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Ausgabe:

1962 Nr. 10

Spalte:

750-751

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Wagner, Siegfried

Titel/Untertitel:

Die Essener in der wissenschaftlichen Diskussion 1962

Rezensent:

Kapelrud, Arvid Schou

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 10

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benden bis in unsere Zeit dar (S. 4, 22, 44 f.), auch wenn das
Gesagte nur „unter Berücksichtigung der durch Kreuz und Auferstehung
veränderten Situation gilt" (S. 70). Darin scheint mir
der beste Ansatzpunkt zu liegen; doch wird man zweckmäßig
die für den zweiten Band angekündigte methodische Rechenschaft
(S. VII) abwarten.

Wien Georg Fohrer

Bratsiotitf, Nikolaus Pan.: Eloaycoyt) eis tovs Movokdyovs *°v
'leQEfiiov. (Einleitung in die Monologe des Jeremia.) Diss. theol.
Athen 1959. 133 S. gr. 8°.

Die vorliegende, in neugriechischer Sprache geschriebene
theologische Doktordissertation eines jungen griechischen Alt-
testamentlers wendet sich auf dem viel bearbeiteten Gebiet der
Jeremiaforschung einem besonderen Problem zu, von dem er
mit Recht sagen kann, daß es zwar bisher gelegentlich bemerkt,
aber weder monographisch noch in Abhandlungsform untersucht
worden ist. Es ist das Problem der Monologe im Jeremiabuch.
In der Formenwelt des Jeremiabuchs gibt es tatsächlich Stücke,
die monologischen Charakter tragen und bei dem so stark die
Persönlichkeit und die individuelle Frömmigkeit zeigenden Propheten
auch erwartet werden können. Diese monologischen
Stücke besonders zu untersuchen, ist gewiß ein verdienstliches
Werk, das alle Anerkennung verdient.

Die Arbeit selbst ist ein Muster methodisch sauberen Vorgehens
und wissenschaftlicher Akribie. Die gesamte deutsche
und ausländische Literatur, soweit sie für das Thema herangezogen
werden muß, ist von dem Autor fleißig und umsichtig
genutzt worden. Die Untersuchung selbst ist in zwei große
Teile gegliedert. Der erste Teil beschäftigt sich mit der Begriffsbestimmung
des Monologs, wozu als Gegensatzbegriff der
..Dialog" herangezogen und ebenfalls geklärt wird. Aber nicht
nur der Begriff, sondern auch Formen, Arten und die Geschichte
des Monologs werden besprochen. Monolog ist, wie der Autor
in einer anderen Abhandlung („Der Monolog im Alten Testament
", ZAW 73, 1961, 30—70) formuliert: „Rede, die ohne
Antwort bleibt und zum eigenen Ich zurückkehrt". Der Verfasser
geht dankenswerterweise das Problem nicht nur von der
begrifflichen und literarischen, sondern auch von der psychologischen
Seite an, indem er die seelischen und äußeren Voraussetzungen
des Monologs untersucht, dann nach den inneren und
äußeren Gründen fragt und schließlich in eine psychologische
Analyse eintritt, bei der er die drei Zustände der Spannung,
der Ruhe und der Hypotonie herausstellt. In einem leider
etwas zu kurz geratenen Abschnitt wird über die Geschichte des
Monologs gehandelt. Auf einer Druckseite wird ein Überblick
zu geben versucht von der ägyptischen Literatur über das
Gilgamesch-Epos und das AT bis hin zur griechischen und
tömischen Literatur, bei der der Spannungsbogen von Homer
über Äschylus bis zu Vergil, Catull, Marc Aurel und anderen
s'ch wölbt. Hier muß dem Autor die Bitte ausgesprochen werden
, in weitere Forschungen einzutreten, die insbesondere auch
das dem Monolog zugrundeliegende bzw. in ihm sich darstellende
Menschenbild klar aufzeigen. Sonst besteht die Gefahr,
daß das AT in seiner Eigenart nicht klar erfaßt wird auch ge-
rade im Hinblick auf den alttestamentlichen Monolog. Es muß
aber dem Verfasser andererseits zugestanden werden, daß er in
der vorliegenden Monographie sich in den Grenzen seines
Untersuchungsgegenstandes sehr wohl der Eigenart des AT bewußt
ist und das wirkungsvoll gezeigt hat.

Als Monologe im Jeremiabuch werden die Stücke 4, 19—21-
3°-31; 5,4-6; 6, 10-12b. 28-30; 8,18-23; 9,1-5; 14,17b
718; 15,10; 20,7b—11. 14—18; 23,9 anerkannt. Sie werden
ln drei Fragekreisen „Prophet und Gott", „Prophet und Volk',
..Prophet und eigenes Ich" untersucht. Die ausgesonderten
Stücke hält der Verfasser für echte und von Jeremia eigenhändig
vollzogene Aufzeichnungen. Nach Übersetzung und Kommentierung
analysiert der Autor ästhetisch und inhaltlich die ein-
*e'nen Stücke und zeigt dabei umfassende Kenntnisse auf psychologischem
und theologischem Gebiet sowie eine starke Einfühlungsgabe
in Geist und Wesen der verschiedenen Texte.

