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1962 Nr. 10

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Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

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Neuerscheinungen

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761 Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 10

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annehmbar, und hier ist erneut zu bedauern, daß der Verf.
Scholtes Einwände ignoriert.

Ein großer Vorzug der Ausgabe von T. beruht auf dem
angewandten Entzifferungsverfahren. T. hat zum Lesen der Hs.
Photokopien verwendet, dabei erstmalig für de test. eine bei
ultraviolettem Licht angefertigte (= A°). Hiermit gelingt tatsächlich
in drei Fällen die sichere Ermittlung von neuen Lesungen
, häufig werden die traditionellen Ergänzungen bestätigt,
einigemale auch in Frage gestellt. So ist 1,3 eindeutig pro
Christianis statt prope Christianum, 3, 3 deum statt dominum,
4. 9 furorem statt formam zu lesen.

In 2,1 ist die traditionelle Ergänzung (cetcros) deos esse, die die
Einfügung eines negat erforderte, aufzugeben, da in A° fae (?) . . os erscheint
, was Sinn ergibt. T. setzt daraufhin f(als)os in den Text; im
krit. App. sdilägt er daneben factos oder aeneos vor, doch beides
dürfte abwegig sein. Im krit. Anhang (S. 88 f.) sdilicßlich tritt er für
die Lesung faeneos ein, die ernsthaft zu erwägen wäre. Sechs weitere
Ergänzungsvorschläge, die sich nicht auf neue Entzifferung stützen,
bleiben problematisch. Einige Wahrscheinlichkeit hat noch der Vorsehlag
alios für alium (6, 2). Nicht überzeugend sind die Ausführungen,
die die Ergänzung (luxu) ria statt {immundi) tia (3, 1) rechtfertigen
sollen; eine Bemerkung zur Vertauschung von t mit r wäre hier am
Platze, ebenso zu der Endung -bi in 4, 6, in der Schölte ausdrücklich
«in d zu erkennen behauptet12. Auch bei 5, 1 wäre auf Schölte zu verweisen
, der ebenfalls wegen der Lückengröße in A einen neuen, und
zwar einleuchtenderen Ergänzungsvorschlag macht. Auf das Argument
der Lückengröße 6tützt T. auch die Ergänzungen zu 2,7 und 4,10.
Hier ist grundsätzlich Vorsicht anzuraten. Denn bei der erwiesenen
Fehlerhaftigkeit der Handschrift gibt die Größe einer Lücke nur sehr
bedingt Aufschluß über die zu ersetzende Buchstabenzahl. Ferner ist
mit Abkürzungen zu rechnen, über die T. seltsamerweise kein Wort
verliert.

Ernsthafte Zweifel erregt das von T. vorgelegte Ergebnis
seiner Entzifferungsbemühungen zu Beginn des stark beschädigten
4. Kapitels (das übrigens auch in den lesbaren Partien von
Fehlern wimmelt). Probehalber sei der erste Satz angeführt,
wie ihn T. in seinen Text aufnimmt: Iam nunc quod ad . . eds
ca. .. rem (ad necessariorem) 6ententiam tuam spectet, quan-
*UBI et ad ipsu.m . . . . L di n tendit (ad ipsum statum tuum
tendit) usw. Die in Klammern beigefügten B-Lesungen hält T.
aufgrund dieses Ergebnisses für falsch und verbannt sie in den
Apparat. Auf eine sinnvolle Ergänzung der in A° erschienenen,
teilweise doch recht mysteriösen Buchstaben verzichtet er. Man
fragt sich, ob T. nicht die Wiedergabe des Codex mit der Aufgabe
der Textherstellung verwechselt.

Der Kommentar zeichnet sich aus durch Verständlichkeit
und leichte Benutzbarkeit. Anordnung und Druck sind
übersichtlich, der lateinische Text erscheint häufig noch einmal
,r< italienischer Paraphrase, Beleg- und Parallelstellen, mit
denen nicht gespart ist, sind fast immer ausgeschrieben, die Erklärungen
reichlich und nicht wortkarg". Wie es der Gegenwand
nahelegt, stehen sprachliche Erläuterungen und doxo-
graphischc Angaben im Vordergrund.

Vielfach unbefriedigend ist der sprachliche Teil. Einzelheiten
durchzugehen, ist hier unmöglich; daher seien einige typische Mängel
Scannt.

») Häufig wird die Wortbedeutung ungenau oder abgeschwndit
wiedergegeben. Dadurch geht gewöhnlich die von Tert. beabsichtigte
rointc verloren. Z.B. 1,6: das kräftige sapientiam ruetas ergibt zusammen
mit dem vorangehenden pasta ein höchst drastisches Bild, das
Verblaßt, wenn man ruetare = edere kommentiert.

b) Der Bedeutungswandel vieler Ausdrücke wird nur konstatiert,
n'dit aber erklärt, obwohl die Bcdcutungsgcschidite bereits erforscht
*»■ So bricht S. 102 (zu instrumentum) das Zitat aus Teeuwen un-
m'ttelbar vor der Ableitung aus dem juristischen Sprachgebrauch ab;
■ '°1 (zu curiositas) ist, ungeachtet der Darstellung von Mette (Fest-

, . u) Auch bei der Beschreibung des Kodex (S. 63 f.) finden sich
C|nerlei Angaben über die Schrifttypen, Ligaturen und leicht zu verwechselnden
Buchstaben. Ferner ist nirgends erwähnt, daß er Korrekten
aufweist, so daß das von RW nach vorangehender Erklärung
erwendete Siglum ,A corr.' im Apparat T.s überrascht. Eine nicht
"gepaßte Übernahme aus RW scheint auch die Angabe zu 1,6 Z. 41:
■•Pnus te om. B" zu sein, da nur bei RW die beiden »e in einer Zeile
stehen.

t. . ') Die summarische Kritik T.s an seinen Vorgängern (er nennt
na|denthallcr. Schölte und Colombo) lautet: assai scarsi (S. 7).

