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Ausgabe:

1962 Nr. 10

Spalte:

788

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Schmitt, Götz

Titel/Untertitel:

Der Landtag von Sichem 1962

Rezensent:

Schmitt, Götz

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787

Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 10

788

Gott unter ihnen hat lebendig werden lassen, wurde von den Pietisten
nicht nur als Zurückweisung historischer Verzeichnungen der
Gegner oder als Mittel zur Werbung (etwa für die Franckeschen Stiftungen
) verstanden, sondern vornehmlich als Zeugnis im neutesta-
mentlichen Sinn.

[Eine Reihe von Exemplaren stehen ernsthaften Interessenten
beim Verf. (Nordgermersleben Kr. Haldensleben) zur Verfügung.]

S c h m i d, Norbert: Kleine ringförmige Komposition in den vier
Evangelien und ■ der Apostelgeschichte. Untersuchungen über eine
Stilfigur. Philos. Diss. Tübingen 1961. 180S.

Vor einigen Jahrzehnten haben nach geringen Vorarbeiten anderer
Forscher die Philologen Hermann Frankel, W. A. A. van Otterlo und
Aurelio Peretti ein in der klassischen Literatur der Griechen, vor
allem in der archaischen Dichtung häufiges und seither mehrfach erörtertes
Kunstmittel festgestellt, die sogenannte „ringförmige Komposition
" (RK): das Anfangsglied (AG) einer dreiteiligen Fügung wird
im Mittelglied (MG) ausführlich erörtert, worauf das Endglied (EG)
in mehr oder weniger wörtlicher Übereinstimmung das Anfangsglied
wieder aufnimmt.

Hildebrecht Hommel war aufgefallen, daß in den erzählenden
Schriften des NT das gleiche Kunstmittel in verkürzter Form häufig
wiederkehrt, und er hat eine Untersuchung dieser „kleinen ringförmigen
Komposition" in den Evv und der Apg empfohlen (ZNW 46,
1955, S. 175/64).

In der nun vorliegenden Untersuchung geht Verfasser zunächst
»uf die RK in der griechischen Profanliteratur ein. Die dort anfangs
zahlreich anzutreffende RK ist meist eine Großkomposition (textreiches
MG); seit ca. 400 v.Chr. verschwindet die RK fast ganz. An
literarische Kontinuität ist also nicht zu denken. — Für die LXX erscheint
die RK nicht spezifisch, sie kommt aber in den erzählenden
Teilen vor. Bei Paulus findet sich das Kunstmittel selten. Also erweist
sich die RK als Phänomen sui generis, das den Stil der erzählenden
Schriften des NT in eigenartiger, wenn auch durchaus differenzierter
Weise kennzeichnet.

Verfasser versucht nun eine genaue Definition der RK zu geben
und weist nach, daß antike Profanautoren (Piaton, Isaios, Horaz) die
Erscheinung bereits in den Blick bekommen und charakterisiert haben.

Ein umfangreicher Abschnitt ist auf den Spuren von van Otterlo
der Abgrenzung der RK von ähnlichen Stilmittcln gewidmet, wie sie
•ich im NT ebenfalls zahlreich finden (Ritornelle, Kyklen, in sich fort-
ichreitende Figuren etc.). Hier zeigt die Vorlage von Parallelmaterial
aus der Profangräzität neben solchem aus den LXX, daß es sich auch
hier nicht um spezifische Semitismen handelt.

