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Ausgabe:

1962 Nr. 9

Spalte:

677-679

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Vööbus, Arthur

Titel/Untertitel:

Peschitta und Targumim des Pentateuchs 1962

Rezensent:

Würthwein, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 9

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schischen Literatur darzulegen, die er in dem Suchen nach der
inneren Bedeutung der Texte (inner meaning of texts) sieht
S. XVI. Sehr interessant ist 6ein Urteil über die midraschische
Literatur S. XX: „The world of Midra6h may thus be described
as a garden of dried flowers. And at times only a combination
of love, reverence, and learning can breathe life into Ieaves and
blossoms which to a hasty and unsympathetic eye appear to
be dead". Die Theologie des Midrasch Tehillim beruht ganz auf
der jüdischen Tradition. Verfasser charakterisiert kurz die Gehalte
der Theologie unter den Stichworten Gott, Thora, Israel,
Gericht und Sünde, Lohn und Strafe, künftige Welt. Hinsichtlich
der genauen zeitlichen Ansetzung des Midrasch Tehillim entscheidet
sich Braude nicht mit solcher Sicherheit, wie das vor
ihm Zuntz (2. Hälfte des 9. Jahrhunderts in Italien) oder Buber
(Talmudische Periode in Palästina) taten. Er führt sorgfältig die
Gründe und Gegengründe an, um schließlich zu dem Urteil zu
gelangen, daß der Midrasch Tehillim durch ein rundes Jahrtausend
vom 3. bis 13. Jahrhundert gewachsen ist. „Midrash
Tehillim is thus a compilation with little regard for the original
framework", doch scheint Braude für die Hauptteile des Midrasch
, für Ps 1—118, wohl eine Entstehung während der tal-
mudischcn Periode anzunehmen, mindestens möchte er die
Hauptmasse des Materials aus dieser Epoche herleiten.

S. XXXII ff. entfaltet der Verfasser seine Grundsätze für
seine Übcrsctzungsleistung. Ihm liegt an einem lesbaren Text,
verbunden mit Genauigkeit und Treue gegenüber dem Original.
Er will wirklich übersetzen, will wirklich Nomen, Adjektiv
und Vcrbum durch ein entsprechendes wiedergeben, abgesehen
von den Erfordernissen der Übersetzungssprache. In den stereotypen
Wendungen wie äene '#mar diketib we'omer, minnayin
haben sich jeweils abweichende Übersetzungen notwendig erwiesen
je nach dem hebräischen Kontext. Derartige Variierung
wird jeder, der den hebräischen Text kennt, dem Übersetzer zubilligen
. Schriftzitate sind nach der Jewish Publication Society
Version gegeben, gelegentlich nach anderen englischen Übersetzungen
, und in Ausnahmefällen gibt Braude eine eigene
Übersetzung, nach Möglichkeit angepaßt dem rabbinischen Verständnis
jener Stelle.

Mit Zufriedenheit und Dankbarkeit wird man diese Leistung
anerkennen und künftig gern sich dieser beiden Bände in
eigenen Arbeiten bedienen.

Leipzig HansBardtke

v°öbus, Arthur, Prof. Dr.: Pesdiitta und Targumim des Pentateudis.

Neues Licht zur Frage der Herkunft der Pesdiitta aus dem altpalästinischen
Targum. Handschriftenstudien. Stockholm: ETSE 1958.
150 S. 4° = Papers of the Estonian Theological Society in Exile, 9.
$ 4.50.

Die schon seit über hundert Jahren beobachtete Ähnlichst
zwischen Pesdiitta (= P) und den Targumim hat in den
letzten Jahrzehnten zu der These geführt, daß die P. zum Pen-
tareuch „aus einem im westaramäischen Sprachklcid verfaßten
^Palästinischen Targum hervorgegangen ist und in ost-
^amäische Sprachform umgegossen wurde" (S. 14; Kahle, Baumstark
, Peters). Diese, bisher noch nicht allgemein anerkannte,
3uch noch weiterer Begründung bedürftige These wird von dem
Verf. durch Heranziehung von umfangreichem handschriftlichem
Material, das einen tieferen Einblick in Entstehung und Geschichte
der P. gestattet, zur Evidenz erhoben.

Nach der Einleitung (S. 8—17), die einen kurzen Überblick
über den Stand des Problems gibt, bringt Verf. im ersten Kap.
(•■Neues Licht über die Frühgeschichte der P. aus dem syrischen
iairifttum" S. 19-36) zunächst Beispiele aus den „alten Qucl-
leri' (Bischof Aitallaha, Liber Graduum, Märtyrerakten, Philo-
xenos, Übersetzungen griechischer Kirchenväter ins Syrische),
,e in ihren Bibelzitaten eine alte Textform der syrischen Übersetzung
bezeugen und „eindeutig von einem tieferen targumi-
. n Einfluß" reden „als derjenige, den wir in dem P.text sel-
Ou lT ,rnehmen können" (S. 21). Aber auch „mittelalterliche
^ eilen" des 6. und 7. Jahrhunderts und noch späterer Zeit be-
tümlvJ,' daß Zu ihrcr Zeit "soldlc P--Kodices, welche noch alter-
Rpn.l Gut von den Targumim enthielten, immer noch in
Benutzung standen" (S. 29). Verf. kommt zu dem Schluß, daß

die von ihm vorgeführten Abweichungen von P., LXX und
Masoretischem Text nur dann „eine ausreichende und befriedigende
Erklärung finden, wenn man ersieht, daß diese als echte
Überbleibsel der targumischen Überlieferungen zu betrachten
sind . . . Die altpalästinische Targumüberlieferung (hat) die
Frühgeschichte der P. noch weit mehr überschattet, als uns die
vorhandenen Handschriften der P. darüber Auskunft geben
wollen" (S. 36).

