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Ausgabe:

1962 Nr. 9

Spalte:

698-703

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Hansch, Karl

Titel/Untertitel:

Die Disziplinargerichtsbarkeit in der evangelischen Kirche 1962

Rezensent:

Kandler, Gottfried

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 9

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Menschsein zusammen? Bei der Beantwortung dieser Frage
offenbart sich der theologische Erkenntnistheoretiker T.: Der
Glaube ist eine menschliche Möglichkeit, weil der Mensch imstande
ist, den Sinn eines Absoluten und Unbedingten zu erfassen
(18). Die Kategorie des Unbedingten, die T. auf den
Glauben anwendet, zeigt ihre Fruchtbarkeit zur Lösung der
schwierigsten Probleme des Glaubens. Sie wirft auch gleich
helles Licht auf die Gottesfrage. Die Gottesidee nämlich ist
allenthalben konstituiert durch das Element des Unbedingten.
Nur kann der Mensch sehr Verschiedenes zu einem Unbedingten
machen. Darum kann dem Menschen auch alles zur Gottheit
werden (19). Aber darum ist nicht alles wirklich Gott, dem
Gottesgedanken angemessen. Der wahre Gott transzendentiert
die Subjekt-Objekt-Spaltung. Hier liegt daher das Kriterium
für die Unterscheidung des wahren Gottesglaubens vom Götzenglauben
(20 f.). Nicht liegt dies Kriterium, wie T. mit Recht
hervorhebt, in der Kategorie des Heiligen. Das, was uns unbedingt
angeht, ist uns heilig (22). Aber das Heilige kann sowohl
schöpferisch wie zerstörend wirken (24). — Treffend ist
auch T.s Ausführung über Glaube und Zweifel. Der Glaube
schließt in sich die Gewißheit und den Zweifel, denn er ißt
immer ein Wagnis (26 f.). Es handelt sich aber bei diesem Zweifel
weder um den methodischen noch um den skeptischen Zweifel
(30). — Der Glaube ist weiter nicht nur Sache des Einzelnen,
«r kann ohne die Gemeinschaft und die Sprache, welche die
Menschen verbindet, nicht leben (34). Der Mensch kann ohne
einen Glauben als Mensch nicht leben. Sagt er einem
Glauben ab, so tritt an die Stelle ein anderer Glaube (36).
Jeder Glaube wird zum Götzendienst, wenn er sich an
Menschliches, nicht wahrhaft Unbedingtes bindet (38 f.). —
Zur psychologischen Einsicht in das Wesen des Glaubens
gehört, daß er kein theoretisches Erkennen, sondern existentielle
Erfahrung ist (43. 46). Er i6t aber weder ein bloßer
Willens- noch ein bloßer Gefühlsakt (47 f.). Er ergreift,
Wie gesagt, den ganzen Menschen. — Anschließend entwickelt
T. seine auch aus anderen Arbeiten bekannte Symbollehre
. Der Glaube drückt seinen Gehalt in Symbolen aus,
das Symbol ist die Sprache des Glaubens (53 ff.). Das ist für
die Beurteilung der Wahrheit des Glaubens sehr wichtig. Wir
müssen immer fragen, welche Symbole fähig sind, das Unbedingte
wirklich auszudrücken (59). Symbole des Glaubens sind
auch die Mythen. Der religiöse Mythos kann zwar kritisiert,
aber niemals beseitigt werden, etwa durch ein völlig unmythisches
, begriffliches Denken. Der gläubige Mensch, vor allem der
Theologe, muß wissen, daß die religiösen Symbole eben Symbole
sind. Tut er das nicht, so verfällt er leicht dem Götzenglauben
und dämonisiert den Glauben (61 ff.). An dieser Stelle
vermissen wir die Erörterung der Frage, wie denn der christliche
Theologe den Gehalt des religiösen Symbols beurteilen
kann, wenn er einerseits das Symbol als Symbol durchschaut
hat, andererseits aber nach T. in keiner Weise über das
religiöse Symbol hinaus kann? Es ist das alte Problem, wie wir
den Anthropomorphismus im Glauben theologisch überwinden
können wenn wir ihn durchschaut haben. Diesem Problem
stellt sich T. nicht, was 6ehr schade ist. Ebenso ist der Abschnitt
über die verschiedenen Gaubenstypen etwas kurz geraten
und bei der Fülle der religiösen Phänomene nicht ganz befriedigend
(71 f. 79 f.). Ganz besonders wichtig ist dagegen der
Abschnitt über die Wahrheit des Glaubens. Hier scheint uns T.
s°gar über das hinauszugehen, was er in seiner Systematischen
Theologie zu dem Problem gesagt hat. T. verwechselt nicht
"ahrheit mit Gewißheit. Er stellt mit erfrischender Deutlichst
fest, daß die Vorbedingung des Glaubens die Vernunft ist
"nd daß der Glaube die Vernunft zu erfüllen hat (90 f.). Offenbarung
ist die Manifestation des Unbedingten (92). Der Glaube
£ann mit der Wissenschaft nicht in Konflikt geraten, wenn
beide das bleiben, was sie sind (97). Der Glaube gründet sich
"'cmals auf Historisches, aber er nimmt das Historische in sich
"Ur (101). Besonders kompliziert ist das Verhältnis des Glaubens
zum philosophischen Denken. Jede philosophische Wahrheit
ist nach T. letztlich auch Glaubenswahrheit und umgekehrt,
pder: In jeder spekulativen Wahrheit steckt auch eine Wahrheit
des Glaubens und umgekehrt (104 ff.). Während T. Id

