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Ausgabe:

1962 Nr. 1

Spalte:

832

Kategorie:

Religionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Sources Orientales IV.: Le Jugement des Morts 1962

Rezensent:

Lanczkowski, Günter

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Seite 1

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831 Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 11

rungen bringen. Indem sie die Volkskunde im Sinne Leopold
Schmidts als Wissenschaft vom Leben in überlieferten Ordnungen
betrachten, beschäftigen sie sich vornehmlich mit den
Bräuchen, wie sie sind, und den dabei wirksamen Kräften der
Beharrung, während sie die Hocbreligion nur insoweit berücksichtigen
, als sie an der Formung des Volksglaubens Anteil hat.
Dementsprechend beruht der Hauptwert des Buches auf den anschaulichen
Schilderungen der von den Verfassern besuchten
Kultstätten der verschiedenen Konfessionen und der dabei geübten
Bräuche. Eine wichtige Ergänzung bilden die 182 nach
photographischen Aufnahmen der Verfasser hergestellten Abbildungen
auf 52 doppelseitigen Tafeln. Diese Schilderungen, die
von der intuitiven Einfühlungsgabe der Verfasser Zeugnis ablegen
, enthalten reiches Material über Heilige und ihre Wunder,
die Formen ihrer Verehrung, den Gräberkult, heilige Bäume,
Quellen, Brunnen und Höhlen, Opfer, Gelübde, Votivgaben
und zahlreiche andere volkskundlich lehrreiche Dinge, von
denen das Sachregister S. 349—359 eine gewisse Vorstellung
gibt.

Bei der stürmischen Entwicklung, welche die Länder des
Vorderen Orients durchmachen, besitzen viele Beobachtungen
und Aufnahmen dieses Bandes dokumentarischen Wert. Häufig
begegnen Hinweise darauf, daß Kultstätten, die noch vor einigen
Jahrzehnten eifrig besucht wurden, verfallen oder ganz verschwunden
sind. Die Gründe dafür sind verschiedenartig: Eingriffe
der Regierung, wie z. B. die Aufhebung der Derwischorden
und die Schließung ihrer Klöster in der Türkei, die
Aufklärungsarbeit der Schulen, das Eindringen der europäischen
Zivilisation, Grenzstreitigkeiten und vieles andere. Umgekehrt
gibt es auch Heilige, deren Verehrung noch immer zunimmt;
so schildern die Verfasser auf S. 256—262 nach einem Buch des
Paters Paul Daher das Leben und Wirken des maronitischen
Priesters Charbel Makhlouf (1828 — 1898), dessen Ruf als
Wundertäter heute bis nach Frankreich und Nordamerika gedrungen
ist.

Zum besseren Verständnis ihrer Darstellung haben die
Verfasser in ihr Werk zahlreiche Erklärungen zu Wörtern und
Sachen aufgenommen, die sie als Nichtphilologen den über 250
Büchern und Aufsätzen entnahmen, die im Literaturverzeichnis
S. XI—XIX aufgezählt sind. Da sie keine Islamwissenschaftler
sind, so enthalten ihre z. T. umfänglichen und durchweg mit
Quellenangaben versehenen Auszüge sowohl in der Darstellung
der „Grundlagen" (S. 3—52), wie im Hauptteil, der nach Ländern
geordneten Beschreibung der Kultstätten und Volksbräuche
(S. 53—340), allerlei Üngenauigkeiten und Versehen.

So ist z.B. S. 11,3 v.u. und sonst mu'assir nidit das Grab,
an dem ein dort nicht bestatteter Heiliger Wunder tut, sondern ein
solcher Heiliger, der dadurch „ein Zeichen gibt". — S. 42, 7 —9 ist
verkannt, daß es sich bei dem Text der Abbildung 2 um Sure 33,
44—46 handelt; überdies ist der letzte Vers unübereetzt geblieben.
Zwei Zeilen weiter wird die gamra von Minä irrig mit „Feuerbrand"
statt mit „Kieselhaufen" wiedergegeben. — S. 44, 23 wird die „Höhle
des (Berges) Taur", in der sich Muhammad und sein Schwiegervater
(nicht Oheim!) Abü Bakr bei der Auswanderung nach Medina verborgen
hielten, allzu wörtlich mit „Loch des Stieres" übersetzt. —
S. 47,3 fehlt wieder die Angabe, daß es sich um Sure 17,1 handelt.
In der Übersetzung ist „welcher seinen Diener in der Nacht . . . von
der abgeschlossenen Moschee . . . entführt hat" zu ändern in „welcher
mit seinem Diener nachts von der heiligen Moschee . . . gereist
ist". — Das passive Partizipium ist mit dem aktiven verwechselt auf
S. 167,4, wo statt „die zehn sogenannten Verkünder" zu lesen ist
„die zehn (Prophetengenossen), denen die frohe Botschaft (von ihrem
Eingang ins Paradies schon zu ihren Lebzeiten von Muhammad) verkündet
wurde." — S. 227 unten ist verkannt, daß Hamäma (siel) ein
Frauenname ist. — Muhammad Ibn al-Hanafiya S. 218 kann zu Ibn
al-Hanafiya. nidit aber zu al-Hanafiya verkürzt werden. Er war übrigens
nicht der Begründer der schiitischen Sekte al-Kaisäniya, auch
wenn diese ihn als Imam anerkannten. Infolge eines Druckfehlers
wird als sein Todesjahr 700 (H) statt 81 d. H. = 700 n.Chr. angegeben
. — Von rein sachlichen Versehen sei nur die irrige Bezeichnung
der beiden Hauptgruppen des Islams, der Sunniten und Schiiten als
„Sekten" S. 60, 10 notiert.

