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Ausgabe:

1962 Nr. 1

Spalte:

825-828

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Elliger, Walter

Titel/Untertitel:

150 Jahre Theologische Fakultät Berlin 1962

Rezensent:

Fascher, Erich

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 11

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die in dieser Zeit lQS schufen. lQS insbesondere sollen von
Judas dem Galiläer während seines Exils in Syrien-Damaskus
verfaßt worden sein. Der Lehrer der Gerechtigkeit ist der dritte
Sohn Judas, Menahem, der nach 46—48 n. Chr. das Haupt der
Zelotensekte wird. Im September 66 n. Chr. fällt er in Jerusalem
durch die Priesterschaft. Danach entstehen lQpHab und
lQM. 68 n. Chr. bleibt Qumrän erhalten. Die Zeit nach dem
Fall Jerusalems muß der Höhepunkt der geistlichen Erfahrungen
der Zeloten gewesen sein (S. 67)08. Cecil Roths Thesen, zu

Umstand, den Cccil Roth leider völlig außer acht läßt. Besitzrechtlich
ist das durchaus möglich, daß eine Gemeinschaftssiedlung von einer
anderen Gruppe übernommen wurde. Nur in diesem Fall der essenischen
Siedlung ist es merkwürdig, daß sie auch in allen Anlagen
weiterbetrieben wird von den Zeloten, obwohl diese doch wesentlich
andere Zielsetzungen und Motive hatten.

Bis 73 n. Chr. wäre dann die gesamte andere Qumränliteratur
entstanden und in den Höhlen verborgen worden. Dagegen sprechen
vor allem die gerade von Hunzinger beobachtete feine Unterschiedlichkeit
in den Formulierungen innerhalb der Überlieferungsgeschichte
einer einzigen Schrift. Audi sollte man nicht vergessen, daß hinter der
Qumränliteratur religiöse Erfahrungen stehen, die zu ihrer Ausreifung
und zu ihrer literarischen Ausprägung mehr Zeit als fünf knappe
Jahre erforderten.

denen auch die bekannte Interpretation der Pliniusstelle gehört
, sind schon von Dupont- Sommer69 und anderen70 zurückgewiesen
worden. Eine ernsthafte Beschäftigung mit der Archäologie
und mit der Paläographie kann nicht angenommen werden
. Die Hypothese ist ganz unglaubhaft. Nach dem, was über
die Zeloten bekannt ist, erscheint es ausgeschlossen, Dichtungen
wie die Hodajoth auf sie zurückzuführen. Hinsichtlich
der Kriegsrolle hat schon Dupont-Sommer auf den Unterschied
zur Guerillakriegführung der Zeloten hingewiesen. So einfach
dürfen paläographische und archäologische Befunde nicht zurückgewiesen
werden, wie es hier geschehen ist, son6t geraten wir
in eine wilde Hypothesenmacheirei hinein bei Anerkennung aller
scharfsinnigen Kombinationen, die den glänzenden Historiker
auszeichnen, ihn aber trotzdem nicht dispensieren von der Notwendigkeit
, literarische Quellen und archäologischen Befund
miteinander größtmöglichst in Übereinstimmung zu bringen.

*") Die essenischen Schriften vom Toten Meer. Unter Zugrundelegung
der Originaltexte übersetzt von Walter W. Müller, 1960,
428 — 434.

70) Z. B. M. Hengel, Die Zeloten. Untersuchungen zur jüdischen
Freiheitsbewegung in der Zeit von Herodes I. bis 70 n. Chr. 1961, 3.

ALLGEMEINES

Elliger, Walter: 150 Jahre Theologische Fakultät Berlin. Eine Darstellung
ihrer Geschiohte von 1810 bis 1960 als Beitrag zu ihrem
Jubiläum. Berlin: de Gruyter 1960. VII, 154 S., 1 Falttab. gr. 8°.
Lw. DM 22.-.

Auf Wunsch der Berliner theologischen Fakultät hatte ihr
Fachvertreter für Kirchengeschichte Walter Elliger während der
Festwochen eine sechsstündige Vorlesung über die Geschichte
der Theologischen Fakultät dargeboten; daneben war eine Darstellung
als Beitrag geplant, welcher in einem Sammelband zur
Geschichte aller Berliner Fakultäten erscheinen sollte. Da dieser
Plan nicht zur Ausführung gekommen ist, hat Elliger, wie
er in seinem Vorwort hervorhebt, die Veröffentlichung dieses
Separatums gewagt, obwohl ihm der Charakter einer selbständigen
Monographie im Grunde fehlt. Der Verf. ist sich des
..Ausschnittcharakters" 6einer Darstellung durchaus bewußt,
bietet aber dennoch in einer sehr gedrängten Darstellung mit
einem etwa6 schwerflüssigen Stil eine erstaunliche Fülle von
Tatsachen und personalen Charakteristiken. Das Buch liest sich
keineswegs leicht, erschließt sich aber nach wiederholtem
Durchlesen mancher Abschnitte dem Leser erst ganz, der dann
einen reichen Gewinn hat, auch wenn er sich die Urteile des
Verfs. nicht immer zu eigen macht. Das Eigenleben der Berliner
Fakultät sollte an der sich fortlaufend erneuernden Gestaltung
des Lehrkörpers entfaltet werden; daher galt es, alle ihr je zugehörenden
Mitglieder, die erfolgreichen und jahrzehntelang
Wirkenden, die aus dem begabten Nachwuchs schnell wegberufenen
wie die erfolglosen, welche ausschieden und ein praktisches
Amt annahmen, zu erwähnen. Darüber hinaus hat Elliger
das Wagnis unternommen — etwa im Gegensatz zu Karl Heussis
Geschichte der Jenaer theologischen Fakultät — „über die noch
Lebenden mehr als nur formale Personalangaben zu machen'
(S. VII). Gerade diese Charakteristiken werden bei den Mitgliedern
der gegenwärtigen Fakultät wohl am wenigsten Zustimmung
finden, weil der Verf. trotz aller vorsichtigen, hie
u"d da sogar etwas schwebenden Ausdrucksweise, die Erfüllung
eigener Besetzungswünsche durchblicken läßt, welche durch die
Verhältnisse versagt geblieben sind.