Die in den bisherigen Untersuchungen zumeist aus zerstreuten
Stellen herausgepickten Belege für die Verwandtschaft
zwischen P. und Targumim geben keinen vollen Eindruck von
dem Verhältnis zwischen beiden. Es war deshalb ein glücklicher
Gedanke, zwei zusammenhängende poetische Pentateuchtexte,
für die eine besonders umfangreiche handschriftliche Überlieferung
vorliegt, einer ganz eingehenden Prüfung zu unterziehen.
Dies geschieht in Kap. 2 für Ex. 15, 1—21 (S. 37—68), in Kap. 3
für Deut. 32, 1—43 (S. 69—104) in jeweils fünf Arbeitsgängen:
das „targumische Profil" im Lichte 1) des edierten Textes;
2) der P.-Handschriften; 3) der Sonderüberlieferung in den
liturgischen Handschriften; 4) der arabischen Überlieferung
(aus syrischer Vorlage); 5) der patristischen Evidenz. Dabei berücksichtigt
V. ein sehr umfangreiches Handschriften-Material,
so bei der „Sonderüberliefcrung in den liturgischen Handschriften
" mehr als 50 Manuskripte, in der Hauptsache aus dem 12.
bis 16. Jahrhundert, einige auch älteren und jüngeren Datums,
in denen die Pentateuchtexte zusammen mit den Psalmen und
anderen poetischen Stücken überliefert werden und die nicht nur
altes targumisches Gut festgehalten haben, sondern auch einen
Eindruck von der Buntfarbigkeit der Überlieferung vermitteln
(insgesamt weist das Verzeichnis der benutzten Handschriften
108 Nummern auf). In jedem Untersuchungsgang werderi*neue
Verwandtschaften zwischen Targumim und syrischem Text aufgedeckt
, so daß schließlich ein sehr gewichtiges Material zusammenkommt
, das durch „midraschische Zusätze, exegetische
Erweiterungen, neue Ausdrücke, auffällige Wortwahl, Eigentümlichkeiten
in der syntaktischen Konstruktion und viele Minuten
" (S. 68) seinen Zusammenhang mit den Targumim deutlich
erkennen läßt. Besonders die Wortwahl veranschaulicht, „wie
die P. tatsächlich so entstanden sein muß, daß die westaramäische
Grundlage ins ostaramäische Sprachidiom übertragen
wurde" (S. 79).

Im 4. Kap. (S. 105—117) legt V. die „Ergebnisse für die
Textgeschichte der P." dar. a) Für die „Vorgeschichte" der P.
ergibt sich, daß hinter der Urpeschitta, die in den untersuchten
Textzeugen sichtbar wird, als primäre Größe ein von der Synagoge
überkommenes Targum steht. „Das bedeutet dann aber
zwangsläufig eine auf dem Boden des Judentums erwachsene
Form eines palästinischen westaramäischen Targums als die Ur-
gestalt des Pentateuchtextes der P." (S. 107). Damit legt sich
jüdischer bzw. judenchristlicher — nicht, wie von den Syrern behauptet
, christlicher — Ursprung nahe, doch ist V. hier in seinem
Urteil auffällig zurückhaltend. — b) Der 6chon bei Melito
von Sardes und späterhin zitierte, von der P. abweichende
6 Zvooc „entpuppt sich als die altertümliche Gestalt der P."
(S. 111). — c) Vor allem wird uns der Revisionsprozeß der P.,
mit dem man schon bisher rechnete, durch das reiche, von V.
erschlossene Material greifbarer. „Einerseits sind wir jetzt imstande
, zu erkennen, daß die älteste Gestalt der P. viel «wilder»
gewesen ist. Anderseits muß die Revision ihrer Natur nach viel
einschneidender gewesen sein, als wir sie uns bisher vorgestellt
haben" (S. 112). Diese Revision hat sich aber nur sehr
allmählich durchgesetzt. „Wir stoßen auf die interessante Tatsache
, daß die weniger revidierten oder sogar die unrevidierten
Bibelhandschriften weiterlebten, vervielfältigt wurden, und so
noch immer den Einfluß des altpalästinischen Targum6 verbreiteten
, lange nachdem die syrische Christenheit eine revidierte
Textgestalt besaß, und sogar lange nach dem Aufkommen mancher
gelehrten und akkuraten Übersetzungen" (S. 113). Darüber
hinaus zeigt 6ich, daß auf syrischem Gebiet Jahrhunderte lang
verschiedene textliche Traditionen miteinander gerungen haben:
revidierte und archaische P.traditionen, LXX, Syro-hexaplari6
mit den jüngeren griechischen Übersetzungen am Rande und
— weit geringer — der Masoretische Text.