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Ausgabe:

1962 Nr. 9

Spalte:

710-711

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Galley, Klaus

Titel/Untertitel:

Alte und neue Heilswirklichkeit bei Paulus. Ein Beitrag zur Frage der Typologie 1962

Rezensent:

Galley, Klaus

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 9

710

Die Arbeit zeigt in 24 Kapiteln entsprechend der Reihenfolge
der für das Thema wichtigen Autoren (bes. die Quellenschichten des
Hexatcuch, vor- und nachexilische Prophetie und Psalmen) die verschiedenen
Möglichkeiten eines Zusammenhanges der Erwählungs-
theologic mit universalistischen Gedanken. Kapitel 25 gibt eine systematische
Zusammenfassung.

Bröker, Günther: Die Lehre von der Sünde bei Paulus und im
Schrifttum der Sekte von Qumrän. Diss. Leipzig 19 59. VII, 229 S.

Bei Beurteilung des zwischen der paulinischen Verkündigung und
den Anschauungen der Qumrän-Sekte bestehenden Verhältnisses
kommen, wie die Diskussion der vergangenen Jahre gezeigt hat, der
Rechtfcrtigungslehrc des Apostels einerseits und gewissen ähnlichen
Vorstellungen dieser den Essenern zuzurechnenden Sekte andererseits
«achgemäß entscheidende Bedeutung zu. Ziel dieser Dissertation ist «,
das Sündenverständnis als logische Voraussetzung der Rechtfertigungslehre
einer vergleichenden Betrachtung zu unterziehen und so durch
die nähere Untersuchung eines wichtigen Teilbereiches der Botschaft
des Paulus zu einer genaueren Bestimmung seiner Stellung gegenüber
der Sekte überhaupt beizutragen. Dabei werden die Gedanken über
den Menschen als Sünder, über Ursprung und Wesen der Sünde jeweils
in gesonderten Teilen für die Essenerschriften, die paulinischen
Briefe und die zum Vergleich heranzuziehenden alttestamentlichcn
Aussagen behandelt. Das Ergebnis läßt aufs Ganze gesehen in
Terminologie und Gedankengut ein gleich hohes Maß an Übereinstimmung
wie an charakteristischer Verschiedenheit sichtbar werden.

Die geistige Nähe bekundet sich in der betonten gemeinsamen
Feststellung eines kosmischen allgemein-sündigen Zusammenhanges,
dem alle Menschen, auch die von Gott Erwählten, verhaftet sind.
Krankheitsherd ist nicht nur die der Materie verhaftete Körperlichkeit
, sondern der gesamte geistig-leibliche Bestand des Menschen,
seine durch den Begriff „Fleisch" symbolisierte Kreatürlichkeit und
Schwäche, aber auch seine geistigen und willentlichen Funktionen. Die
durch den Vollkommenheitsanspruch der Scktenmitglicder und ihre
tiefe Erkenntnis der eigenen Sündhaftigkeit bedingten, scheinbar unausgeglichen
nebeneinanderstehenden Aussagen der Qumränschriftcn
ähneln in erheblichem Maße dem Nebeneinander von Indikativ und
Imperativ bei Paulus. Ebenso weist die Selbsterfahrung einer Doppel-
Persönlichkcit in Römer 7 literarisch auf ähnliche Reflexionen in den
wohl meditativer Übung dienenden Liedern von Qumrän hin.

Übereinstimmung läßt sich auch in einer zweiten Betrachtungsweise
feststellen, der zufolge die Sünde auf den mit List und Betrug
oder durch Verfolgung und Drangsal erfolgten Angriff unter Gottes
Zulassung 6tchcnder böser Mächte und der von ihnen beherrschten
Menschen zurückgeführt wird. Dabei gilt die Sünde als ein diesen
Mächten geleisteter Dienst. Weitere Vergleichspunkte bieten Form
«nd Inhalt der sogenannten Lasterkataloge, die Voraussetzung einer
natürlichen, auch den Heiden zugänglichen Teiloffenbarung sowie die
Unterscheidung von offenbaren und verborgenen Sünden.

