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Ausgabe:

1962 Nr. 9

Spalte:

696-698

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Tillich, Paul

Titel/Untertitel:

Wesen und Wandel des Glaubens 1962

Rezensent:

Schmidt, Erik

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695

Theologische Literaturzeitung 1962 Nr, 9

696

Kanz, Heinrich: Unbekannte theologische Aussagen Newtons. Eine
Anregung.

Münchener Theologische Zeitschrift 12, 1961 S. 285—293.
Keilbach, Wilhelm: Religionsphilosophie heute? Zu S. Holms
„Religionsphilosophie".

Münchener Theologische Zeitschrift 12, 1961 S. 301—303.

Kuhn, Helmut: Le concept de l'ordre.
Gregorianum XLIII, 1962 S. 254—267.

L o c h m a n, Jan M.: Stationen auf dem Wege zur Freiheit. Freiheit
bei Jean-Paul Sartre und bei Dietrich Bonhoeffer.
Die Zeichen der Zeit 16, 1962 S. 130—138.

Nosbüsch, Johannes: Die Lehre des hl. Thomas von der Einzigkeit
der substantiellen Form und ihr Verhältnis zur Anthropologie
der Gegenwart.

Trierer Thologische Zeitschrift 72, 1962 S. 84—103.
Pfannkuch, Karl: Zeitgeist um die Jahrhundertwende. Methodisches
— Philosophisches — Literarisches.

Zeitschrift f. Religions- u. Geistesgeschichte XIV, 1962 S. 98—123.

Ranganahtananda, Swami: Der Anruf der indischen Philosophie
an den modernen Menschen.
Universitas 17, 1962 S. 301—305.

Robbers, H.: „Die Achsenzeit" bij Karl Jaspers.
Bijdragen 22, 1961 S. 233—246.

Rohrmoser, Günter: Die theologische Bedeutung von Hegels
Auseinandersetzung mit der Philosophie Kants und dem Prinzip der
Subjektivität.

Neue Zeitschrift für Systematische Theologie 4, 1962 S. 89—111.
Schrey, Heinz-Horst: Gibt es ein modernes Weltbild?

Universitas 17, 1962 S. 139—148.
Schultz, Werner: Die Natur in der Deutung des Abendlandes.

Zeitwende XXXIII, 1962 S. 80—97.
S e 1 v a g g i, Filippo: Rassegna di Cosmologia e Filosofia della Scienza.

Gregorianum XLIII, 1962 S. 295—314.

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Gross, Julius, Dr. theol.: Entstehungsgeschichte des Erbsündendogmas
. Von der Bibel bis Augustinus. München-Basel: E.Reinhardt
1960. 386 S. gr. 8° = Geschichte des Erbsündendogmas. Ein
Beitrag zur Geschichte des Problems vom Ursprung des Übels, Bd. L
Lw. DM 26.—.

Der Verfasser beginnt mit einer Skizze des Erbsündendogmas
nach der Lehre des Tridentinischen Konzils und der
Augsburger Konfession, die er allerdings allzu nah und unterschiedslos
-unkritisch nebeneinander stellt. Nach Sessio V. von
1546 ist die den Getauften verbleibende Begehrlichkeit keine
Sünde, während die Augustana es wagt, das unselige Müssen
der Begierde zugleich als personal-verantwortliche Schuld zu
bezeichnen. Nachdem festgestellt worden ist, „daß das Trienter
Dogma in allen wesentlichen Punkten mit der altprotestantischen
Erbsündenlehre in auffallender Weise übereinstimmt",
wendet sich die Untersuchung dem Ursprung dieses Dogmas zu.

Wir erfahren von Ansätzen zur Lehre von der Erbsünde im
Alten Testament, in der außerbiblischen Literatur des Judentums
und im Neuen Testament, wobei der Verfasser zu dem
Ergebnis gelangt: „Die Erbsündenlehre ist unbiblisch". Ebenso
wenig kann er sie rinden in der Tradition des zweiten, dritten
und vierten Jahrhunderts. Die Darstellung erfolgt hier getrennt
nach Griechen und Lateinern, sie zeugt in einer Fülle von wörtlich
übersetzten Zitaten von einer intensiven Vertrautheit mit
dem dogmengeschichtlichen Material. Bis hin zu Ambrosius
überwiegt die Anschauung, die Konkupiszenz sei keine Erbschuld
, sondern nur ein Erbverderbnis.

In einem umfangreichen 2. Teil wird sodann Augustin gewürdigt
. Die manichäische Periode, die der große Kirchenvater
vom 19. bis zum 28. Lebensjahr durchlaufen hat, wird in erster
Linie dafür verantwortlich gemacht, daß sich das Erbsündendogma
hinfort so machtvoll entfalten konnte. Dazu kam als
Verstärkung die anripelagianische Kontroverse. „Pelagius wollte
die ungezählten Namenchristen, die ihr Sündenleben mit der
Schwäche der menschlichen Natur entschuldigten, zur sittlichen
Anstrengung aufrufen." Dem stellt Augustin gegenüber die
These von der völligen Unfähigkeit der menschlichen Natur,
sich selbst zu befreien. „Seit 396 verdichtet sich bei ihm die
Überzeugung von der Allmacht der göttlichen Gnade und der

Ohnmacht des auf 6ich gestellten Menschen." Der Bischof von
Hippo wurde „nicht nur der Vater der Erbsündenidee, er war
auch der Architekt der Erbsündentheologie". Diese Architektur
wird im einzelnen nachgezeichnet an Hand der Schriftbeweise
und Väterzitate, die Augustin für seine Schau von dem radikalen
Unvermögen des gefallenen Menschen in Sachen des Heils
geltend machte.