Eine sehr nützliche Tabelle des Lehrkörpers am Schluß des
Buches verzeichnet 209 Personen (bis zur jüngsten Habilitation
1960), die in ihrer Unterteilung erlaubt, wichtige Daten für die
einzelnen Dozenten abzulesen. Ein ausführliches Personenregister
vermittelt schnell und übersichtlich die Seiten, auf denen
von den Verzeichneten die Rede ist. Aus der Zahl der
Belegstellen (für Dcißmann, Dillmann, Dorner, v. Harnack,
"engstenberg, Lietzmann, Marheineke, Neander, Pfleiderer,
Schleiermacher, Twesten, de Wette) wird schon rein äußerlich

eine gewisse Schwerpunktverteilung in der Darstellung erkenntlich
, die der Bedeutung der einzelnen Persönlichkeiten entsprechen
soll. Die Situation bei der Gründung der Universität
und Fakultät skizziert Elliger in Anknüpfung an Schleiermachers
bekannte Reformschrift: Gelegentliche Gedanken über Universitäten
im deutschen Sinn (1808) und zitiert (S. 5—8) wichtige
Stellen, aus denen Schleiermachers Verständnis von Wissenschaft
und freier Forschung hervorgeht. Die erste große Anfangszeit
der Fakultät (gestaltet durch Schleiermacher, de Wette, Marheineke
und Neander) ruht auf dem Hintergrund von Romantik
und Idealismus, stammten doch die drei Mitarbeiter Schleiermachers
aus Heidelberg. Sie verstanden es, neben dem überragenden
Mitgründer der Universität ihre Selbständigkeit und
Eigenart zu bewahren. Schleiermachers apologetisch-polemische
Frontstellung gegen eine intellektualistische Verkehrung des
christlichen Glaubens wird ebenso herausgehoben wie die Gefahr
, scharfe Konturen des spezifisch Christlichen in fließende
Übergänge aufzulösen. Sein feinfühliges Eingehen auf das Zeitbewußtsein
hemmt ihn, bis zur biblisch reformatorischen Grundlage
des Christentums ernsthaft vorzustoßen (S. 15). Dennoch
hat sein Wirken zur Selbstbehauptung des Christentums im
Zeitalter des Idealismus beigetragen. Neben ihm Marheineke
mit seinem ständig zunehmenden Anschluß an die spekulative
Philosophie Hegels, der durch Aufklärung und Idealismus
hindurchgegangene, von der Religionsphilosophie eines Fries
beeinflußte de Wette und der Kirchenhistoriker Neander, ein
namhafter Repräsentant der Erweckungstheologie, welcher alles

} Geschichtliche als von einer Idee bestimmte Ganzheit zu ver-

I stehen suchte, dabei ein hervorragender und beliebter Lehrer
seiner Studenten. Doch in dieser Glanzzeit wütet schon fortgesetzter
Hader, der die Initiative der Fakultät lähmt, so daß

I nach de Wettes Abgang der Domprediger und praktische Theologe
Friedrich Abraham Strauß — als Gelehrter nicht sonderlich
hervorgetreten — eine gewichtige Rolle als Friedensstifter und
Vermittler spielen konnte. War die Berufung von Strauß Ausdruck
für eine in Staat und Kirche sich vordrängende Tendenz
auf praktisch-erziehliche Ausrichtung des Studienbetriebes, die
das ursprüngliche Programm der Gründungsjahre wesentlich
verändern 6ollte (1821), so trat diese Tendenz noch deutlicher
in Erscheinung durch die Berufung Ernst Wilhelm Hengsten-

j bergs (1826) als Nachfolger für de Wette. Elliger bemüht sich
(S. 26ff.), diesem streitbaren Mann, welchem „Kirche" zu einem
Frömmigkeit und Theologie, Wissenschaft und Politik beherrschenden
Selbstzweck wurde, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen
, kann aber nicht verschweigen, daß die Fakultätspolitik
Hengstenbergs, der von 1848 — 18 58 sechsmal Dekan war,
wissenschaftlich wie dienstlich einen Tiefstand der Fakultät

I herbeiführte (S. 57). Unter der kurzen Amtszeit des Ministers