Der Mittelteil der Arbeit legt das Material für das Vorkommen
der „kleinen RK" in den vier Evv und der Apg vor (z. B. Mt 7,
16—20; Apg. 17, 19 f.), wobei anhangsweise auch die selteneren
„großen Ringe" behandelt werden. Daß eine richtig erkannte RK für
die Exegese von großer Bedeutung ist, wird immer wieder sichtbar.
Jo 6,32—58, von Bultmann und E. Schweizer {'Ey<h tlfu... , Göttingen
1939, S. 155 f.) wegen angeblich gestörter Ordnung umgestellt und
zerpflückt, läßt sich als RK und als Kompositionstechnik des „archaischen
Pcndelschlags" (Hermann Frankel), etwa a-b-a-b, recht gut erklären
. Weitere Ergebnisse des Mittelteils: Schon die erschließbarcn
Quellenschriften der Synoptiker kennen die RK; Umfang und Art ihrer
Anwendung kommen aber jeweils den einzelnen Verfassern zu, so daß
das Phänomen deutlich das Gepräge eines künstlerischen Stilmittels
trägt. Mit Vorliebe wird es in den direkten Reden (besonders natürlich
den Herrenworten) angewendet. Weitaus an der Spitze steht Jo;
dann folgen Mk (gegenüber Jo, unter Berücksichtigung des Umfangs
der Bücher, 65 %), Mt (48 %) und schließlich Lk (40 %) und Apg
(34 %), wobei der etwas geringere Anteil der Apg sich z.T. aus dem
Zurücktreten der direkten Rede erklärt.

Im letzten Kapitel geht es um Entstehung und Zweck der RK in
den untersuchten Schriften. Es wird vermutet, daß im schlichten
Erzählerstil der Evv und der Apg, der ja literarisch weithin als Neuansatz
gewertet werden muß, mit der „kleinen RK" ein sozusagen
naives Element „archaischer" Stilkunst begegnet, das fern von allem
Archaisieren doch eine eindrucksvolle Parallele zur Großform der RK
darstellt, wie sie der archaischen Dichtung der Griechen ihr Gepräge
gegeben hat. Hier ist der Erforschung des Stiles der Evangelien und
der Apg ein weites Feld eröffnet. — Die RK kann verschiedene Zwecke
erfüllen: Sie bietet die Möglichkeit, frisch hervorquellenden Stoff zu
„organisieren" (van Otterlo); sie erleichtert das Verständnis; sie betont
die Aussage (z. B. Abschnittrahmung oder RK am Ende eines
Abschnitts bei Mt); sie ist breitem Erzählstil eigen (ausschmückende
RK bei Mk).

Am Ende der Arbeit befindet sich ein Stellenregister.

Schmitt, Götz: Der Landtag von Sichern. Diss Tübingen 1961.
181 S.

Die Arbeit will die Theologie, den kultischen Hintergrund und
die geschichtliche Bedeutung von Jos 24 verstehen. Sie erörtert das
Verhältnis des Sichembundes zum Sinaibund und setzt sich besonders
mit der Hypothese Sellins und Noths auseinander, nach der auf dem
Landtag von Sichern verschiedene Stämmegruppen sich zusammenschlössen
.

Das Eingangskapitel behandelt die Fragen der Analyse und der
literarischen Beziehungen. Es ist unvorsichtig, in Jos 24 eine Reihe
von deuteronomistischen Zusätzen auszuscheiden, statt zu 6ehen, daß
die Redekomposition v. 2—24 als Ganzes dem Deuteronomium nahe
verwandt ist. Noch näher aber steht sie der (vordeuteronomistischen)
schematisch-theologischen Geschichtsbearbeitung im Richterbuch und in
1. Sam 7—12. V. 1.25—27a ist eine ältere Schicht; v. 27a scheint eine
Bundessatzung in Form einer Jahwerede vorauszusetzen, die im Wortlaut
mitgeteilt war (wohl vor v. 2 5). Die früher übliche Zuweisung
von Jos 24 zur Hexateuchquelle E dürfte für die ältere Schicht zu
Recht bestehen.