Schrift B. Snell 1956, 232 f.) die Ablehnung des menschlichen Forschungsdranges
in der skeptischen und religiösen Philosophie nicht
erwähnt.

c) Die Anführung von sprachlichen Parallelen erscheint oft willkürlich
. Vor allem ist nicht ersiditlich, warum gerade immer Tacitus
genannt ist, während wichtige Vertreter des afrikanischen und frühchristlichen
Lateins unberücksichtigt bleiben. Auch ist unverständlich,
warum Bibelzitate, selbst wenn sie den Sprachgebrauch Tert.s erklären
sollen, in der Vulgatafassung gegeben werden.

d) Zuweilen sind ganz normale Konstruktionen verkannt und abwegig
erklärt. Z.B. ist 1,4 nicht credere mit Dativ, für den hier ein
Genetiv eingetreten sein soll, sondern einfach credere in zu konstruieren
(vgl. Cic. Rose. Amer. 62: in quo scelere . . . non temere credi-
tur); in 1,5: consiste in medio ist in medio gewöhnliche Ortsangabe
und hat nichts mit einem für Adverbien gebrauchten präpositionellen
Ablativ zu tun.

e) Andererseits bleiben auffällige grammatische Erscheinungen wie
cum caus. mit Indikativ unkommentiert. Aus allem geht hervor, daß
auf den von T. S. 7 als „puramente lessicale" geschmähten Kommentar
Scholtes nicht verzichtet werden kann.

Die doxographischen Zusammenstellungen sind im allgemeinen
recht instruktiv. Insbesondere wird der Benutzer dankbar sein für
Anhang III (Die Scelenlehre Tertullians). Die Behandlung des Themas
,.Ira dei" (Anhang V) ist dadurch beeinträchtigt, daß der Verf. nur
die Epikureer berücksichtigt. Warum kann Tert. bei seinen Ausführungen
2, 3 ff., in denen er den Gegnern nur die Leugnung dc6 gött-
lidien Richter- und Strafamtes vorwirft, nicht auch an Stoiker gedacht
haben, zumal von ihnen der provozierende Satz ausgesprochen war:
deos nemo sanus timet (Sen. ben. 4, 19, l)? Allzu flüchtig wird auch
die biblische Vorgeschichte (das AT ist überhaupt nicht erwähnt) und
theologische wie philosophisdie Problematik berührt. Schon deshalb
wäre der Hinweis auf die früheren, überlegenen Darstellungen von
E. F. Midka und H. Kraft zu begrüßen14.

Heidelberg Antonie WI o s o k

14) E. F. Micka, The Problem of Divine Anger in Arnobius and
Lactantius, 1943; H. Kraft, Lactantius, De ira dei, Darmstadt 1957
(Einleitung).

Baus, Karl: Wesen und Funktion der apostolischen Sukzession in
der Sicht des heiligen Augustinus.

Ekklesia — Festschrift für Bischof Dr. Matthias Wehr, Trier 1962
S. 137-148.

Hornschuh, Manfred: Das Gleidinis von den zehn Jungfrauen in
der Epistula Apostolorum.

Zeitschrift für Kirchengcschichte LXXIII, 1962 S. 1—8.
liiert, Dieter: Die ,.vollkommeneren Sakramente" bei Ambrosius.

Zeitschrift für Kirchengeschichte LXXIII, 1962 S. 9—15.
Lamirande, Emilien, O. M. L: Un siecle et demi d'etudes sur

l'ecclesiologie de Saint Augustin. Essai bibliographique. Extrait de

la Revue des Stüdes Augustiniennes, 1962, Fase. 1. 125 S. gr. 8°.

KIRCHEN GESCHICHTE: MITTELALTER

Frede, Hermann Josef: Pelagius, der irische Paulustext, Scdulius
Scottus. Freiburg: Herder 1961. 165 S. gr. 8° = Vetus Latina, die
Reste d. altlateinischen Bibel nadi Petrus Sabatier neu gesamm. u.
hrsg. v. d. Erzabtei Beuron. Aus der Geschichte der lateinischen Bibel
, 3. DM 22.50.
Die vorliegende Arbeit behandelt die lateinische Übersetzung
des Epheserbriefes in der Spätantike und im frühen Mittelalter
unter besonderer Berücksichtigung Irlands. Der Autor ist an der
Edition des Epheserbriefes im Rahmen der Beuroner Edition der
Vetus Latina beteiligt. Er spricht im Vorwort die Vermutung aus,
daß seine Untersuchungen über den Epheserbrief auch für die
lateinische Übersetzung der anderen paulinischen Briefe Geltung
haben würden (S. 5). Fredes Arbeit geht aus von der Frage,
welcher lateinische Text der Paulusbriefe dem irischen Theologen
Pelagius vorgelegen habe. Sein Ergebnis ist, „daß Pelagius im Besitz
der Vulgata ist und eben die6e kommentiert" (S. 47); freilich
weise der Text eine Anzahl altlateinischer Lesarten auf.
Frede meint, daß „die Entstehung der Vulgata einige Zeit vor
dem Abfassungsdatum des Kommentars (406) anzusetzen" sei
(S. 46). Er bietet dann jenen lateinischen Text des Epheserbriefes,
der Pelagius vorgelegen haben dürfte (S. 48—58).

Schon 1906 hatte A. Souter auf Grund des Textes A (Reichenauer
Hs., heute in Karlsruhe) geragt, daß die Vulgata die Grundlage des
Pelagiuskommentars gewesen sei. Unter dem Eindruck eines Textes B