seiner Systematischen Theologie noch in der Hauptsache der
Philosophie das Fragen, dem Glauben und der Theologie die
Antwort auf die letzten Fragen als ihr eigenstes Gebiet zuschrieb
, erkennt er hier an, daß Glaube und Philosophie letztlich
dieselbe metaphysische Grundlage haben. Das letzte Kriterium
der Wahrheit eines Glaubens aber ist immer, daß der
Glaube einem unbedingten Anliegen angemessen sein muß
(lll). — Soweit die kurzen Hinweise auf den reichen Inhalt des
kleinen Buches. Es ist sehr konzentriert geschrieben und stellt
Anforderungen an das Denken des Lesers. Es ist aber andererseits
so klar geschrieben, daß auch der interessierte NichtTheologe
es mit großem Gewinn lesen kann.

Haldensleben Erik Schmidt

Backes, Ignaz: Die betende Kirche.
Ekklesia — Festschrift für Bischof Dr. Matthias Wehr, Trier 1962
S. 57-71.

Bartz, Wilhelm: Priester und Kirche.
Ekklesia — Festschrift für Bischof Dr. Matthias Wehr, Trier 1962

S. 47—56.

B r e u n i n g, Wilhelm: Die Verherrlichung Christi und die Kirche.
Ekklesia — Festschrift für Bischof Dr. Matthias Wehr, Trier 1962
S. 73-94.

G 1 o e g e, Gerhard: Evangelisches Weltbewußtsein heute.

Im Lichte der Reformation — Jahrbuch des Evangelischen Bundes

V/1962 S. 5-25.

H e i n r i c i, Hartmann: Einheit der Kirche — Wunschbild oder Wirk-
lidikeit?

Im Lichte der Reformation — Jahrbuch des Evangelischen Bundes
V/1962 S. 87—97.

Müller, Georg: Vergöttlichung des Kosmos?
Junge Kirche 23, 1962 S. 249—260.

Peters, Albrecht: Zum Schlußbericht der Arnoldshainer Abendmahlskommission
.

Lutherische Monatshefte 1, 1962 S. 202—209.
Schultz, Werner: Die Natur in der Deutung des christlichen
Glaubens.

Zeitwende XXXIII, 1962 S. 162—173.
Weischedel, Wilhelm: Philosophische Theologie im Schatten des
Nihilismus.

Evangelische Theologie 22, 1962 S. 233—249.

KIRCHENRECHT

Mansch, Karl, Dr.: Die Disziplinargerichtsbarkeit in der evangelischen
Kirche. Göttingen: Schwartz 1961. VIII, 148 S. gr. 8° =
Göttinger rechtswissenschaftl. Studien, Bd. 33. Kart. DM 15.80.

Die Arbeit bietet eine wertvolle umfassende Übersicht
über die geschichtliche Entwicklung des Disziplinarrechtes in der
evangelischen Kirche in Deutschland und entfaltet dann mit
eigenem kritischen Urteil des Verfassers das Disziplinarrecht, wie
es jetzt in der Evangelischen Kirche in Deutschland gilt und wie
es zuletzt in dem Disziplinargesetz der Evangelischen Kirche in
Deutschland vom 11. März 1955 (ABl. EKD S. 84 ff.) Form gewonnen
hat. Der — gedruckt vorliegende — Entwurf eines Amtszuchtgesetzes
der Vereinigten Ev.-Luth. Kirche Deutschlands ist
nur andeutungsweise erwähnt und noch nicht verarbeitet.

Der Verfasser sieht das Wesentliche eines kirchlichen
Disziplinarrechts in Folgendem: Echte Rechtsprechung nach moderner
Auffassung kann nur durch unabhängige Geridite und
nur in den Formen eines geregelten Verfahrens ausgeübt werden
. „Die Kirche kann in ihrem Raum keine Amtsführung zulassen
, die die Grundlagen des Bekenntnisses verleugnet. Auch
darf der Lebenswandel ihreT Amtsträger nicht die ordnungsmäßige
Wahrnehmung ihrer Aufgaben beeinträchtigen und die
Kirche unglaubwürdig werden lassen. Auf der anderen Seite
sollen die Geistlichen und anderen Diener der Kirche aber auch
nicht zum unselbständigen und abhängigen Werkzeug ihrer
vorgeordneten Kirchenbehörde oder ihrer Gemeinde werden.
Auf der Grundlage des Evangeliums steht ihnen die freie Verkündigung
zu. Wer die Wahrheit aussprechen soll, bedarf der
Unabhängigkeit."