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Ausgabe:

1962 Nr. 10

Spalte:

729-734

Autor/Hrsg.:

Stählin, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Bußsakrament und evangelische Beichte 1962

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 10

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sehen Katholizismus am Vorabend des Konzils' (S. 63—94), der
den Verfasser als einen ungewöhnlich guten Kenner der schwierigen
Materie erweist". Der Herausgeber Skydsgaard steuert
zwei Beiträge bei: Das kommende Konzil, Absicht und Problematik
(S. 95—138) und Das Konzil und die evang.-lutherischen
Christen (S. 139—167). Es muß hier genügen, die entscheidende
These des Verf. wiederzugeben: „Wir können dies
Konzil nicht als ein .freies, christliches, allgemeines' Konzil ansehen
, solange die eine Hälfte der Christenheit nicht gegenwärtig
und ein freies Gespräch nicht möglich ist" (S. 166).
Aber Skydsgaard hat darüber hinaus noch genug Anderes zu
sagen, was bedacht sein will . Der Band gewinnt seine eigentliche
Höhe jedoch m. E. in P. Brunners Versuch über ,Das Geheimnis
der Trennung und die Einheit der Kirche' (S. 168—209).
Ich kenne auf diesem ganzen Gebiet bisher keine so tief eindringende
Betrachtung, die die Notwendigkeit der gegenseitigen
Exkommunikation weder verschweigt noch bagatellisiert und
gleichzeitig von der Erkenntnis bestimmt ist, wie viel wesenhaft
Gemeinsames zwischen den beiden großen Konfessionen
da ist. Brunner sieht und fragt nach der „Möglichkeit einer
echten Kommunikation inmitten einer ekklesiologischen Trennung
" (S. 205). „Zwischen dem mit Recht abgelehnten Indifferentismus
auf der einen Seite und der Ineinssctzung einer
sichtbar abgegrenzten Kirche mit dem einen Leib des erhöhten
Herrn, der von den päpstlichen Lchrdokumenten vertreten wird,
muß ein Drittes liegen, das über die päpstliche Votumslehrc
weit hinausgreift. Diesem Dritten trauen wir für die Zukunft
der getrennten Christenheit, aber auch für die Zukunft der gespaltenen
Menschheit eine stärkere geistliche Dynamis zu als
unseren gegenseitigen Anathematismen" (S. 206). Es ist ebenso
beachtlich wie bedenklich, daß die Herderkorrespondenz den
Brunnerschen Beitrag mit ungewöhnlicher Schärfe abzutun versucht1
". Aber das kann sein Gewicht nur vermehren. — Dem
Saminelband ist eine von Gerhard Pedersen bearbeitete Bibliographie
der Konzilsliteratur angefügt (S. 210—215), die ebenso
dankenswert wie inzwischen natürlich ergänzungsbedürftig ist.
Es ist sehr bedauerlich, daß die dafür wahrlich besonders zuständige
.Catholica' ihre früher von R. Samulski zusammengestellten
Bibliographien nicht mehr bringt!

Idee und Geschichte der christlichen Konzilien? Immer war
mit den Konzilsplänen und -programmen ein eigentümlicher

") Ich verweise auch auf eine Vorarbeit zu die6cm Bericht:
p- A. Lindbeck, Die evangelischen Möglichkeiten röm.-kath. Theologie
(Luth. Rundschau 10, 1960/1, Heft 2, S. 197—209).

1N) Vgl. die ausführliche Besprechung des Bandes durch P. Reinnardt
in Luth. Monatshefte 1, 1962, Heft 3, S. 14S f. - Besonders
Wertvoll sind die Berichte über die römische Konzilsplanung und ihr
bisheriges Echo von Hans Günther Schweigart in .Stimme der Ge-
meinde' 13, 1961, Heft 15/16 und 14, 1962, Heft 9/l0.

'") HK 16. 1962, S. 317.

