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Ausgabe:

1962 Nr. 9

Spalte:

708-709

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Altmann, Peter

Titel/Untertitel:

Erwählungstheologie und Universalismus im Alten Testament 1962

Rezensent:

Altmann, Peter

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 9

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sind zwei verschiedene Dinge. Schon deshalb kann eine Monographie
über Biels Collectorium nicht auf die Entscheidung für eines der
gängigen Urteile hin angelegt sein.

Altmann, Eckhard: Sprechen und Sprache im Kontaktgeschehen
der Predigt. Diss. Halle 1960. 199 S.
Die Predigtmethode muß vor allem zwei Wesenszüge der Predigt
beachten, soll sie ihrem Gegenstand gerecht werden. 1) Die Predigt meint
ein Geschehen, und nur so lange dieser Vorgang dauert, ist die Predigt
wirklich. Alle andre Arbeit daran ist Vorbereitung oder Rückblick.
2) Predigt ist immer Zeugnis; ihr Zeugnischarakter bestimmt die Art
von Rede, mit der wir es zu tun haben. Unter Zeugnis ist die im
Vollzug sich erweisende Einheit von Subjekt (Prediger) und Objekt
(Verkündigungsinhalt) zu verstehen. — Die Berücksichtigung dieser
beiden Gesichtspunkte bedeutet, daß die Predigtmethodik beim
wirklichen Predigtvorgang ansetzen und alle Einzelmaßnahmen danach
beurteilen muß, ob sie ihm dienen oder nicht. Dieser aktualgenetische
Gesichtspunkt ist ein entscheidendes Kriterium für den Predigtvorgang
. Die Homiletik hat ihn bisher nicht in seiner Eigenständigkeit
und Bedeutung erkannt und die Predigt meist als Objekt verstanden
, dessen Wesen und Inhalt mit einer theologischen Prüfung
seines Gehalts völlig erfaßt und zureichend beurteilt ist. Darum fallen
in der herkömmlichen Homiletik Inhalt und Methode weithin auseinander
; die methodischen Hinweise folgen nach der grundsätzlichsystematischen
Erörterung ohne zwingenden Zusammenhang damit.
Dabei kann es geschehen, daß die Homiletik in methodische Abhängigkeit
von anderen Disziplinen gerät; darum ist die homiletische
Methode 6tets auf ihre Sachgemäßheit zu prüfen.

