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Ausgabe:

1962 Nr. 9

Spalte:

703-704

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Niederberger, Oskar

Titel/Untertitel:

Kirche - Mission - Rasse 1962

Rezensent:

Brennecke, Gerhard

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Seite 1

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703

Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 9

704

Die Praxis hat ergehen, daß auf „öffentlichen Widerruf vor
der Gemeinde" und „Entschuldigung oder Wiedergutmachung
eines Unrechts vor der Gemeinde oder dem betreffenden
Gemeindeglied" niemals zu erkennen war. Im übrigen sind
über solche Maßnahmen die Meinungen geteilt. Der Entwurf
eines Amtszuchtgesetzes der Vereinigten Ev.-Luth. Kirche
Deutschlands sieht Maßnahmen dieser Art vor.

Diese Auseinandersetzung beeinträchtigt nicht die Auffassung
auch des Unterzeichneten, daß dem Verfasser für seine
umfassende und übersichtliche, mit behutsamer Kritik geschriebene
Darstellung Dank gebührt.

Dresden Gottfried K an d ler

MISSIONSWISSENSCHAFT LAD ÖKUMENE

Niederberge r, Oskar, Dr., S.M.B., M. A.: Kirche — Mission
— Rasse. Die Missionsauffassung der niederländisch- reformierten
Kirchen von Südafrika. Schöneck - Beckenried: Administration der
Neuen Zeitschrift für Missionswissenschaft 1959. XVII, 402 S.,
1 Kte. gr. 8° = Neue Zeitschrift für Missionswissenschaft, hrsg. v.
J. Beckmann, L. Kilger, J. P. de Menasce, W. Bühlmann. Supplementa
IX. sfr. 28.-.

Südafrika steht seit geraumer Zeit im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit
. Audi die kirchlichen Zeitschriften in aller Welt
haben sich in den letzten Jahren häufig mit der Situation in
Südafrika und den Aufgaben der Kirchen in diesem spannungsreichen
Land beschäftigt. So ist es sehr dankenswert und hilfreich
, daß uns eine umfangreiche Studie des katholischen Theologen
Oskar Niederberger vorgelegt wird, der die Missionsauffassung
der Niederländisch-reformierten Kirchen von Südafrika
untersucht. Der Verfasser hat die ersten drei Abschnitte
seiner Abhandlung 1956 unter dem Titel Kirche und Mission
als Dissertation zur Erlangung des Doktorates an der Theologischen
Fakultät der Pontificia Universitas Gregoriana in Rom
eingereicht. Der letzte Abschnitt, der umfangmäßig jetzt fast
die Hälfte des Gesamtwerkes einnimmt, wurde von ihm anschließend
in Südrhodesien unter genauester Kenntnisnahme der
dortigen Missionsarbeit der Niederl.-ref. Kirche abgefaßt.

Der ganzen Arbeit voran steht der erste Abschnitt mit einer
Darstellung des nieder!. - ref. Kirchenbegriffs, die sich im wesentlichen
auf die in den Niederl.-ref. Kirchen geltenden Bekenntnisschriften und
auf Calvins Institutio gründet. Als Ergebnis zeigt sich, daß der
Kirchenbegriff sich in zweifacher Beziehung missionarisch ausgewirkt
hat: Die Betonung des institutionellen Charakters gibt von vornherein
der Kirche eine entscheidende Rolle in der Glaubensverkündigung
. Aber zugleich wird die Kirche infolge des starken Bewußtseins
von den gemeinschaftlichen Bindungen der Gläubigen das hervorragende
Missionsziel.

Die Abschnitte II — IV zeigen dann auf, wie der Kirchenbegriff
in die missionarische Wirklichkeit übersetzt wird. Der Verfasser wählt
dabei die geschichtliche Methode und läßt sich die Einteilung von
den großen Zeitperioden der Geschichte sagen: Abschnitt II umfaßt
die Zeit der holländischen Besetzung des Kaps (1652—1795 bzw.
1806), Abschnitt III die Zeit der englischen Besetzung des Kaps
(1795 bzw. 1806—1900), Abschnitt IV schließlich behandelt ausführlich
das 20. Jahrhundert.

„Es handelt sich bei der Missionstätigkeit der Niedcrl.-ref.
Kirchen um die allmähliche missionarische Aktivierung einer christlichen
Gemeinschaft, die in eine heidnische Umgebung verpflanzt
worden war" (S. 5). Bis zum Jahre 1800 ist diese Missionstätigkeit
nur als ein Anhängsel der Kolonisation und Europäerseelsorge zu
sehen. Erst im 19. Jahrhundert zeigt sich eine gewisse selbständige
Entwicklung, die von den Niederl.-ref. Kirchen auch als eine besondere
Aufgabe erkannt und bejaht wird. Der Hauptanstoß zu dieser
Entwicklung geht von pietistischen Kreisen und besonders von den
aus Europa und später Amerika nach Afrika eindringenden Missionsgesellschaften
aus. Obwohl die Niederl.-ref. Kirchen in diesem Jahrhundert
auch eine gewisse Missionsaufgabe im eigenen Lande sehen,
lag doch das Schwergewicht ihres missionarischen Vorstoßes außerhalb
Südafrikas. Der missionarische Aufschwung im eigenen Land ist zwar
auch schon im 19. Jahrhundert zu spüren, gewinnt aber erst im
20. Jahrhundert, besonders nadi dem zweiten Weltkrieg, die Intensität
, die heute spürbar ist. Der Verfasser gibt ein gutes Bild des Aufbaus
dieser Arbeit, die erstaunlich viel Mittel und Menschen zur
Verfügung hat.