Hervorgehoben sei, daß die Umschrift einwandfrei und der
Druck sehr sorgfältig ausgeführt ist. Bei dem dokumentarischen
Wert des Werks ist dringend zu wünschen, daß es den Verfassern
gelingen möge, für den zweiten, den Texten gewidme-

832

ten Band einen sachkundigen Arabisten als Mitarbeiter zu gewinnen
.

Halle/Saale J. W. Fiick

Sources Orientales IV.: Le Jugement des Morts. Paris:
Editions du Seuil 1961. 295 S., 1 Kte. 8°.

Bei der Anzeige des vierten Bandes der „Sources Orientales
" kann ich Bezug nehmen auf meine Besprechung der drei
ersten Bände dieser verdienstvollen Reihe, die in ThLZ 1962,
Sp. 260—261 erschienen ist. Der vorliegende Band, der von dem
gleichen Redaktionsausschuß herausgegeben wurde, entspricht
in Methode und Qualität der Bearbeitung durchaus den vorhergehenden
. Auch die Themenstellung, unter der diesmal religiöse
Zeugnisse aus dem ägyptischen, mesopotamischen, israelischen,
iranischen, islamischen, indischen, chinesischen und japanischen
Bereich untersucht und wiederum in erfreulich starkem Maße
im Wortlaut zitiert werden, trifft ein zentrales Interessengebiet
religionsgeschichtlicher Forschung und orientiert über dieses
in vorzüglicher Weise. Es handelt sich, unter Ausklammerung
anderer mit dem Seelen- und Jenseitsglauben zusammenhängender
Voretellungskreise, um eine bewußte Beschränkung
auf jenes Teilgebiet der Individualeschatologie, das der Frage
gilt, „comment les peuples de l'Orient ont coneu la determina-
tion du sort du defunt, ä son arrivee dans Lautre monde" (S. 9).
Auch nach diesem Band über das jenseitsgericht darf man mit
guten Erwartungen den weiteren Veröffentlichungen der Reihe
entgegensehen, wofür jetzt zunächst ein Buch über die mit dem
Monde verbundenen Mythen und Riten und ein solches über
Sakraltänze vorgesehen sind.

Heidelberg Günter Lanczkowski

BIBELWISSENSCHAFT

Michaeli, Frank, Prof.: Textes de la Bible et de l'Ancicn Orient.

Neudiätel: Delachaux & Niestie [1961]. 133 S., 12Taf. 8° = Cahicrs
d'Archeologie Biblique, No. 13.

This collection of ancient oriental texts illustrating passa-
ges of the Bible belongs to the excellent series of works of
popularization edited by Andre Parrot under the title "Cahiers
d'Archeologie Biblique". Professor Michaeli gives here French
translations of the most important pas6ages from the ancient
texts, including some that have come to light only in recent
years, such as the extract from the Babylonian Chrcnicle
recording the capture of Jehoiachin in 597 B. C, published by
D. J. Wiseman in 1956. In parallel columns he prints the
Biblical passages which are illustrated by the oriental texts
cited.

The introduetions to the various extracts are very brief,
and they could with advantage have been 6omewhat expanded.
Texts bearing on the early stories of Genesis, on the period
of the patriarchs and the conquest of Canaan, on the history
of the monarchy and the post-exilic age, on the legal codeS,
the poetry and the Wisdom literature, are included, and there
are some excellent plates. Within the narrow compass of this
slender volume the reader is offered a surprising amount of
information, all of which is easily accessible and familiär to
the scholar, but not all of which is so widely known outside
scholarly circles as it should be.

Manchester H.H. Rowley

D a n k e r, Frederick W.: Multipurpose Tools for Bible Study. St. Louis:
Concordia Publishing House 1960. XIX, 289 S. 8°. Lw. $ 3.75.

Der Professor für NT am Concordia Seminary St. Louis USf
mit diesem Buch eine wissenschaftlich und praktisch wertvoll6
und nötige Hilfe für das Theologie-Studium vor. Es ist sein Ziel'
dem Anfänger das heute mögliche Handwerkszeug aufzuzeigen
und ihn im Gebrauch desselben anzuleiten. In 15 Kapiteln gehf
er alle Hilfsmittel durch, wobei die bibliographisch -historische"
Linien voll durchgezogen werden und zu einem soliden, ausrei'
chenden und wirklich hilfreichen Wissen verholfen wird.

So werden behandelt: Konkordanzen, der Nestle-Text, d36
hebräische Alte Testament, die Geschichte der Septuaginta und