teil setzt methodisch richtig beim Aposto-
lat dc6 Paulus ein, von dem wir allein eine genauere Vorstellung
haben (S. 13-47). Der zweite Teil zeigt, daß im
"sten Jahrhundert die Zwölf nirgends als Apostel gelten, und
daß Syrien wohl Ursprungsland des Apostolates ist (48-84).
Der dritte Teil sucht die Antwort auf die Frage nach dem
Ursprung des christlichen Apostolats. Der profangriechische
Sprachgebrauch zeigt, daß das Wort verständlich war. aber nicht
mehr (85-87). Der jüdische Schaliach ist völlig anders strukturiert
. Er ist entweder (nach 70 n. Chr.l) Gesandter der jüdi-
s*en Zentralbehörde (88-91) oder (wofür aber sichere Belege

fehlen) jüdischer Gemeinden zur Überbringung der Tempelsteuer
(91 f.) oder allgemein Bevollmächtigter eines Auftraggebers
. Als solcher ist er aber keine religiöse oder gar eschato-
logische Gestalt, nicht Missionar und nur befristet beauftragt
(92—99). Näher liegt die Parallele des kynischen Weisen, für
den aber der Begriff Apostel fehlt (100-103). So bleibt nur
die Gnosis. Für sie ist der Erlöser nicht konstitutiv (103—m).
Wohl aber kennt sie 1. den „himmlischen Apostel", nämlich
a) den Ruf vom Himmel, event. hypostasiert wie in der jüdischen
Sophia (111-116), b) den in der Urzeit zur Erde gesandten
Offenbarer der Gnosis (116-121), c) den (christlichen!)
historischen Gesandten (121—127), d) den (mandäischen) Helfer
in der Todesstunde (127—129), e) den den Gnostiker in der
Gegenwart fördernden „Parakleten" (129-134), f) die Märchengestalt
(134-136). Wichtiger sind 2. die „irdischen Apostel",
d. h. die Empfänger der Gnosis, die diese an andere weitergeben
, wozu grundsätzlich jeder Gnostiker gehört (136—180).
Sie sind das eigentliche Vorbild des christlichen Apostels. Freilich
findet sich der Titel nur für Mani (138, 174) und (selten)
als „Falsch-" oder „Lügenapostel" in der christlichen Polemik
(152 f.). Solche Gnostiker erscheinen aber in den Korinther-
briefen (161-170; nach 1. Kor. 1, 12 behaupten sie, ein Teil
Christi zu sein), der Didache (170-172), mandäischen Schriften
(172—174) und apokryphen Apostelakten (174—177). Verwandt
ist der König als Himmelsgesandtcr im Zweistromland
und frühe islamische Apostel (180-18 5). Endlich werden noch
die Parallelen zwischen diesen gnostischen und den christlichen
Aposteln aufgezählt (185-216). Der vierte Teil zeigt,
daß erst Apk., Lk., Justin, Barn., 2. Pt., Jud. den Zwölfer-
apostolat kennen (217—244). Dieser Tatbestand ist damit zu
erklären, daß judenchristliche, paulinisch-heidenchristliche, synoptisch
-heidenchristliche (und gnostische) Gemeinden relativ
unabhängig voneinander nebeneinander lebten, so daß die
Übertragung des Aposteltitels auf die Zwölf erst langsam, aber
ganz natürlich und unbetont erfolgte. Die Zwölf wurden in das
historische Leben Jesu zurückprojiziert, wurden dann die von
Jesus ausgesandten Missionare Israels (Mk. 6, 7 ff.; Mt. 10, 6.
17 ff-), schließlich der Heiden (Mt. 28, 19) und bekamen so den
Titel Apostel (244—255). Der Kanon ist eine späte Synthese
der zwei unabhängigen „Kanones", der Evangelien und des
Corpus Paulinum, die sich auf die zwei Richtungen des Heidenchristentums
verteilten (25 5—263), und die klare Konzeption
einer apostolischen Sukzession beginnt erst bei Hegcsipp (263
— 265). Überzeugend wird in der Auseinandersetzung mit
G. Klein gezeigt, daß nicht eret Lk. den Zwölferapostolat schuf,
da viele (etwa gleichzeitige) Schriften ihn kennen, ohne von Lk.
abhängig zu sein (266-273).

Das entscheidende Verdienst dieses Buches
ist, abgesehen von viel richtigen und wichtigen Einzelergebnissen
, daß es die Fragen scharf stellt:
1- Wie ist die große Bedeutung, die der Begriff „Apostel" gewann
, zu erklären, wenn das Griechische kaum Sprach-, das
Judenrum keine Sachparallelen, LXX nur einen einzigen Beleg
(l -Kön. 14, 6) bieten? 2. Wieso erscheint außer Petrus keiner
der Zwölf als Apostel vor 100—120 n. Chr., wohl aber neben
Paulus Barnabas, Andronikus, Junias, vielleicht Silvanus und
Jakobus? 3. Wie ist nicht bloß die Einschränkung, sondern
schon die Übertragung des Aposteltitels auf die Zwölf erklärbar
? Auf d iese Fragen muß der Historiker antworten.

Mir scheint nun freilich, daß der Verfasser ein X nicht
einmal durch ein U, sondern durch ein noch größeres X erklärt.
Das soll den Wert des Buches als Arbeitshypothese nicht herabsetzen
. Entwürfe dieser Art müssen immer wieder versuchsweise
durchdacht werden. Zunächst könnte man sich wohl über
den Sprachgebrauch einigen. Ich zöge an vielen Stellen „Offenbarer
" 6tatt „Erlöser" vor, um klarzustellen, daß es um Mitteilung
geheimer Weisheit geht, nicht um das ganze gnostische
iErlösungsdrama. An den meisten Stellen spräche ich
auch nicht vom gnostischen „Apostel", da dieser Terminus sehr
selten i6t, sondern vom Gnostiker, der andere belehrt (wa6 sehr
selten auf eine „Sendung" zurückgeführt wird). Vor allem
sollte man „Gnosis" definieren, da völlig Disparates darunter
verstanden wird.