Das Schwergewicht des Buches liegt aber eigentlich nicht
in der Darstellung der geschichtlichen Entwicklungen — so wichtig
diese für das Ganze sind —, sondern in dem Nachweis, wie
eng die Rassenfragen Südafrikas mit der Missionsmethode und
-theologie der Niederl.-ref. Kirchen verbunden sind. Während
im Anfang des 19. Jahrhunderts die neugewonnenen nichtweißen
Christen zunächst noch in die bestehende Gemeinde der
Weißen eingegliedert wurden, ging man im Verlauf des Jahrhunderts
immer stärker dazu über, eigene Gemeinden zu bilden.
Man begründete das mit einer „arteigenen" kirchlichen Entwicklung
, die im missionarischen Denken der Niederl.-ref. Kirchen
schon eine Rolle spielte, ehe sich die Politiker dieses Gedankens
bemächtigten. Nach dem Verfasser ist die heutige Rassentrennungspolitik
(Apartheid) in ihren Wurzeln bereits in der
Missionsarbeit der Niederl.-ref. Kirche des ausgehenden 19. Jahrhunderts
zu erkennen.

Es ist nicht zu leugnen, daß auch bestimmte Gedanken der
deutschen Missionstheologie, die vor allem um die Volkskirche
kreisten, für die Auffassungen der getrennten Kirchenentwicklung
Hilfestellung geleistet haben. Dabei darf gewiß nicht
übersehen werden, daß die Missionsgrundsätze der Niederl.-ref.
Kirchen, besonders in ihrer ausländischen Arbeit, sehr bald zur
Ausbildung einheimischer Prediger und Lehrer, zur Schaffung
von Bibelübersetzungen in die einheimische Sprache und zu anderer
Literatur führten und die eigene Entwicklung der Kirchen
beschleunigten.

Die Studie gibt einen sehr klaren, umfassenden Einblick in
die gesamte Entwicklung, enthält sich im ganzen auch jeder
Polemik, wie sie bei dem gespannten Verhältnis zwischen der
Katholischen Kirche und den Niederl.-ref. Kirchen unter Umständen
erwartet werden könnte. Man kann sich auch über die
politische Situation vor allem im Blick auf die Rasscnfragc
hervorragend orientieren und findet ein kleines Kompendium
der Stellung der Niederl.-ref. Kirchen zu diesem Problem.
Zusammenfassungen der einzelnen größeren Abschnitte sind für
die Verarbeitung der Lektüre sehr hilfreich. Der Verfasser hat
einen klar ablehnenden Standpunkt im Blick auf die Trennung!'
politik in Staat und Kirche, der ihn aber nicht einfach zu billigen
Pauschalurteilen verleitet, sondern doch auch die positiven
Faktoren im Handeln der Niedcrl.-ref. Kirchen und ihrer Mission
sehen läßt. Wichtig ist, daß das ständige Ineinander der kirchlichen
, politischen und missionarischen Handlungsweise gezeigt
wird. Vielleicht müßte man noch stärker, als es in dem Buch
geschieht, die besondere Situation Südafrikas als Motiv für bestimmte
theologische Entscheidungen der Kirchen sehen — womit
freilich zugleich das Fragezeichen hinter diesen Entscheidungen
aufgerichtet wird. Jedenfalls gibt das Werk einen guten
Einblick in die Komplexität der Vorgänge in Südafrika. Der
Verfasser schließt sein Buch damit, daß er sagt: „Alle erwähnten
Überlegungen vermögen nicht zu erklären, warum eine so
bekenntnisgebundene und gesetzestreue Kirche wie die Niedcrl.-
ref. den Rassenbegriff über das Bekenntnis und die Kirchenordnung
erheben und zur Grundlage ihrer kirchlichen Organisation
machen kann. Der eigentliche Grund muß in der südafrikanischen
Rassenfrage gesucht werden" (S. 384).

Es gibt sicher nur einen Weg, der weiterführt und zur
Überwindung der Trennungen in der Kirche führen kann: die
immer stärkere Verbindung mit der ökumenischen Gemeinschaft
der Kirchen. Der Verfasser geht auf diese Dinge nicht mehr ein.
Und leider sind ja zur Zeit die Aussichten, daß die südafrikanischen
Niederl.-ref. Kirchen den Weg der Johannesburger
Konferenz 1960 weiter beschreiten, sehr gering. Aber dennoch
wächst die Zahl der niederl.-ref. Theologen, die dazu helfen
möchten, daß ihre Kirchen von den politischen Vcrklammcrungen
freier werden.

Berlin Gerhard B ren n eck e

B 1 a u w, Johannes: Gottes Werk in dieser Welt. Grundzüge einer
biblischen Theologie der Mission. Ins Deutsche übertr. v. LI!rieh
Kabitz. München: Kaiser 1961. 192 S. 8°. Kart. DM 8.—.

Im Auftrage des Subkomitecs der gemeinsamen Studienkommission
für Missionstheologie beim Internationalen Missionsrat
und dem Ökumenischen Rat der Kirchen hat es J. Blauw
unternommen, „die bedeutendsten Ergebnisse der theologischen
Forschung der letzten dreißig Jahre, soweit sie Basiß, Ziel, Ort