Unter dem Eindruck des Christuscrcignisses stehend hat der
Apostel solches ihm auf bisher nicht 6icher bestimmbaren Wegen
(Urgcmeinde. Hellenisten, Rabbinentum oder Direkteinfluß) überkommenes
Gedankengut mit großer Eigenständigkeit verwendet, weiterentwickelt
und in seiner Bedeutung grundlegend umgestaltet. So tritt
der entscheidende Unterschied zur Scktcnlehre gerade an einem der
wichtigsten Vergleichspunkte zutage: das über der Summe einzelner
Freveltaten die Einheit des Bösen betonende, radikalisierte Sündenverständnis
und die Hervorhebung des Urtciles Gottes als Norm von
gut und böse führen bei Paulus zur Ablösung der Gesetzesfrömmigkeit
und ihrer Neuorientierung durch den in Jesus Christus offenbarten
Gotteswillcn. Damit vollzieht Paulus die Sprengung des durch den
theozentrischen Zug im Denken der Sekte bereits unbewußt unterminierten
Gesetzesbegriffes.

Auch die auf einen wohl stärker hellenistisch geprägten Dualismus
hin erfolgte Weiterentwicklung des Begriffspaares Geist-Fleisch
sowie die hervorgehobene Bedeutung des Siindcnfalles Adams für die
allgcmcine Sündhaftigkeit finden in dieser Form keine direkten Entsprechungen
in den hier zum Vergleich herangezogenen Schriften. Es
fehlt weiterhin nicht an Anzeichen, die auf eine geistige Auseinandersetzung
des Apostels mit sektiererischen Anschauungen hindeuten.
Sowohl die von Paulus auf seine Gegner angewendete als auch die
aus ihren Reihen lautwerdende Terminologie der Verführung entspricht
dem Stil der Handschriften. Jedenfalls scheinen einige seiner
Gegenspieler mit cssenischen Gedanken vertraut gewesen zu sein und
die auf einer konsequenten Weiterbildung beruhende, praktisch jedoch
einer totalen Umgestaltung gleichkommende Veränderung der Sektenideologie
in der paulinischen Verkündigung erkannt und bekämprt
zu haben.

So bietet «Ich die augenscheinlich in einer starken alttestament-
lichen Tradition stehende, möglicherweise auch bereits hellenistisch

beeinflußte Sektenlehre zu einem besseren Verständnis der bisher oft
auf verschiedene Wurzeln zurückgeführten paulinischen Sündenlehre an.
Die dabei zu beobachtenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen
wohl auf eine bedingte geistige Verwandtschaft, nicht aber auf eine
Identität beider Größen schließen.

Galley, Klaus: Alte und neue Heilswirklichkeit bei Paulus. Ein
Beitrag zur Frage der Typologie. Diss. Rostock 1960. XI, 201 S.

Die vorliegende Arbeit möchte ein nt.lieber Beitrag zur Bemühung
um das sachgerechte Verständnis des ATs in der christlichen
Kirche sein, indem sie die Frage stellt, wie die erste christliche Gemeinde
, wie speziell Paulus in ihr, das AT verstanden hat. Für die
philologische Frage nach den zitierten Texten und die Frage nach der
Auslegungstechnik kann auf ältere Arbeiten verwiesen werden. Selten
gesehen und in extenso nicht behandelt ist die theologische
Frage nach dem Ausmaß und der Art der Bedeutung, die Paulus dem
im AT berichteten Handeln Gottes mit den Menschen zumißt. — Die
Arbeit möchte als zweites dazu beitragen zu zeigen, daß die Aussagen
des Paulus über Personen, Einrichtungen und Ereignisse, von
denen das AT Gottes Handeln an ihnen und durch sie bezeugt, ein
Stück paulinischer Theologie sind.

Die gestellte Frage wird in der Arbeit eingegrenzt auf die Aussagen
des Paulus, in denen Beziehungen zwischen altem Heilsgeschehen
und gleichartigem Heil in Christus bestehen, also auf die Aussagen
, bei denen man üblicherweise von typologischer Auslegung
spricht. Sie wird in drei Abschnitten behandelt.