An einigen Stellen würde man es sich gewünscht haben,
daß der Verfasser auf die alte Parascheneinteilung hingewiesen

hätte, die ja ein exegetisches Verständnis der Texte kundtut.
4, 19—21 ist als besondere Parasche abgegrenzt, wirklich aus
inhaltlichen Gründen, nicht aus Gründen einer Inspirationslehre,
die bei nahezu jedem köh 'ämar jahwae eine Parasche setzt.
15,10 ist ebenfalls selbständige Parasche. Desgleichen ist 20,
14-18 eine selbständige Parasche. Bei den anderen herausgestellten
Monologen ist die Parascheneinteilung nicht so eindeutig
, im Gegenteil scheint sie die einzelnen Monologe in
größere literarische Zusammenhänge einzubetten. Da es sich um
die Mehrzahl der herausgestellten Stücke handelt, läßt es 6ich
unschwer erkennen, daß der Monolog bei Jeremia noch nicht
die ausgeprägte Stellung hat, die er im späteren Hiobbuch sowie
in der griechischen und lateinischen Literatur hat. Gewiß
gibt es in der alttestamentlichen Literatur Stellen, die als
Monologe angesprochen werden können, doch muß man zugleich
die Frage stellen, ob sie als Monologe Darstellung des betreffenden
Menschen bzw. der redenden Größe sind oder ob sie
nur in Ermangelung abstrakter Begriffe deren konkrete Umschreibung
darstellen. Der Monolog als einfaches Stilmittel muß
also eingehend berücksichtigt werden. Der Monolog wird nie
zur Selbstdarstellung des autonomen Menschentums im AT.
Da6 hat der Verfasser auch sehr klar gesehen. Dann muß man
sich auch den gedachten Gesprächspartner vorstellen. Wenn im
Monolog die Erde angeredet wird, dann ist das im modernen
Sinn ein Monolog, aber trifft das auch für den antiken Menschen
zu, speziell für den Israeliten, für den die Erde, das Land,
der Ackerboden Schöpfung und Gabe Gottes war, wie er selbst
auch Geschöpf Gottes war? Schließlich muß bei der Bearbeitung
des Monologs im antiken Orient und im AT auch das Wort,
das gesprochene Menschenwort in seinem Wesen und in seiner
Wirksamkeit berücksichtigt werden. Das Wort Gottes im AT
ist durch Szeruda und Grether eingehend untersucht worden.
Aber der redende Mensch im AT bedarf ebenfalls der Durchforschung
und Darstellung als ein Beitrag zum Menschenbild
des AT. Aber diese Fragen wollen nur bezeugen, welche Möglichkeiten
der Forschung der Verfasser durch seine Untersuchungen
aufgezeigt hat.

In, seiner schon genannten Arbeit über den Monolog im
AT sagt der Autor dem Sinn nach etwa, daß wir nicht „jede
persönliche Kundgebung und Reflexion auf die Grenzen des
Kultes und des Tempels beschränken" dürfen. Der Monolog
gehört nach seinem Urteil zu den innerlichsten Äußerungen,
die im AT enthalten sind. Sie gehen oft auf die eigenhändige
erste Niederschrift dessen zurück, der diesen Monolog äußerte.
Das gilt nach dem Urteil des Verfassers auch für Jeremia, z. B.
für die Selbstverwünschung (20, 14—18). Hier spürt man der
Untersuchung an, daß ihre Ergebnisse geeignet sind, auch auf
andere Gebiete der alttestamentlichen Wissenschaft zu wirken
und an manchen Stellen andere Urteile als die bisher üblichen
gewinnen zu lassen.

Man legt die Arbeit befriedigt aus der Hand. Sie ist eine
vielversprechende Leistung zu Beginn einer wissenschaftlichen
Laufbahn, für die der Autor sich hervorragend ausgewiesen hat.
Freilich wird man weitere Studien zu diesem Thema von ihm
erwarten dürfen, auch über das Verhältnis von Monolog und
Menschenbild im AT und anderwärts. Diese Forschungen würden
zugleich tief in das Gebiet der biblischen Theologie des AT
hineinführen. Für den erfolgreichen Fortgang dieser Forschung
sei dem Autor von Herzen alles Gute gewünscht.

Leipzig Hans Bardtke

Wagner, Siegfried: Die Essener in der wissenschaftlichen Diskussion
vom Ausgang des 18. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts.
Eine wissenschaftliche Studie. Berlin: Töpehnann 1960. XI, 284 S.
gr. 8° = Beihefte zur Zeitschrift f. d. Alttestamentl. Wissenschaft,
hrsg. v. G. Fohrer, 79. DM 36.—.

Nach dem glücklichen Funde der essenischen Handschriften
in den Höhlen der Gegend von Khirbet Qumran am Toten
Meer 1947 und der folgenden Jahre ist die Essenerfrage wieder
in den Vordergrund gerückt. Das Interesse für die Essener (und
besonders in alter Zeit auch für die Therapeuten) wurde schon
früh geweckt. Besonders im 19. Jahrhundert haben die Freimaurer
den Essenismus aus dem Dunkel in helles Licht gerückt.