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Ausgabe:

1962 Nr. 9

Spalte:

713-714

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Jetter, Hartmut

Titel/Untertitel:

Das Problem eines lutherischen Katechismus in theologischer und pädagogischer Sicht 1962

Rezensent:

Jetter, Hartmut

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713

Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 9

714

belasteten Vokabel beschlossene Überheblichkeit des modernen Abendländers
bedauern mag: unbestreitbar bleibt die Tatsache, daß die
Kommunikation des christlichen Glaubens sich in einer europäischen
Großstadt in anderen Formen und nach anderen Regeln vollzieht, als
in einem afrikanischen Dorf. Dieser Verschiedenheit gilt es im
missionstheologischen und ökumenischen Gespräch auf den Grund zu
gehen. Dazu dient zunächst ein sorgfältiges, nicht unkritisches Hören
auf die Arbeit der Ethnologie. Es liegt eine gewisse Ironie in der
Tatsache, daß die Mission munter mit der anthropologischen Wissenschaft
zusammenarbeiten konnte, solange diese (z. B. in der amnestischen
Theorie) das Christentum als Erziehungsmittel im Aufstieg der
Menschheit mißverstand. Sobald die Anthropologen der revolutionierenden
und desintegrierenden Macht der christlichen Botschaft gewahr
wurden, zog sich die Missionstheologic vor ihnen zurück, anstatt nun
in ein um so intensiveres Gespräch einzutreten.

Der theologische Beitrag in der Diskussion um den primitiven
Menschen, um seine Religiosität und seine spezifische Antwort auf
das Wort Gottes, hat auszugehen von der Wirklichkeit des „neuen
Menschen", welche das Evangelium verkündigt. Dieser neue
Mensch ist weder mit dem primitiven, noch mit dem modernen Menschen
identisch. Er ist keinem von beiden näher als dem andern. Das
heißt: Es geht in der christlichen Botschaft weder darum, dem Menschen
eine naturhaft-religiöse Bindung an die Welt zu vermitteln und
sein Leben mit heiligen Kräften zu weihen, noch ist es ihr Ziel, den
Menschen aus dem schöpfungsmäßigen Zusammenhang mit dem Kosmos
herauszureißen und zum cinzelgängcrischen Individuum zu machen
. Im christlichen Glauben wird sowohl die (regressiv-primitive)
Naturreligion, als auch die (progressiv-modeme) Persönlichkeitsreligion
aufgehoben, indem hier das heraufgeführt wird, was beide erstrebten
und doch in ihrem Rahmen nicht erreichen konnten: Freiheit und
Geborgenheit in einem.

Am Ende der Arbeit wird dieser, die Kategorie „primitiv/modern
" sprengende und damit erst verständlidi machende Vorgang anhand
der drei Brennpunkte primitiver Religiosität (Macht, Leben,
Gemeinschaft) illustriert. Damit soll eine theologische Antwort auf
die Frage nach Ursprung und Wesen der Religion vereucht werden.

Jettcr. Hartmut: Das Problem eines lutherischen Katechismus in
theologischer und pädagogischer Sicht. Diss. Tübingen 1962. 251 S.

Im Vordergrund der gegenwärtigen katechetischen Forschung
steht die Frage nach der Neuordnung der Konfirmation, bzw. des
Katechumenats überhaupt. Die vorliegende Untersuchung versteht sich
als einen direkten Beitrag zur Lösung der damit verbundenen Fragen,
indem sie das Problem des dem Katcchumenat zugrundeliegenden
Stoffes angeht. In der überwiegenden Mehrheit ist das — neben den
biblischen Texten — in Deutschland wohl der Kleine Katechismus
Luthers, bzw. Katechismen, die in mehr oder weniger starker Abhängigkeit
von ihm stehen.

Der 1. Hauptteil eröffnet zunächst einen Einblick in die theologischen
, katcchetischcn und didaktischen Grundentscheidungen Luthers,
die den Kleinen Katechismus prägten. Daran schließt sich eine detaillierte
Darstellung des mit dem Kleinen Katechismus gegebenen Stoff-
Problems an, wobei in einer systematischen Zusammenstellung aller
Einzclproblcmc versucht wird, diese historisch verständlich zu machen.