Dem Verfasser ist diese Überzeugung von der „angeblichen
Unfähigkeit zum Guten" sichtlich unsympathisch. Wohl
wird zugegeben, daß es Augustin dabei vor allem um die Verherrlichung
der Gnade ging und nicht so sehr um eine Ächtung
und Schändung des Menschen. Aber es wird doch lebhaft bedauert
, daß Augustin „sein Ehrenmal der göttlichen Gnade auf
den Trümmern der sittlichen Freiheit des Menschen errichtet
hat. Mit seiner Erbsündenlehre hatte er einen eklatanten Sieg
errungen — aber nicht nur über die Pelagianer, sondern auch
über Vernunft und Menschlichkeit. Ein solcher Sieg konnte unmöglich
von Dauer sein. Früher oder später mußte er sich in
eine Niederlage verwandeln. Daß dem in der Tat so war, wird
der weitere Verlauf der Untersuchung zeigen".

Mit solchen Sätzen charakterisiert der Autor jedenfalls
deutlich genug den eigenen Standpunkt. Man wird ihm darin
recht geben müssen, daß alles andere an Augustin in der mittelalterlichen
Theologie mehr Schule gemacht hat als sein Anti-
pelagianismus. Aber wie steht es bei Luther, Pascal und Kierkegaard
, wo Augustin abermals Sieger wird? Sollte die Erinnerung
an diese großen Namen den Verfasser nicht bewegen, das Problem
noch einmal ernsthafter und ehrfürchtiger durchzudenken,
als es ihm bisher möglich war. Im übrigen geht es bei der Frage
der Erbsünde nicht nur um „das Gefühl der Ohnmacht". Es
geht vor allem um die Themastellung, wie sich Unausweichlichkeit
und Unentschuldbarkeit der Sünde gleichzeitig aufrechterhalten
lassen. Augustin hat darauf mit dem Satz geantwortet:
non inviti tales sumus. Das eigentliche Paradox der Erbsünde
besteht darin, daß wir willentlich sind, was wir 6ein müssen.
Der ratio ist dieser Widerspruch im höchsten Maße ärgerlich.
Eine andere Frage ist, ob unser Gewissen nicht gerade dieses
widersprüchliche Beieinander von Wollen und Müssen als die
redlichste Beschreibung unserer menschlichen Existenz bejahen
muß.

Tübingen Adolf K ö b e rl e

T i 11 i c h, Paul: Wesen und Wandel des Glaubens. Frankfurt/Main-
Berlin: Ullstein [1961]. 151 S. kl. 8° = Weltpcrspcktiven, Bd. 8.
Ullstein Bücher, 318. Kart. DM 2.20.

P. Tillich, der weltbekannte Systematiker, dessen Einfluß in
den letzten Jahren auch in Deutschland immer größer geworden
ist, legt uns hier seine neueste Arbeit vor, eine Untersuchung
über den Glauben. Die Arbeit zeugt von einer Reife des Geistes
und einer Kraft philosophisch-theologischen Denkens, wie
sie nur ein Altmeister der Theologie und Religionsphilosophie
erreichen kann. Was T. auch in dieser Arbeit besonders auszeichnet
, ist die (nicht nur ökumenische) Weite des Horizontes,
verbunden mit einer seltenen Konzentration auf die Substanz
des christlichen Glaubens. — Das Buch zerfällt in sechs Abschnitte
: 1. Was der Glaube ist. 2. Was der Glaube nicht ist.
3. Die Symbole des Glaubens. 4. Die Glaubenstypen. 5. Die
Wahrheit des Glaubens. 6. Das Leben des Glaubens. Gleich zu
Beginn ist sehr wertvoll und klar die Definition des Glaubens:
Der Glaube ist das Ergriffensein von dem, was uns unbedingt
angeht (9). Das bedeutet, daß der Glaube eine unbedingte Forderung
enthält und eine letzte Erfüllung verheißt (lo). Der
Glaube ist nicht an eine bestimmte seelische Funktion gebunden
, sondern ist ein Akt der ganzen Person (12). Auch die
unbewußten Elemente der Persönlichkeitsstruktur partizipieren
am Glauben. Diese Ausführungen zeigen besonders eindringlich
den Psychologen T. (13). Der Glaube ist ein Akt, der die rationalen
und die irrationalen Elemente des menschlichen Seins
transzendentiert. In diesem Zusammenhang erscheint wieder der
auch in den anderen neueren Schriften T.s vertretene Begriff
der Ekstase: Der Glaube ist ekstatischer Natur. Der religiöse
Mench ist im Glauben „außer sich", ohne aufzuhören, er selbst
zu sein (15). — Wie hängt nun der Glaube mit dem geistigen