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Ausgabe:

1962 Nr. 10

Spalte:

757-762

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Tibiletti, Carlo

Titel/Untertitel:

Q. S. F. Tertulliani De testimonio animae 1962

Rezensent:

Wlosok, Antonie

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 10

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(Verb); 1. Petr. 3,16; 1. Tim. 1,5. 19; 3,9; 4,2; 1. Kor. 8,7
(s. o.); Tit. 1, 15.

St. bemüht sich durchaus darum, die neutestamentlichen
Aussagen über die s. jeweils von ihrem Kontext her zu interpretieren
. Besonders in I.Kot. 8. 10 und Hebr. 9 f. birgt dieser
jedoch z. T. seine besonderen Probleme (Stellung des Paulus zu
Götzen und Essen von Götzenopferfleisch; Wertung des Begriffes
,gnosis'; teleioun im Hebr.). Gelegentlich nennt St., der
die außerkatholische Forschung eingehend heranzieht, eine
referierte Deutung bezeichnend protestantisch; es ist natürlich,
daß das Entsprechende auch für ihn gilt. Seine „Arbeitshypothesen
" (5) regen durchaus dazu an, ,,der genaueren Bedeutung
" des Wortes s. erneut „nachzuspüren" (95), und geben
dafür nützliche Anregungen.

Hulle/Soale Gerhard D el 1 i n g

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. Leipzig: St. Benno-Verlag [1961]. 108 S. 8° = Geistliche
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Lesung, hrsg. v. W. Trilling, Bd. 13. Lw. DM 3.30.

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W. Trilling, Bd. 10. Lw. DM 3.65.

J$J HC H EN GESCHICHTE: ALTE KIRCHE

1 e r t u 11 i a n i, Q. S. F.: De Testimonio Animae. Introduzione, testo
e commento di Carlo Tibiletti. Torino: Universitä di Torino
1959. 198 S. gr. 8° = Pubblicazioni della Facoltä di Lettere e Filo-
s°fia, Vol. XI, Fase. 2. L. 1.500.-.

Mit der angezeigten Arbeit vermehrt der Verf. die erfreuliche
Anzahl neuerer Kommentare zu Einzelschriften des sprachlich
ungewöhnlich schwierigen Nordafrikaners. Ein erster, einführender
Teil ist dem philosophischen Verständnis und der
geologischen Würdigung des testimonium animae gewidmet.
*rie Seiten 63-97 enthalten den lateinischen Text mit krit.
Apparat, eine Skizzierung der Überlieferungslage, die Darlegung
der eigenen Prinzipien der Textgestaltung und einen .kritischen
Anhang', jn dem ein Teil der abweichenden Lesarten begründet
Ur>d abschließend ein stattliches Verzeichnis der eigenen Sonderlesungen
aufgestellt ist. Hierauf folgt der ausführliche, fortlaufe
Kommentar, dem 8 Exkurse zu einzelnen, sich aus dem

Text ergebenden Themen angehängt sind, an letzter Stelle zur
Prioritätsfrage Tertullian-Minucius Felix. Beigegeben ist ein
nützlicher Wortindex und eine Bibliographie.

Der kurze, keine 6 Blätter umfassende Traktat de testimonio
animae ist in die apologetischen Schriften Tert.s einzureihen
. Tert. führt in ihm ein bereits im Apologeticum
(apol. 17) erwähntes Argument weiter aus, dem er dort in dem
bekannten Ausruf: o testimonium animae naturaliter Christi-
anael eine paradox zugespitzte Formulierung gegeben hat (vgl.
apol. 18,4; test. 1, 7). Ausgesagt ist damit, daß die menschliche
Seele in ihrem natürlichen, unverdorbenen Zustand, der
sich in spontanen Aussprüchen des unverbildeten Volke? kundtut
, Zeugnis für die Existenz eines einzigen, gütigen Schöpfergottes
ablegt, der die Welt zugleich lenkt und richtet, eben des
Gottes, den die somit zu Unrecht geschmähten und blutig verfolgten
Christen predigen.