Dann nimmt die Untersuchung einige Fragen auf, die den Katechismus
als Ganzen betreffen: Welche Bedeutung ihm im Katcchumenat
der Kirche von den Anfängen in der Alten Kirche bis heute zukam
; wie der Stoff des Katechismus in einen zukünftigen differenzierten
Gcsamtkatcchumcnat einzuordnen wäre; ob und wie alte
Katechismustraditionen aufgenommen werden können (z. B. die
Katechismuspredigten): und schließlich, welche Rolle der Katechismus
'n den Bildungsaufgaben der Gegenwart im weitesten Sinne zu spielen
hat, also: seine Bedeutung in religionspädagogischer und religions-
Psychologischer Sicht.

Unter der Voraussetzung, daß der Katechismus nach wie vor der
grundlegende LInterrichtsstoff der Konfirmanden-Unterweisung ist,
Sendet sich der 3. Hauptteil der Aufgabe zu, Grundzüge für eine
moderne Didaktik des Konfirmandenunterrichts zu entwickeln. Die
Betonung der drei Aspekte dieses Unterrichts, des lehrhaften, des erzieherischen
und des seelsorgcrlichen, nötigt dazu, das Vorhaben des
Kcmfirmandcnuntcrrichts nicht von Unterrichtsvorhaben anderer Art zu
"Mieren und den Stand der gegenwärtigen Didaktik und Methodik
für seine Durchführung fruchtbar zu machen. Dies ist der Zweck einer
breit angelegten Entfaltung der didaktischen Prinzipien im Blick auf
den Katechismusunterricht im Rahmen der Konfirmanden-Unterwei-
SUng und ihre Anwendung an Hand einiger methodischer Beispiele,
Wobei der Bildbetrachtung als einem methodischen Spezialproblem
besondere Ausführungen gewidmet sind.

Als zusammenfassende Konsequenz ergibt sich für den Verfasser

die Schaffung eines Konfirmanden-Werkbuchs, für das auf dem Hintergrund
eines kritisdien Referats über gegenwärtige Katechismusbearbeitungen
und -neuvereuche ein Modell entworfen wird. Stoff-
grundlage dieses Werkbuchs bleibt der Kleine Katechismus Luthers;
der Memorierstoff ist von neuen theologischen Einsichten und zeitgemäßen
methodischen Grundsätzen her teilweise neu zu fassen. Die
Ausgestaltung des Werkbuchs im einzelnen hat a) durch stärkere
Heranziehung biblischer Texte der theologischen Situation, b) durch
erneute Beachtung des „Enchiridion"-Charakters der kirchlichen Situation
und c) durdi den Werkbuch - Charakter der pädagogisch-didaktischen
Situation Rechnung zu tragen. Überhaupt hat der Katechismus-
Unterricht mehr denn je auf eine Einübung in das Leben in und mit
der Gemeinde, in jeder denkbaren Form, hinzuarbeiten.

Kroeber, Rudi: Qoheleth. Untersuchungen zu Entstehungsgeschichte,
Form und Sinngehalt eines antiken hebräischen Literaturwerks.
Phil. Diss. Leipzig 1960. 212 S.

Die Arbeit ist in drei Teilen aufgebaut. Sie umfaßt 1) eine eingehende
literarisch-historische Einleitung, die etwa die Hälfte de«
Umfangs einnimmt, 2) eine Übersetzung mit textkritischem Apparat
und begründenden Anmerkungen und 3) eine Einführung in den Inhalt
des Buches Qoheleth, die in ihrem Aufbau der Kapitelordnung folgt
und die dem Leser den Zugang zur geistigen Welt Qoheleths, zu
seinem Wesen, seinen Anliegen und den eigenwilligen Wegen seines
Denkens zu erleichtern sucht.

