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Ausgabe:

1962 Nr. 10

Spalte:

739-746

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Rudolph, Kurt

Titel/Untertitel:

Die Mandäer 1962

Rezensent:

Macuch, Rudolf

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 10

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aus Kapitel 1 vermieden werden können, die sich in der Darstellung
finden21.

Man legt die Arbeit etwas unbefriedigt aus der Hand, da
das Thema zu viel verspricht. Das darf aber nicht hindern, dem
Verf. zu danken. Das Verdienst seiner sauber, fast ausschließlich
au6 den Quellen erarbeiteten Studie ist darin zu sehen, daß

Erasmus die Realpräsenz vertrat und die Lehrautorität der Kirche anerkannte
, darf doch seine persönliche Abendmahlsauffassung nicht
überschatten und dazu führen, ihn ohne weiteres zum Vertreter des
römischen Eucharistiedogmas zu stempeln.

21) Cf. S. 25 ff. und 118 ff., 134 ff., 148 ff.

unsere Aufmerksamkeit erneut auf das letzte Jahrzehnt des
Erasmus gelenkt wird. Es ist imponierend, wie die Vielfalt der
kritischen Äußerungen geordnet wird und wie durch treffende
Bezeichnungen22 die Aussagen des Erasmus, die doch immer dasselbe
sagen, gestrafft und systematisiert werden. Es ist höchst
wertvoll, daß einmal im Zusammenhang gezeigt ist, was der
späte Erasmus an der reformatorischen Bewegung kritisierte und
Warum er mit den Reformatoren nicht gemeinsame Sache machen
konnte.

;2) Z.B.: „Der radikale reformatorische Änderungswille" — „Reformation
im Gegensatz zu den legitimen Autoritäten".

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Rudolph, Kurt: Die Mandäer. I. Prolegomena: Das Mandäerpro-
blem. IL: Der Kult. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1960/61.
307 S. u. 498 S. gr. 8° = Forschungen z. Religion und Literatur d.
Alten u. Neuen Testaments, hrsg. von R. Bultmann, N. F. H. 56
U. 57. L DM 29.50; II. DM 53.—.

Der Leipziger Religionswissenschaftler Kurt Rudolph ist
den Theologen und Religionsgeschichtlern bereits durch seine
Untersuchungen über die gnostisch - mandäischen Probleme', die
Inhaltsangaben seiner zwei Doktorarbeiten „Die Mandäer,
I. Prolegomena" (ThLZ 1957, Sp. 385 f. - theol. Dissertation),
„Die Mandäer, II. Der Kult" (ThLZ 1958, Sp. 718-720 - phil.
Dissertation) bekannt geworden. 1960 erschien dann I, 1961
II im Druck.

Die Prolegomena, in denen der Verfasser eine ausführliche
Einführung in das schwierige Mandäcrproblem liefert, sind schon
an mehreren Stellen besprochen worden2 und brauchen daher
keiner besonderen Darstellung. Doch muß ich hervorheben, daß
es sich hier um eine vortreffliche und gewissenhafte Arbeit handelt
, in der der Verfasser das gesamte in Frage kommende
religionsvergleichende Material verarbeitet und im großen und
ganzen daraus einleuchtende kritische Schlußfolgerungen gezogen
hat. Die verschiedenen Einflüsse, durch die die judaisierende
gnostische Religionsgemeinschaft der Mandäer hindurchgegangen
ist, werden sorgfältig untersucht. Ebenso wird die Frühform des
Phänomens (das „UrmandäeTtum") und 6eine Heimat auf Grund
seiner palästinisch-syrischen Wurzeln und vorchristlich-gnosti-
schen Elemente nachgewiesen. Die Bedeutung des mythologischen
Gehaltes für das Kultische wie auch für die mythische
Redeweise des jungen Christentums und frühgnostischer Systeme
wird betont. Nach einem Vergleich mit den letzteren werden
chronologische Folgerungen gezogen und der mandäische Exodus
nach Osten in das zweite christliche Jahrhundert als terminus ad
quem angesetzt.

Bei einer solchen Menge von komplizierten Problemen ist
es verzeihlich, daß dem Verfasser einige Mißverständnisse unterlaufen
sind. Er selbst klärt im Vorwort zum II. Teil ein solches
Mißverständnis von Prof. G. Widengrens Auffassung über den
Ursprung der Urmandäer auf. Da Widengren in seinen früheren
Arbeiten meistens an mesopotamischen Parallelen des Mandäis-
mus und seinem parthischen Hintergrund interessiert war, hatte
Rudolph den täuschenden Eindruck, daß dieser Gelehrte die
These vom westlichen (jüdisch-palästinischen) Ursprung der
Mandäer nicht vertrat. Erst durch Einsicht in Widengrens Dar-

*) „Ein Grundtyp gnostisdier Urmensch-Adam-Spekulation",
ZfRGG 9, 1957, 1—20, und „Das Christentum in der Sicht der mandäischen
Religion", Wiss. Ztschr. der Karl-Marx-Univ. Leipz., 7. Jg.
1957/58, Ges.-sprachwiss. Reihe, H. 5, S. 651—659.