Enthusiasmus verbunden. Er wird audi in der heutigen Situation
nur allzu spürbar. Nicht zuletzt darin besteht die Verlegenheit
, die jedes Konzil für Kirche und Theologie bedeutet:
Die römische Konfession sucht vergebens nach der Lösung des
Verhältnisses zwischen Primat und Episkopat, von der Rolle
der Gemeinde nicht zu prechen. Und die viel eher konzilsfähigen
nicht-römischen Denominationen leiden nicht weniger unter
den ihnen eigentümlichen Schwierigkeiten. Denn nicht das Konzil
als solches hat Verheißung. Dafür ist es, wie seine Geschichte
lehrt, in sich zu schwach, zu biegsam, dem Zugriff der
Mächte wehrlos ausgesetzt. Nicht weniger deutlich tritt dem
Betrachter die Versuchung jedes Konzils vor Augen, nun eben
doch etwas darstellen zu wollen. Nichts ist bedenklicher als der
ungehemmte Selbstdarstellungswille in den päpstlichen Manifesten
zu dem geplanten Konzil. Dennoch ist das Konzil nicht
nur Aporie und Versuchung, sondern es hat auch eine eigentümliche
Verheißung. Etwas davon tritt vielleicht in den Wunschlisten
vieler katholischer Stimmen und Autoren ans Licht20.
Aber die wirkliche Verheißung eines Konzils darf auch dort
nicht gesucht werden, selbst wenn diesen Wünschen und Sehnsüchten
au6 dem Orbis catholicus mehr Erfüllung zuteil werden
sollte als unsere Nüchternheit und Skepsis sich vorstellen kann.
Luthers Schlußbetrachtung im 2. Teil seiner Konzilsschrift behält
auch heute in der Substanz ihrer Aussage recht: „Wohlan,
müssen wir denn an einem Concilio verzweifeln, so sei es dem
rechten Richter, unserm bannherzigen Gotte, befohlen. Indeß
wollen wir die kleinen Concilia und die jungen Concilia, das
ist, Pfarren und Schulen fodern und St. Peters Artikel (sc. von
der Rechtfertigung aus Glauben) lassen auf alle mügliche Weise
treiben und erhalten, wider alle verdampte neue Artikel des
Glaubens und neuer guten Werk, so der Papst hat in die Welt
geschwemmet. Ich will mich trösten, wenn ich die Kinder sehe
gehen in Bischofslarven, und denken, daß solche Spielbischofe
Gott zu rechten Bischofen macht und machen wird, wiederumb
die, so rechte Bischöfe 6ein sollten nach ihrem Namen, für eitel
Spielbischofe und Spötter seiner Majestät halte, wie Moses sagt:
Ich will sie erzürnen mit dem, das nicht mein Volk ist, und mit
einem Narren-Volk erbittern, darum b daß sie mich erzürnet
haben mit dem, das nicht Gott ist (Dt. 32,21). Es ist nicht sein
Erstes, daß er Bischöfe verwirft, eT hats in Hosea gedräuet:
Du wirfest die Lehre weg, so will ich dich wieder wegwerfen,
daß du nicht mein Priester seiest (Hos. 4, 6). Et factum est ita,
et fit ita" (W.A. 50, 623 f. E. A. 25,411).

2n) Da diese Bestände der Konzilsliteratur mir hier nicht zur
Anzeige vorliegen, will ich wenigstens auf die gewichtige Enquete der
Zeitschrift Wort und Wahrheit hinweisen: Umfrage zum Konzil,
81 katholische Laien und Theologen äußern sich zu den Aufgaben des
kommenden Konzils (Herder 1961, 149 Seiten). Vgl. auch meine
knappe Bespr. in Evang. Lit. Bcob., 46. Folge, 1962, S. 944—46.

Bußsakrament und evangelische Beichte

Von Wilhelm S t ä h 1 i n, Rimsting/Chiemsee

Zwei sehr verschiedenartige Schriften, die uns gleichzeitig
zur Besprechung vorliegen', lenken die Aufmerksamkeit wieder
einmal auf jenen ganzen Fragenkomplex der evangelischen
Beichte, ihres Verhältnisses zum sacramentum poenitentiae und
der Möglichkeiten ihrer gegenwärtigen Verwirklichung, jenen
■"ragenkomplcx also, zu dem in diesen Blättern meines Wissens
*uletzt Hans Urner (1959, Sp. 647 ff. und 1960, Sp. 513 f.) das
Wort ergriffen hat.

Anciaux, Regens des Priesterseminars und Professor der
uogmatik in Mecheln, beschreibt zunächst in einer stark

begriffüch-schematischen Weise das Wesen der Sünde als die
■ Ablehnung der Liebe zu Gott und zum Nächsten" (S. 28),
„als die Abkehr von Gott durch ungeordnete Anhänglichkeit
an da6 Geschöpf" (S. 21) und bemüht sich aus solchen Definitionen
die Unterscheidung zwischen Todsünden und läßlichen
Sünden abzuleiten und zu rechtfertigen, obwohl er selbst sagt,
daß diese Unterscheidung unzulänglich und im Grunde undurchführbar
ßei (S. 34 ff.). Zwar „kann keine Sünde nachgelassen
werden, außer durch das Leiden Christi" (Thomas von Aquin),
und die Buße „kann nur durch ein wirkendes Band mit dem
Leiden des Herrn, durch Teilnahme an dem erlösenden Myste-
') Anciaux. Paul: Das Sakrament der Buße. Geschichte. We- I rium des Todes und der Auferstehung Jesu Christi zur Vollen-
se" und Form der kirchlichen Buße. Mit einem Anhang über Ursprung j dung kommen" (S. 44 f.); aber weil „die begnadende Bekeh-

und Bedeutung der Ablasse. Aus dem Niederlän dischen übens. v. Hugo
fulauf. Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag [1961]. 203 S. 8.
Lw- DM 11.80.

Uh»adel, Walter: Evangelische Beichte in Vergangenheit und
^egenwart. Gütersloh: Gerd Mohn [1961]. 63 S. 8° = Handbücherei
tUr Gemeindearbeit, H. 12.

rung Versöhnung, Reinigung, Wiederaufnahme in die Lebensund
Liebesgemeinschaft" ist, darum „ist die Buße in der heutigen
Heilsökonomie notwendigerweise kirchlich" (S. 44), und
die Unterwerfung unter die Bußdisziplin der Kirche ist das unentbehrliche
Kennzeichen der echten Bekehrung (S. 124). „Es