Der erste Teil enthält Untersuchungen vor allem zum Namenproblem
, zur Stellung Qoheleths innerhalb der Weisheitsliteratur, zur
Beziehung zu den alttestamentlichen und apokryphen Schriften, zur
Frage der Einwirkung fremder Literaturen und zu Sprache und Stil des
Buches unter Berücksichtigung der These einer Übersetzung aus dem
Aramäischen (Burkitt, Zimmermann, Torrey, H. L. Ginsberg) und der
Annahme eines phönizi6chen Spracheinflusses (Dahood, Albright). Die
Übersetzung erstrebt unter Verzicht auf die Wiedergabe einer oft
fraglichen metrischen Struktur eine freie rhythmische Sprache, die sich
bemüht, den Charakter der gesprochenen Sentenz zu wahren. Der
textkritische Apparat berücksichtigt die Varianten des Qoheleth - Fragments
von Qumrän (4Q Qoh). Streichungen werden bis auf die Fortlassung
von zwei Präfixen (3,19; 5,9) nicht vorgeschlagen. Der Verfasser
ist der Meinung, daß es die Pflicht des Übersetzers bleibt, den
tradierten (und nicht einen konstruierten) Text zu vermitteln, auch
wo er sich der Methoden der Textkritik bedient. — Der dritte, kommentierende
Teil dient neben seinen Einzelerläuterungen vor allem
dem Versuch, aus der aphoristischen Schrift ein geistiges Gesamtbild
Qoheleths zu gewinnen. — In allen Teilen (in Teil 2 in den Anmerkungen
zur Übersetzung) wird, soweit dies erforderlich erschien, die
bisherige Forschung kritisch gewertet. Aus den Untersuchungsergebnissen
seien die folgenden herausgehoben:

Der hebräische Text bietet die originale Fassung des Werks. Die
in den letzten Jahrzehnten mehrfach vertretene Theorie einer Übersetzung
aus dem Aramäischen ist abzulehnen. Der schon von Fr.
Delitzsch erkannte Übergangscharakter der Sprache zwischen dem
klassischen Hebräisch und der Sprache der Mischna genügt in Verbindung
mit der Abfassungszeit (um 250 v.Chr.), ihren hohen Gehalt
an Aramaismen wie auch die morphologischen und syntaktischen
Eigentümlichkeiten zu erklären. Die Arbeit stützt die Zurückweisung
der Übersetzungstheorie durch den Nachweis einer mehrfachen verbalen
Abhängigkeit Qoheleths vom Buch Hiob, die bei einer Übersetzung
unerklärlich bliebe.

Das Appellativum des „Versammelnden" erhält eine wichtige
Bestätigung durch Albrights Lesung von mlkh als molekh oder
malläkh (Ratgeber), doch bleibt hierbei noch die Frage der „salomonischen
" Rolle des Autors bis zur Mitte des zweiten Kapitels offen.
Die Arbeit sucht die Lösung darin, daß Qoheleth sich der Doppeldeutigkeit
des Konsonantentextes (mölekh — melekh) bedient, um
bei wahrheitsgetreuer autobiographischer Aussage sein literarisches
Königsspiel zu betreiben, das er im Verlauf des Textes aufgab.

Die Wahl des Gottesnamens häelohlm ist im Glaubensbild
Qoheleths begründet; er dient der Betonung der Distanz. Dagegen ist
der Wechsel dieser Form mit 'elohim nicht durch verschiedene Quellen
oder inhaltlich-theologisch, sondern sprachlich bedingt. Die weit
seltenere artikellose Form steht nur, wo sich stereotype Wendungen
der religiösen Umgangssprache durchsetzen.

Unter den Stilformen Qoheleths sind für ihn typisch und die
Eigenart des Buches bestimmend die Reflexionen in der Ich-Rede, mit
denen er in Einsicht in das Ungenügen auch des Weisesten darauf verzichtet
, seinem Leser als autoritativer Lehrer zu begegnen, sondern
ihn gleichsam nur noch im Gespräch bildet, indem er ihn an den
Wegen seines Denkens teilnehmen läßt, um schließlich mit ihm vor
der offenen Frage stehen zu bleiben. Diese Partien tragen also keinen