2) Audet, J.-P., RB 1960, S. 638 f.; Danielou, ]., Recherches de
science religieuse i960, S. 612—618; Drower, (Lady) E. S., OLZ 1960,
Sp.617ff.; Quecke, H., Museon 1960, S.443 f.; Schoeps, H. J., ZfRGG
1961, S. 96—98. Noch vor der Veröffentlidiung sind die beiden
maschinenschriftlichen Arbeiten von Dr. S. Schulz in seinem ausführlichen
Artikel „Die Bedeutung neuer Gnosisfunde für die neutesta-
mentliche Wissenschaft", ThR, NF 56 1961, S. 209-266 u. 301—334
(vgl. bes. S. 315 ff.) berücksiditigt worden. Eine weitere Besprechung
von Dr. Colpe erschien in MPTh 50, 1961, S. 126-127. Von Lady
Drower wird z. Zt. der zweite Teil in der ZDMG besprochen.

Stellung der mandäischen Religion, die schon seit mehreren
Jahren für das Handbuch der Orientalistik fertiggestellt worden
war, ist ihm das klar geworden und er hat daher sein Mißverständnis
berichtigt. Ähnlicherweise vertrug Widengrens Hinweis
auf parthische Elemente im Mandäischen und Mandäismus keinen
Widerspruch (S. 56). Sie sind natürlich für den Ursprung
des Mandäimus nicht wichtig, aber nicht zu unterschätzen für
eine frühere Phase 6ein.er Geschichte. Es ist Widengrens Verdienst
, in seinem Werke „Iranisch-semitische Kulturbewegung
in parteiischer Zeit"3 diese wichtige Übergangsperiode der mandäischen
Geschichte systematisch bearbeitet und beleuchtet zu
haben. Obwohl „man dabei zu leicht vergißt, mit wie verschiedenartigem
Material, Traditionen und Einflüssen wir es zu
tun haben" (Rudolph, S. 56), kann doch das von Widengren
zusammengetragene Material keinesfalls als zufällig betrachtet
werden. Die Verschiedenartigkeit parthischen Einflusses bestätigt
nur seine Wichtigkeit, so daß man darauf meiner Ansicht
nach auch positive chronologische Schlußfolgerungen bauen kann
(gegen Rudolph, S. 56).

Da der Verfasser (S. 99 f.) meiner in ThLZ 82, 1957,
Sp. 401—408, vorgeschlagenen Datierung des mandäischen Exodus
nach Osten unter dem parthischen König Artabanus III.
widerspricht und die Emigration um ein Jahrhundert später ansetzt
, betrachte ich es als meine Pflicht, an dieser Stelle in dieses
wichtige Problem Klarheit zu bringen und die Mißverständnisse
zu beseitigen. Rudolph (S. 55, Anm. 8) sagt, daß ich den in der
persischen Königsliste des Ginza genannten Ardban mit Artabanus
III. identfiziere. Ich aber habe gesagt, daß „er von Gray
richtig mit Artabanus V. identifiziert worden ist" (a. a. O.,
Sp. 405, Z. 44). Nur kann ich aus sachlichen Gründen diesen
Artabanus V., wie Rudolph, mit dem Artabanus der Haran-
Gawaitha-Legende nicht identifizieren. Eine so späte Ansetzung
würde der ganz eindeutigen mandäisdien Tradition, nach der die
mandäische Auswanderung au6 Palästina noch vor der Zerstörung
Jerusalem« stattfand*, widersprechen. Auf diese Tradition
hat aber Rudolph bei seiner Datierung des mandäischen Exodus
kein Gewicht gelegt. Wollte man auch, wie er, ihre grundlegende
Wichtigkeit verkennen, so bleibt noch immer deT von
Widengren bewiesene tiefe parthische Einfluß bei den Man-
däern, der eidi, bei einer Annahme ihres Exodus in das Ende
des Partherreiches, schwer entwickeln konnte. Auch diese Tatsache
möchte darauf hinweisen, daß man jeden geschichtlichen
Kern der Haran-Gawaitha-Legende nicht ablehnen kann (obwohl
es sich nur um eine Legende handelt), wie auch, daß man
ihren Artabanus mit dem letzten parthischen König nicht
identifizieren kann. Die Angabe der Haran-Gawaitha-Legende
über die Einwanderung der Mandäer nach Haran unter dem König
Artabanus ist äußerst anziehend; ihre Geschichtlichkeit
könnte aber nur durch ein Vorfinden in nicht-mandäischen
Quellen bestätigt werden. Das wäre um so nötiger, als es sich
nicht nur in diesem Dokument, sondern auch in der ganzen
mandäischen „Geschichtsschreibung" nur um Legenden handelt.

3) Westdeutscher Verlag, Köln und Opladen 1960 (= Arbeitsgemeinschaft
für Forsdiung des Landes Nordrhein-Westfalen, Geisteswissenschaften
, H. 70). Das Werk war beim Druck des I. Teils von
Rudolphs Untersuchung ebenso im Druck, was Rudolph bekannt war
und von ihm berücksichtigt wurde (vgl. S. 56, Anm. 2 u. 3).

«) Vgl. auch Lady Drower, The Secret Adam, S. XIII, und meine
Besprechung in OLZ 1961, Sp. 3 80 ff.