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Ausgabe:

1962 Nr. 10

Spalte:

752-753

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

The Pauline epistles 1962

Rezensent:

Kümmel, Werner Georg

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 10

752

„Das Neue der freimaurerischen Betrachtungsweise", sagt Wagner
, „liegt darin, daß ganz andere, bisher nicht gekannte
Gesichtspunkte zur Behandlung des Essenerproblems führen, ja,
daß das Verständnis des Essenismus einer freimaurerischen
Ideologie geradezu untergeordnet ist" (S. 21). Wie es dann
weiterging, darüber berichtet Wagner in Einzelheiten.

Wagners Buch teilt sich in vier Hauptabschnitte. Der erste
behandelt die Auseinandersetzung zur Zeit der Aufklärung
(1780—1830). Das Hauptgewicht ist hier ganz natürlich auf die
Haltung der Freimaurer und auf den Essenismus in Jesus-Dramen
und Romanen gelegt. Im zweiten Hauptabschnitt behandelt der
Verf. die Lösung von der dogmatisch-weltanschaulichen Betrachtungsweise
her und die zunehmend nüchterne Quellenbetrachtung
(18 30—18 80). Besonders interessiert ihn hieT
Adolf Hilgenfeld, dem er einen eigenen Abschnitt widmet
(S. 165—176). Hilgenfeld sah in dem Essenismus „den letzten
Ausläufer des Prophetismus der Hebräer" und in den Therapeuten
„eine Verpflanzung des Essäismus nach Ägypten". Wenn
er das Christentum auch nicht als einen Ausfluß des Essenismus
begreifen möchte, so mußte dem Essenismus doch ein nachhaltiger
Einfluß auf die ursprüngliche Gestalt des Christentums zugestanden
werden (S. 167). Über Hilgenfelds Essenerforschungen
sagt Wagner zusammenfassend: „Seine Gedanken haben stärker
gewirkt, als man zuzugeben geneigt war" (S. 172).

Im dritten Hauptabschnitt behandelt der Verf. die Quellendiskussion
im ausgehenden 19. Jahrhundert. Er diskutiert die
rätselhafte Therapeutenfrage, mit Unterstreichungen von Paul
Wendlands Gesichtspunkten her. In einem anderen Unterabschnitt
behandelt er die Essenerquellen und die Diskussion
über ihren Wert, die im ausgehenden 19. Jhdt. stattfand.

Im vierten und letzten Hauptabschnitt behandelt Wagner
die Wende zum 20. Jhdt. und die Diskussion des Essenerproblems
im 20. Jhdt. Mit der Wende zum 20. Jhdt. setzte
eine neue Phase der Essenerbetrachtung ein. Im Vordergrund
standen nicht mehr die heftigen Auseinandersetzungen, sondern
wissenschaftsgeschichtliche Interessen, die dem Leser einen Überblick
über die herrschenden Ansichten verschaffen möchten.
Vielleicht kann dieser Zeitabschnitt überhaupt eine Epoche der
Resignation genannt werden.

In den Unterabschnitten diskutiert der Verf. den Essenismus
als jüdisches Phänomen, Essenismus und außerisraelitische
Religion, und den Essenismus in seiner Einwirkung auf das
Christentum, endlich auch die Quellenproblcme. In seinen
zusammenfassenden Schlußbemerkungen konstatiert der Verf.:
„Das Vorhandensein einiger origineller Lösungsversuche in Teilfragen
des essenischen Problems kann nicht darüber hinwegtäuschen
, daß in der Essenerforschung der ersten Jahrzehnte des
20. Jhdts. eine Stagnation eingetreten ist. Das wird mit dem
Jahre 1947 anders. Die Handschriften vom Toten Meer haben
ein starkes Interesse am Essenismus lebendig werden lassen.
Sollten sie tatsächlich aus Essenerkreisen stammen, was heute
weithin angenommen wird, dann lägen erstmalig Originaldokumente
des Essenerordens vor, und es dürfte zu Recht mit
einer neuen Epoche der Essenerforschung gerechnet werden"
(S. 247).

Am Schluß des Buches bringt der Verf. eine vorzügliche
Bibliographie und ein Personenregister.

Wagners Buch gibt einen klaren und instruktiven Überblick
über die Essenerforschung vor den Funden der Handschriften
vom Toten Meer. Es gibt somit einen vorzüglichen Hintergrund
für das Studium der neuen Schriften.

Oslo Arrid S. Kapelrud

Fuß, Werner: II Samuel 24.

ZAW 74, 1962 S. 145-164.
Hammershaimb, E.: Einige Hauptgedanken in der Schrift des

Propheten Micha.

Studia Theologica XV, 1961 S. 11-34.
Kaiser, Otto: Erwägungen zu Psalm 101.

ZAW 74, 1962 S. 195—205.
K 1 i n e, Meredith G.: Divine Kingship — and Genesis 6,1—4.