Das zweite Kapitel fragt nach der Theologie der Reden v. 2—24
und sucht ihre Eigentümlichkeiten aus dogmatischen Tendenzen zu begreifen
. Der Text setzt voraus, daß die Angeredeten aus Ägypten
kommen und vielfach Jahwes Hilfe erfahren haben, aber noch frei
sind zu entscheiden, ob sie Jahwe dienen wollen oder anderen Göttern
. Der Sinaibund wird ignoriert. Sellin und Noth gehen hinter den
Text zurück und geben eine geschichtliche Lösung der Schwierigkeit,
versäumen aber zu fragen, was denn der Verfasser selbst sicli gedacht
habe. Dies gilt es zuerst zu verstehen. Es geht dem Verfasser um die
freie Gnade Gottes, der sein ganzes Werk für Israel getan hat, ohne
eine Gegenleistung zu fordern, und um die freie Antwort des Volkes,
das sich ohne Zwang für Jahwe entscheiden soll. Die Erinnerung daran,
daß schon am Sinai vom Volk ein Treuegelöbnis verlangt wurde, paßt
da nicht ganz hinein. Ein auffallendes Zurücktreten der Sinaitradition
ist übrigens auch sonst gelegentlich zu beobachten, gerade in nicht
ganz frühen Überlieferungsschichten. Der Gedanke, daß Israel erst mit
dem Eintritt ins Kulturland begonnen habe, Jahwe zu „dienen", d. h.
zu opfern, ist auch bei Arnos als bekannt vorausgesetzt. Das Abtun
der fremden Götter muß nicht mit der Annahme des Jahwcglaubcns
zusammengefallen sein. Die Mahnung in Jos 24 gilt in Wahrheit den
Hörern der späteren Zeit.

Das dritte Kapitel behandelt Jos 24 in seinem Zusammenhang
mit dem Kult Israels. Insbesondere werden erörtert der kultische
Hintergrund von v. 2—13 — die Verkündigung der Hcilstatcn Jahwes
mit der Exodus- und Landnahmetradition als Kern gehörte zum
„Bundesfest" und war dort fester verwurzelt als selbst die Sinaitradition
—, die Wendung karat bcrit le, die das Auflegen eines
Vasallenvertrages bezeichnet, und die eigenartige Reihenfolge in v. 25:
erst Bundesschluß, dann Gesetzgebung. Offenbar sind zwei Arten von
Rechtssatzungen zu unterscheiden, von denen nur die erste Inhalt de«
Bundes ist. In einem Anhang wird versucht, die grundlegenden
Bundessatzungen aus den Gesetzen des Pentateuchs herauszufinden.

Viertes Kapitel: Wenn auch manche der in Jos 24 beschriebenen
Akte im Festkult regelmäßig wiederkehren, so meint der Erzähler doch
ein einmaliges Geschehen: eine grundlegende Gesetzgebung am Heiligtum
von Sichern bald nach der Landnahme der Israeliten. Die Tradition
von Jos 24,25 paßt genau zu allem anderen, was die alten Überlieferungen
erkennen lassen. Der Sinaitradition widerspricht sie nur
insofern, als man später alle Gesetze Israels von Mose herleitete. Die
Hypothese Sellins kann nicht aus Jos 24 bewiesen, sondern nur von
einer allgemeinen Anschauung der Frühgeschichte Israels aus postuliert
werden. Unsere Kenntnis dieser Zeit läßt aber auch andere Möglichkeiten
offen.

Staimer, Edeltraut: Die Schrift „De Spiritu Sancto" von Didymu*
dem Blinden von Alexandrien. Diss. München 1960. 173 S. (204 S.)-
Das Ziel der vorliegenden Dissertation ist es, das Buch von
Didymus dem Blinden von Alexandrien: „De Spiritu Sancto" dogmen-
gcschichtlich richtig einzuordnen. Das war bisher nie versucht worden,
da der Urtext verlorenging und uns nur eine lateinische Übersetzun?
von Hieronymus erhalten geblieben ist. So konnte es geschehen, daß
Didymus für einen eifrigen Sammler der theologischen Ergebnisse der
Kirchenväter des vierten Jahrhunderts, und vor allem für einen Ep>'
gonen der drei Kappadozier gehalten wurde. Didymus sollte wieder
der Platz in der Dogmengeschichte zurückgegeben werden, der ihm
gebührt.

Die Arbeit selbst gliedert sich in drei Hauptteile: in einen biogM'
phischen, einen dogmatischen und einen dogmengeschichtlichen Teil-
Allem voraus geht eine Darstellung der dogmengeschichtlichen Ent'
Wicklung der Pneumatologie bis hin zu Didymus dem Blinden.