Die folgenschwerste Anweisung wird in der Homiletik mit der
heute herrschenden Verpflichtung des Predigers zur wörtlichen Niederschrift
der Predigt bei der Vorbereitung gegeben. Man geht wohl davon
aus, daß Schreiben und Sprechen (entsprechend für Vorbereitung
und Vortrag) zwei im Grunde gleichartige Vorgänge sind, die fließend
ineinander übergehen können, von denen das Schreiben verläßlichere
Arbeitsbedingungen bietet. Diese Voraussetzungen werden in der vorliegenden
Arbeit durch eine genaue Analyse der sprachlichen Vorgänge
von der Niederschrift der Predigt (produktiver Prozeß) über
eine homiletische Einschätzung des so zustande kommenden Sprachprodukts
bis zur Darbietung auf der Kanzel (reproduktiver Prozeß)
geprüft. Das geschieht vor allem unter drei Aspekten, dem Zeit-,
Form- und Objektivierungsaspekt. Benutzt werden dazu 30 Predigten
, aus der etwa doppelten Anzahl nach technischen Gesichtspunkten
ausgewählt, mit dem dazugehörigen Manuskript, der Bandaufnahme
und der Abschrift davon (Realform). Obwohl es sich hier nicht um
Experimente im strengen Sinne handelt, reichen die Ergebnisse aus,
um echtes Anschauungsmaterial von den wirklichen Vorgängen zu erheben
. Der Vergleich der Manuskripte mit den entsprechenden Realformen
zeigt, daß durch die Niederschrift der Predigt eine faktisch
nicht mehr überwundene Festlegung des Predigers in inhaltlicher und
formaler Hinsicht erfolgt. Aktualgenetisch ist der produktive Prozeß
mit der Niederschrift abgeschlossen. Die Darbietung einer solchen
Predigt stellt eine Reproduktion dar, bei der sich der Prediger vergebens
bemüht, die innere Konstellation während des produktiven
Prozesses wieder herzustellen. Diese Beobachtungen ergeben sich aus
den charakteristischen Interpretationsfehlern, die bei der unter diesen
Bedingungen geschehenden sprecherischen Gestaltung des Manuskripts
gemacht werden: falsche Akzente, Akzenthäufung, stereotype Flexion
der Satzmelodie oder sinnstörende Pausen zwischen zusammenhängenden
Wortblöcken, die ganz ähnlich auch beim Lesen auftreten und in
ihrer Gesamtheit den bekannten Kanzelton (Monotonie) hervorrufen.
Sie sind Zeichen der subjektiven Fremdheit des Predigers seinem
Manuskript gegenüber; diese aktualgenetische Fremdheit ist von einer
objektiven Fremdheit (inhaltlich verstanden) zu unterscheiden. Die
subjektive (aktualgenetische) Fremdheit entsteht durch den Objektivierungsprozeß
des Schreibens, der mit dem Verlust der Erlebnis-
unmittelbarkeit und des Emotionskontextes (Ammer) verbunden ist.
Diesen Fremdheitseindruck versucht der Prediger durch, wie er meint,
besonders eindringliches Sprechen zu überwinden. Der forcierte
Vortrag treibt die Stimme in eine zu hohe Tonlage und führt zu
sinnstörender Akzenthäufung; beides zusammen erzeugt das Erscheinungsbild
des oft monierten Kanzelpathos, das also in der Art der
Sprechgrundlage begründet ist. Der Prediger wird durch die homiletische
Theorie, die diese unumgänglichen Gesetzmäßigkeiten leugnet,
in der Illusion gehalten, er könne trotz (oder .gerade wegen') des
Manuskripts seine Predigt als freie Rede gestalten. Die tatsächlichen
Vorgänge zwingen ihn bei diesem Verfahren jedoch zu nachgestaltcn-
dem Sprechen, ohne daß er in diesem Gebiet, den ,redenden Künsten',
(Drach) ausgebildet wäre.

Die homiletische Theorie hat bisher ferner übersehen, daß die
isolierte Beurteilung der geschrieben vorliegenden Predigt von dem

wirklichen Beziehungsfeld zwischen Prediger und Hörern abstrahiert.
Das ist zur Beurteilung bestimmter Aspekte der Predigt nötig, bedeutet
aber einen Eingriff, der die Qualität des Objekts, der Predigt als
konkretem Predigtgeschehen, entscheidend verändert, — eine Art
homiletischer Anatomie. Diese Verzeichnung wird dadurch begünstigt,
daß man die Predigt, die doch eine Rede sein will, als schriftliche
Äußerung produziert, zu der dann lediglich der sprecherische Vollzug
auf,, der Kanzel hinzutritt. Das Schreiben aber ist dank seiner geistigen
und psychischen Prozesse eine monologische Ausdrucksform, die
vom Sprechen als der wesenhaft dialogischen Ausdrucksform kategorial
geschieden ist. Darum kann die Übung der Sekundärfunktion des
Schreibens die Fertigkeit der primären Funktion des Sprechens nicht
wesentlich heben.