Die anerkannt originelle Leistung Tert.s hierbei ist die
effektvolle, dramatische Ausgestaltung, die auf jeden wissenschaftlichen
Aufputz verzichtet: mit der aus der forensischen
Praxis genommenen Wendung „consiste in medio" (test. 1, 5)
ruft er die Seele als Zeugin vor Gericht und überführt sie aufgrund
ihrer eigenen Aussprüche über Gott des Zeugnisses zugunsten
der Christen. In späteren Schriften nimmt Tert. den
zugrundeliegenden Gedanken eines natürlichen Gotteswissens der
Seele wiederholt auf — die Stellen finden sich bei T. S. 21—39
ausgeschrieben und eingehend besprochen —, ein Anzeichen dafür
, daß er auch dem Lehrgehalt Bedeutung beimaß.

Das Hauptproblem, das T. vom Inhalt der Schrift her gegeben
sieht, ist die Frage, wie Tert. das natürliche Gotteswissen
der Seele verstanden hat. Der Umstand, daß Tert. mit stoischer
Terminologie arbeitet (wie praesumptio — TTQoXrmns, sensus
communes — xoival oder yvoixal evvoim), hat es selbstverständlich
erscheinen lassen, ihn auch im Sinne der sensuali-
stischen Erkenntnislehre der Stoa zu interpretieren. Danach
würde es sich um ein durch allgemeine Erfahrungstatsachen
naturhaft entstandenes, also empirisches Wissen handeln. Der
Gottesbeweis aus dem Zeugnis der Einzelseele, die wiederum,
da sie sich bei allen Menschen gleicherweise findet, universal
ist, wäre nur eine Sonderform des stoischen Beweises ex con-
sensu gentium, dem allen Menschen innewohnenden Gottesbewußtsein
, als dessen innere Erfahrungstatsache die Vernünf-
tigkeit der menschlichen Natur selbst gelehrt wurde1. Systematisch
betrachtet bildet dieser Gottesbeweis das anthropologische
Korrelat zu dem kosmologischen, obwohl in der Stoa der con-
sensus gentium auch auf die äußere Erfahrungstatsache der
Schönheit und Ordnung der Welt gestützt wurde. Wenn somit
Tert. apol. 17,4 den Gottesbeweis aus den Schöpfungswerken
neben dem aus dem Seelenzeugnis anbietet, müßte man gerade
darin eine echte Aneignung und geistige Durchdringung der
stoischen Lehre erkennen.

Demgegenüber steht die Auffassung, daß Tert. unter der
natürlichen Gotteserkenntnis ein der Seele von ihrem Schöpfer
mitgegebenes und insofern angeborenes Wissen versteht, das
er auch als Bewußtsein der eigenen Schöpfungsabhängigkeit
auslegt'. Sie läßt sich durch sorgfältige Interpretation aus den
Aussagen Tert.s selbst gewinnen, wobei sich herausstellt, daß
Tert. bei der Verwendung der stoischen termini (sensus communis
u. a.) ein platonisierendes Verständnis voraussetzt. Es ist
daher höchst verdienstvoll, daß sich T. mit Nachdruck dieser
Deutung anschließt und sie erneut durch wichtige Nachweise
stützt. Seine Entscheidung verbindet sich mit der vernünftigen
Einsicht, daß Tert. philosophisch nicht festgelegt werden kann,
sondern eine eklektische Haltung einnimmt, die von seinen
theologischen Bedürfnissen bestimmt wird (S. 41 ff.).

Eine genauere Ableitung der tertullianischen Konzeption versucht
T. nicht. Immerhin verweist er auf das wertvolle Zeugnis des

') Näheres bei Pohlenz, Stoa I 59. 94 f. 233 f.; II 34 f. Zu berücksichtigen
ist die Entwicklung der Lehre innerhalb der Stoa selbst,
in der das Prinzip des Sensualismus auch durchbrochen werden konnte.

2) Siehe jetzt noch S. Otto, „Natura" und „dispositio". Untersuchung
zum Naturbegriff und zur Denkform Tertullians, 1960: Münch
Theol. Stud., II. System. Abt. 19, S. 106 ff. u. 119 f.