The Westminster Theological Review 24, 1962 S. 187-204.

Koch, Klaus: Der Tod des Religionsstifters — Erwägungen über
das Verhältnis Israels zur Gcschidite der altorientalischen Religionen
.

Kerygma und Dogma 8, 1962 S. 100—123.
Mowinckel, Sigmund: The verb siah and the nouns sr'h, sihä.

Studia Theologica XV, 1961 S. 1—10.
Myers, Jacob M.: Some Considerations Bearing on the Date of Joel.

■ZAW 74, 1962 S. 177—195.
Nielsen, Eduard: La Guerre consideree comme une rcligion et

la Religion comme une guerre. Du chant de Debora au Rouleau de

la Guerre de Qoumran.

Studia Theologica XV, 1962 S. 93—112.
Rendtorff, Rolf: Botenformel und Botenspruch.

ZAW 74, 1962 S. 165—177.
Rössler, Otto: Die Präfixkonjugation Qal der Verba Iae Nun im

Althcbräischen und das Problem der sogenannten Tempora.

ZAW 74, 1962 S. 125—141.
V i s c h e r, Wilhelm: Der Hymnus der Weisheit in den Sprüchen

Salomos 8,22—31.

Evangelische Theologie 22, 1962 S. 309—326.
Watts, John D. W.: Infinitive absolute as Imperative and the

Interpretation of Exodus 20, 8.

ZAW 74, 1962 S. 141-145.
Wolf f, Hans Walter: Wer ist der Gottesknecht in Jesaja 53?

Evangelische Theologie 22, 1962 S. 338—342.

NEUES TESTAMENT

Guthrie, Donald, B. D., M. Th.: New Testament Introduction,
The Pauline Epistles. London: Tyndale Press [1961]. 316 S. 8°.
Lw. 18 s. 6 d.

Der ungewöhnliche Titel dieses Buches erklärt sich aus
der im Vorwort erwähnten Tatsache, daß der Verf. das Buch
ursprünglich nicht als Teil einer „Einleitung in das Neue Testament
" geschrieben hat; trotzdem wäre es zweckmäßiger gewesen
, diesen Band deutlich als Teil einer „Einleitung in das Neue
Testament" zu kennzeichnen, also zum mindesten den Titel
umzudrehen und dadurch die Zitierung zu erleichtern. Denn
das Buch behandelt genau das, was in dem Paulus gewidmeten
Teil einer „Einleitung in das Neue Testament" behandelt zu
werden pflegt, nämlich die Entstehungsverhältnisse und Echtheitsfragen
und den Inhalt der einzelnen Paulusbricfc, die
Chronologie des Wirkens des Paulus und die Entstehung der
Sammlung der Paulusbriefe. Außerdem weist ein (viel zu kurzer
) Exkurs auf die von Paulus aufgenommenen christlichen
Traditionen hin und erörtert ein weiterer Exkurs grundsätzlich
das Problem der Pseudepigraphie bei Briefen. Eine nützliche
Bibliographie, nach dem Alphabet und nach den Briefen geordnet
, beschließt den Band.

Der Verf. behandelt die Briefe in der traditionellen Reihenfolge
des Corpus Paulinum, weil sich die chronologische Folge
der Briefe nicht sicher feststellen lasse, und bringt die Inhaltsangaben
der einzelnen Briefe jeweils erst nach der Erörterung
der historischen Fragen, was schwerlich zweckmäßig ist; dagegen
werden zweckmäßigerweise die geschichtlichen Probleme
der einzelnen Briefe je nach den Gegebenheiten in verschiedener
Reihenfolge besprochen. Der Verf. vertritt in allen
historischen Fragen eine ausgesprochen konservative Haltung
und verteidigt darum die paulinische Abfassung aller 13 Briefe
des Kanons einschließlich der Doxologie des Römerbriefs und
ebenso die literarische Einheitlichkeit sämtlicher Briefe. Er läßt
den kritischen Anschauungen insofern Gerechtigkeit widerfahren
, als er deren Argumente, vor allem beim Epheserbricf und
den Pastoralbriefen, breit entwickelt, doch kommt die Ablehnung
dieser Anschauungen nicht erst bei der darauf folgenden
positiven Beweisführung zum Zuge, sondern schon fortwährend
bei der Vorführung der kritischen Argumente, so daß die
Ernsthaftigkeit dieser Argumente nicht wirklich erkennbar
wird. Und gelegentlich verführt die apologetische Tendenz den
Verf. zu recht fragwürdigen Argumentationen: so bestreitet er,
daß eine Vielzahl von Argumenten, die als einzelne ohne
ausreichende Beweiskraft wären, kumulative Bedeutung haben
könne, und führt zugunsten der paulinischen Herkunft der
Pastoralbriefe an, daß angesichts der eindeutig auf Paulus verweisenden
Präskripte der Briefe der Zweifel an der Echtheit