Der Zerfall der ursprünglichen Einheit von Subjekt und Objekt,
homiletisch gesehen von Übermittler und Zeugnis, durch den Objektivierungsprozeß
des Schreibens zwingt zum grundsätzlichen Verzicht auf
wörtliche Konzipierung. Geeignete Methoden, die trotzdem eine gewissenhafte
Vorbereitung wie auch die lebendige Gestaltung beim Vollzug sichern,
6ind in der von der Homiletik fast unberücksichtigt entstandenen Disziplin
der Sprechkunde und Sprecherziehung entwickelt worden und
werden kurz referiert. Diese Verfahren sind allerdings gebunden an die
breite Ausbildung der 6precherischen Fertigkeiten überhaupt, die sich
von der Belebung des sogenannten Sprechdenkens als der Grundfunktion
bis zum Plansprechen erstrecken muß. Erst diese letzte Stufe
darf definitionsgerecht als freie Rede bezeidinet werden. Es handelt
sich bei der genannten Ausbildung nur darum, die durch Fehler in
der Struktur der Bildungswege verkümmerten allgemeinen Fertigkeiten
der sprecherischen Ausdrucksgestaltung wiederherzustellen und weiterzuentwickeln
. Jeder normal Veranlagte ist dazu im Rahmen seiner allgemeinen
geistigen Gaben in der Lage und bedarf keiner weiteren
speziellen .Redegabe'. Die allgemeinen Methoden der Sprecherziehung
müssen für die Bedürfnisse der Predigt abgewandelt werden. Durch
sachgemäße Übersetzung theologischer Erkenntnisse über das Wesen
der Predigt ins Methodische lassen sich verbindliche methodische
Grundregeln für Aufbau und die sprachliche Gestaltung im einzelnen
ableiten. Die vorliegende Arbeit unternimmt das für ihren Sektor und
gibt zum Schluß einen Überblick über die Grundforderungen, die an
die Predigt als Rede zu stellen sind, und praktische Hinweise, wie
ihnen zu entsprechen ist.

A 1 t m a n n, Peter: Erwählungstheologie und Univcrsalismus im Alten
Testament. Diss. Wien 1961. 145 S.

Angesichts der verschiedenen Wertungen und Beurteilungen der
alttestamentlichen Erwählungstheologie stellt sich die Frage nach
einem alle Erwählungsaussagen des Alten Testaments kennzeichnenden
Charakteristikum. Dieses Kriterium der alttestamentlichen Erwählungstheologie
besteht — allerdings nur dort, wo sich das Interesse
auf die Erwählung Israels konzentriert — in einem notwendigen Zusammenhang
der Erwählungsaussagen mit gewissen universalistischen
Gedanken. Voraussetzung jeglichen Redens von Israels Erwählung ist
„dynamischer" Universalismus, das heißt: Jahwe muß die Macht besitzen
, ein Volk aus allen Völkern der Erde zu erwählen. Die entscheidenden
alttestamentlichen Stellen sprechen denn auch nicht einfach
von der Erwählung Israels, sondern von der Erwählung dieses
Volkes aus allen Völkern der Erde (Deuteronomium, Dcuterojcsaja,
Ex. 19,5; Am. 3,2). Es handelt sich demnach bei der Erwählung Israels
nicht darum, daß Jahwe Israel in besonderer Weise zum Volk gemacht
hat, sondern daß er dieses Volk zu einem besonderen Volk
gemacht hat. Neben diesem dynamischen Universalismus stehen auch
andere universalistische Momente öfters mit Erwählungsaussagen in
Zusammenhang; sie werden als judizieller (Jahwe Richter der ganzen
Welt; die Erwählung Israels auf dem negativen Untergrund des Gerichtes
der Sintflut), karitativer (aus Israels Erwählung soll auch anderen
Völkern Segen erwachsen: Gen. 12,3), ethischer (Jahwe verlangt
von allen Völkern und besonders von seinem erwählten Volk
die Befolgung gewisser Gebote) und religiöser (Israels Erwählung erfolgt
zum Zweck der Gewinnung aller Völker für Jahwe) Universalismus
bezeichnet. An Hand der Bearbeitung der einzelnen alttestamentlichen
Autoren ergibt sich deren Erwählungstheologie als gerade durch
die verschiedenen universalistischen Vorstellungen entscheidend bestimmt
. Auf Grund der Erkenntnis der notwendigen Zusammengehörigkeit
von dynamischem Univcrsalismus und Erwählungstheologie
ergibt sich die Möglichkeit, Erwählungs- und Bundestheologie scharf
auseinanderzuhalten: während diese ein Verhältnis Jahwes zu Israel
konstatiert, wird durch jene dieses Verhältnis als ein in universalem
Rahmen gegebenes qualifiziert. Aus den gleichen Merkmalen von Erwählungsaussagen
, die den Terminus „bahar" verwenden, und solchen,
die diesen Ausdruck vermeiden, ergibt sich, daß eine Untersuchung
der alttestamentlichen Erwählungstheologie sich nicht auf Stellen, in
denen „bahar" vorkommt, beschränken darf.