Im ersten Abschnitt geht es um Bezeichnung neuer Heilswirklichkeit
durch alte Heilswirklichkeit, d. h. um die Aussagen des Paulus,
in denen er Namen alter Heilswirklichkeiten zur Bezeichnung und
Deutung neuer Heilswirklichkeit verwendet. Es sind die6 die neue
Bundesverfügung (1. Kor. 11,29), das Passafest der Christen (l.Kor.
5. 7 f.), der Tempel des heiligen Geistes (1. Kor. 3, 16 f.; 6,19;
2- Kor. 6,16), das Opfer durch den Geist (Rom. 12, 1; Phil. 3,3),
das Israel Gottes (Gal. 6, 16). das Gesetz Christi (Gal. 6,2; l.Kor.
9,21), die Beschneidung in Christus (Kol. 2, 11 ff.) bzw. des Herzens
(Rom. 2, 28 f.; Phil. 3, 3) und das obere Jerusalem (Gal. 4, 25 f.). —
Die Arbeit vertritt die Meinung, daß die at.lichen Begriffe mehr als
Bildworte sind. Es läßt sich ferner nachweisen, daß die Realität, die
sie bezeichnen, nicht mit den christlichen Größen desselben Namens
identisch ist, sondern daß es nach der Meinung des Paulus jeweils
um zwei aufeinander bezogene, aber voneinander unterschiedene Institutionen
oder Menschengruppen desselben Namens geht, um eine
,.alte" und eine „neue" Wirklichkeit.

Das Verhältnis beider zueinander ist unterschiedlich, seine wichtigste
Aussage ist aber diese, daß die christliche Gemeinde auch das
Heil hat, welches Israel hatte: Das Heil, welches Israel gegeben war,
dient der christlichen Gemeinde in den neuen, mit at.lichen Namen
bezeichneten Heilsgaben. Dieses Verhältnis kann nicht mit dem Begriff
Spiritualisierung bezeichnet werden, weil dieser Begriff den
griechischen Gegensatz zwischen geistig und materiell enthält, der
auf den Juden Paulus nicht anwendbar ist, und weil die Übertragung
der Begriffe auf das neue Heil nicht ihre Auflösung und Verallgemeinerung
, sondern ihre Neuinterpretation unter Übernahme des Kerns
der alten Begriffe bedeutet. Bei Begriffen wie „Vollendung" und
..Verwirklichung" zur Bezeichnung dieses Verhältnisses darf nicht
übersehen werden, daß keine Kontinuität zwischen den einzelnen
Heilswirklichkeiten besteht. — Die Arbeit versucht das Verhältnis
der jeweils mit denselben Namen bezeichneten Hcilswirklichkeiten
zueinander so zu bestimmen, daß die zweiten das Heil, das die ersten
enthielten oder vermitteln sollten, in voller Verwirklichung bringen.
Es besteht also keine Einheit zwischen den at.lichen und neuen
Hcilswirklichkeiten, wohl aber des Heils Gottes, das in jenen und
diesen wirkt.

Der zweite Abschnitt bespricht den einzigen Text, in dem Paulus
umgekehrt alte Hcilswirklichkeiten mit Namen von Wirklichkeiten
der christlichen Gemeinde bezeichnet, und zwar den Durchzug
durch das Schilfmeer und die Speisung in der Wüste mit Tauf- und
Abendmahlsterminologie (1. Kor. 10, 2 ff.).

Im dritten Abschnitt werden die ausgesprochenen Vergleiche
zwischen alter und neuer Heilswirklichkeit bei Paulus besprochen,
und zwar die Vergleiche zwischen dem Israel in der Wüste und der
christlichen Gemeinde (1. Kor. 10, 1 ff.), zwischen der alten und neuen
Bundesverfügung (2. Kor. 3, 6 ff.), zwischen Adam und Christus
(Rom. 5, 12 ff.; 1. Kor. 15, 21 f. 44 ff.), zwischen dem erwählten Rest
von Israel zur Zeit des Elia und dem in der christlichen Gemeinde
(Rom. 11, 2 f.) und Hagar und Sara in ihrer Bedeutung für die christliche
Gemeinde (Gal. 4, 21 ff.). Die verglichenen Größen sind dabei
nicht 60 eng aufeinander bezogen, wie die beiden Wirklichkeiten desselben
Namens. Aber indem Paulu6 das alte Geschehen mit dem