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1962 Nr. 1

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Kirchengeschichte: Mittelalter

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 1

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bestimmte Kultur in ihrem staunenswerten äußeren und inneren
Reichtum in einer gewaltigen farbenreichen und vieltönigen
Fülle ausbreitet1'. An die Spitze stellt er Bernhard von Clairvaux,
den er eine der größten Erscheinungen, die das Mittelalter her- |
vorgebracht hat, nennt und von dem er sicher mit Recht sagt,
daß er das Latein zu einem bis dahin unerhörten Instrument der
auch die Massen ergreifenden und begeisternden Sprache gemacht
hat. Der Vf. erkennt auch an, daß nun neue Schichten in
der Literatur zu Worte kommen, so vor allem in der Dichtung
durch die Troubadoure. Dann würdigt er die große Leistung der
Scholastik, in der neue Definitionen für Grundfragen der Philosophie
und Theologie gefunden werden und hier gerade die
lebendige Kraft des Lateins zu Tage tritt. Man wird allerdings
neben Bernhard seinen großen Gegenspieler Abälard höher einschätzen
müssen, als das hier geschieht18.

Nun folgt eine Übersicht über die Leistungen auf den ver- .
schiedensten Gebieten und in den verschiedensten Ländern, wobei
er mit vollem Recht betont, daß man diese weder isoliert betrachten
darf noch unter dem Gesichtspunkt der Wissenschaft
allein, sondern daß es sich um Geistesgeschichte des Abendlandes j
handelt. Nicht zuletzt ist auch in der theologischen Literatur I
sowohl in der Mystik wie auch in der Hymnendichtung die neue I
geistige Bewegung zu spüren. Die nunmehr einsetzenden Wclt-
chroniken, so besonders Sigebert von Gembloux und seine Fort- |
setzer, spiegeln diese geistigen Zusammenhänge und den er- I
weiterten Horizont wider10. Man muß bei der Feststellung, daß j
nicht nur der Kreis der Schriftsteller größer wird, sondern auch
das Publikum, nicht vergessen, daß es das Jahrhundert des großen
Aufstiegs der Städte war. Wenn er zum Schluß sagt, daß Aufblühen
und Reifen diesem Jahrhundert beschieden war, daß aber,
wie er meint, schon 1220 ein Absturz erfolgte, so ist das vielleicht
zu pessimistisch geurteilt und ist eine Folge des beginnenden
Kampfes gegen das Bildungsmonopol der Kirche, der naturgemäß
durch Aufkommen der Literatur in den Volkssprachen
allmählich der lateinischen Literatur Abbruch tat.

Der letzte Aufsatz „Haushaltsaufzeichnungen und Handschriften
eines Münchener Arztes aus dem 15. Jahrhundert" ist
eins seiner Meisterstücke: aus einigen aufgefundenen Pergament-
blättern, die keinen Autornamen aufwiesen, mit staunenswerter t
Zähigkeit den Urheber ermittelt und diese glänzend ausgewertet
zu haben.

So liegt eine geradezu bewunderungswürdige Leistung vor
uns, die vom sehr Speziellen aus zu einer großen allgemeinen
Schau gelangt ist. Dieser besondere Weg zum Verständnis des
Mittelalters ist ohne Zweifel sehr bemerkenswert. In seltener
Weise hat es Paul Lehmann verstanden, sich in die geistige Welt,
insbesondere auch in die Teligösen Auffassungen dieser Zeit einzufühlen
.

ßorlin Heinrich Sp roe m 1. c rg

,7) Vgl. dazu Genicot S. 259 f.

,H) Vgl. z.B. A. Borst, Abälard und Bernhard, H. Z. 186, 1958,
S. 497 f.

ls) Vgl. Wattenbach-Holtzmann. Deutschlands Geschichtsqucllen
Im Mittelalter, Bd. 1, S. 733 f.

Baring, Georg: Eine italienische Übersetzung der „Theologia
Deutsch".

Theologische Zeitschrift 17, 1961 S. 282—286.
Delius, Walter: Vor 600 Jahren starb Johann Tauler.

Die Zeichen der Zeit 15, 1961 S. 330—332.
Groppo, Giuseppe: La Teologia e il suo ..subiectum" secondo il

Prologo del „Commento alle Sentcnze" di Pietro da Palude, O. P.

(f 1342) (In I Sent.. Prol., q. III; q. V, a. l).

Salcsianum 23. 1961 S. 219—316.
Lavalette, Henri de: Candide, theologien meconnu de la vi6ion

beatifique du Christ.

Recherches de science rcligieuse 49, 1961 S. 426—429.
Pinkaers, S.: Le röle de la fin dans l'action morale sclon Saint
Thomas.

Revue des Sciences Philosophiques et Theologiques 45, 1961 S. 393
— 421.

Zumkeller, Adolar: Manuskripte von Werken der Autoren des
Augustiner-Eremitenordens in mitteleuropäischen Bibliotheken.
Augustiniana 11, 1961 S. 27—86.

KIRCHENGESCHICHTE: REFORMATIONSZEIT

Acta reformationis catholicac ecelesiam Gcrmaniac concernentia
saeculi XVI. Die Reformverhandlungen des deutschen Episkopats von
1 520 bis 1 570. Hrsg. im Auftrag und mit Unterstützung der Gesellschaft
zur Herausgabe des Corpus Catholicorum von Georg Pfeil-
schifter. Bd. II: 1532 bis 1542. Regensburg: Pustet 1960. XXV,
767 S. gr. 8*. Lw. DM 66.—.

Ein Jahr nach Erscheinen des 1. Bandes (s. ThLZ 1960,
Sp. 530 f.) liegt auch schon der 2. Band dieser gewichtigen Publikation
vor. Das zügige Voranschreiten des Werkes kann nur aufs
wärmste begrüßt werden. Der Inhalt des 2. Bandes greift ins Jahrzehnt
der großen politischen Verhandlungen der Reformationszeit
und der Konzilsvorbereitungen hinein. Wieder kommen über
das hinaus, was NB, CT und andere Sammlungen enthalten, z. T.
völlig unbekannte oder wenig bekannte Materialien an den Tag.
Zur Verdeutlichung unseres geschichtlichen Bildes werden sie
nicht wenig beitragen. Erklärlicherweise spielen in diesem Zusammenhang
wieder die oberdeutschen Bistümer eine große
Rolle, aber auch die nord- und westdeutschen, vor allem Köln
mit seinen Suffraganbistümern, treten schon stärker hervor und
machen sidi ebenfalls zu Trägern des reformerischen Anliegens.

Der erste hier veröffentlichte Komplex von Urkunden und
Akten betrifft die Streitigkeiten der drei verbündeten Bischöfe
(Freising, Regensburg und Passau) mit den Herzögen von Bayern,
die sich auf die Türkensteuer von 15 32 beziehen und langwierige
bis 1536 reichende Verhandlungen nach sich ziehen. Von beträchtlich
größerem Interesse für die allgemeine Reformationsgeschichte
sind die Akten der Kölner Provinzialsynode von 1536.
Dieses Ereignis war bisher in mancher Hinsicht in Dunkel gehüllt.
Die fehlenden Quellen hatten zu mancherlei Vermutungen geführt
, ohne daß die Verhältnisse im Kölner Erzstift für die 30-er
Jahre geklärt werden konnten. Die hier gebotenen Texte werden
noch genau untersucht werden müssen. Die Frage, ob die
Reformversuche durch die Gefahr des Münsterschen Aufruhrs
veranlaßt oder, wie bisher angenommen, durch erasmische Neigungen
vom Herzogtum Cleve her bestimmt wurden, wird neu
zu stellen sein. Auch theologisch ist dieses Kapitel, in dem
Joh. Gropper bereits die maßgebende Rolle spielte, nicht weniger
wichtig als in politischer Hinsicht im Hinblick auf die folgenden
Ereignisse. Der umfangreichste Text, das Kölner Reformstatut
von 1536, das unter Benutzung der handschriftlichen Überlieferung
neu ediert ist und allein 100 Druckseiten umfaßt, wird noch
näher zu untersuchen sein. Wie der Herausgeber betont, bedarf
auch die Gestalt Groppers trotz der Arbeit von Lipgens (s. ThLZ
1951, Sp. 734) oder gerade ihretwegen einer neuen Darstellung,
wie denn auch eine neue Untersuchung über Hermann von Wied
längst fällig ist.

Die Konzilsvorbereitungen gaben den Erzstiften von Köln,
Mainz und Salzburg Anlaß zu weitgehenden Maßnahmen. In
diesem Zusammenhang sind die Erörterungen der gemeinsamen
Mühldorfcr Konferenz von 15 37 und die sich anschließende
Salzburger Provinzialsynode zu sehen. Auch diese legte Reformkonstitutionen
vor, die im Unterschied zu den Kölner unveröffentlicht
geblieben sind. Gerade diese Provinzialsynode hat
in kirchlichen und vor allem kurialen Kreisen viel berechtigtes
Aufsehen erregt, konnte aber auf die Konzilskreise weniger
positiven Einfluß ausüben als die von Köln, zumal ihre Vorschläge
von kurialer Seite von vornherein abgelehnt wurden.

Auch dieser 2. Band ist editionsmäßig vorzüglich. Der
Herausgeber ist zu dieser Leistung zu beglückwünschen. Die
Reformationshistoriker werden diesen umfangreichen und inhaltsvollen
Stoff verarbeiten und auf diese Weise dem Herausgeber
ihren Dank zu sagen wissen.

Miinster/WeMf. Robert Stupporich

Luther-Jahrbuch 1961. Jahrbuch der Luther-Gesellschaft, hrsg.

von Franz Lau. Jahrgang XXVIII, 1961. Berlin: Luth. Verlagshaus
l/V [1961]. VII, 164 S. 8°. Lw. DM 14.-.

Da6 Luther-Jahrbuch des Jahres 1961 hat die im vergangenen
Jahr angekündigte (ThLZ 86, 1961, S. 211) Aktualisierung der
Luther-Bibliographie wahr gemacht. Alle bie Mitte 1960 die Schriftleitung
erreichenden Titel wurden aufgenommen. Sehr erfreulich