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Ausgabe:

1962 Nr. 9

Spalte:

675-677

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

The Midrash on Psalms 1962

Rezensent:

Bardtke, Hans

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 9

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trachtung der geschichtlichen Seinsweise des menschlichen
Geistes.

Trotzdem liest man das Buch mit viel Gewinn. Denn der
Tiefblick des echten Religionskenners und -Forschers leuchtet,
oft nur ganz nebenbei und am Rande, erhellend in Eigenart und
Wesen dieses oder jenes Phänomens hinein. Leider wird freilich
die personhaft-geschichtliche Offenbarung Gottes und alle daraus
resultierende Selbstbesinnung auf erlösende und neuschaffende
Kraft von vornherein als dogmatische Intoleranz
(z.B. der biblische Glaube Luthers und der lutherischen Kirche!)
gewertet und verurteilt (25). Damit aber wird das eigentliche
Wesen und die Bedeutung echter Toleranz, auch die letzte Begründung
aller Intoleranz, verkannt und das spannungsgeladene
Verhältnis beider vorzeitig aufgehoben.

Hof/Saale Werner Schilling

Brink, H. W. van den: Het gedenken. Een Studie over de yoga in
de Bhagavad-Gita met enkele vergelijkende bijbelse aantekeningen.
Nederlands Theologisdi Tijdschrift 16, 1962 S. 241—256.

ALTES TESTAMENT

Braude, William G., Rabbi: The Midrash on Psalms. Translated
from the Hebrew and Aramaic. 2 Bde. New Häven: Yale Univereity
Press 1959. XXXVI, 563 u. V, 630 S. 8° = Yale Judaica Series,
ed. L. Nemoy, XIII, 1,2. Je Lw. $ 15.-.

Angesichts dieser neuen Übersetzung des Midrasch zu den
Psalmen, die in einer schönen zweibändigen Ausgabe vorgelegt
worden ist, wird man der ersten und einzigen deutschen Übersetzung
gedenken müssen, die einst August Wünsche 1892 in
zwei Bänden (Midrasch Tehillim oder Haggadische Erklärung der
Psalmen nach der Textausgabe von Salomon Buber zum ersten
Male ins Deutsche übersetzt und mit Noten und Quellenangaben
versehen. Band I Trier 1892 (363 S.), II ebenda 1893
(256 S.) darbot. Audi die Übersetzung von Braude ist nach der
Ausgabe des hebräischen Textes von Buber gefertigt worden.
Allerdings sagt der Verfasser (S. XXX, Anm. 34), daß er von
Zeit zu Zeit die älteren Ausgaben des Midrasch Tehillim herangezogen
habe, dabei aber keine wesentlichen Unterschiede
zwischen ihrem und dem Buberschen Text feststellen konnte.
Dennoch beurteilte er Bubers Ausgabe als eine kritischen Ansprüchen
nicht genügende Leistung (S. XXXI, Anm. 36). Ähnlich
wird die Leistung Wünsches kritisiert. Seine Übersetzung sei
wörtlich bis zur Unverständlichkeit. Dunkle Stellen werden nicht
erklärt, und falsche Zitate, die z. T. auf Druckfehlern beruhen,
werden aus Bubers Ausgabe übernommen. Braude meint, daß
Wünsche in seiner regen und fruchtbaren Übersetzertätigkeit,
die zahlreiches jüdisches Schrifttum erschloß, nicht genügend
Zeit gefunden habe, die einzelnen Stellenzitate nachzuprüfen.
Man darf darüber hinaus nicht vergessen, daß Wünsches Übersetzung
auch sehr schnell gearbeitet worden ist. 1891 erschien
die Textausgabe von Buber, schon 1892 lag der erste Band der
Übersetzung vor, ein Jahr später der zweite. Das ist freilich ein
zu schnelles Arbeitstempo gewesen. Trotzdem bleibt die deutsche
Übersetzung von Wünsche in weiten Strecken, soweit ich
beide Leistungen vergleichen konnte, brauchbar. Braude selbst
zitiert nicht die Übersetzung von Wünsche in seinen Anmerkungen
.

Braudes Übersetzungswerk hat gegenüber Wünsches Leistung
den Vorzug, viel breiter und großzügiger angelegt zu
sein. Er hat viele Jahre Arbeit daran gewendet und sich der
Mithilfe eines großen Personenkreises erfreuen können. Am
Ende nennt er einunddreißig Namen von Personen, die ihn in
verschiedener Weise unterstützt haben. In den Anmerkungen
zur Übersetzung bezeichnet er gewissenhaft diejenigen Beiträge
oder Erklärungen, die das geistige Eigentum seiner Freunde und
Berater sind. Das Werk ist so angelegt, daß zunächst eine
Introduction XI—XXXVI gegeben wird, dann folgen die
Übersetzungen I 1—563, II 1—388. Die restlichen 241 Seiten des
zweiten Bandes sind mit Anmerkungen und Registern ausgefüllt
. Die Anmerkungen sind z. T. ausführliche sachliche,
philologische und literarische Ausführungen zur Übersetzung.

Hier werden einzelne textkritische Fragen erläutert und Sachfragen
mit dem nötigen literarischen und archäologischen Material
behandelt. Besonders hervorzuheben sind diejenigen Noten
, an denen einzelne dunkle Stellen genau abgehandelt und
einer Klärung zugeführt werden. In diesen Noten liegt mit der
besondere Wert dieses Übersetzungswerkes, denn hier ist auch
alle neuere und neuste Literatur, oftmals sehr entlegene, verarbeitet
und zitiert. Hier zeigt der Übersetzer den Reichtum
seines Wissens und 6einer Erfahrung im Umgang mit der jüdischen
Literatur. Mandie Noten sind zu Spezialkommentaren
einiger dunklen Stellen erweitert, so etwa zu Ps 19, Anm. 25.
Hier hat Prof. O. Neugebauer von der Brown University eine
instruktive Berechnung der Tagzeitenverschiebung beigesteuert.
Hinweise auf die textkritischen Apparate der BHK3 und auf
Psalmenkommentare z.B. 11-487 Anm. 49, 515 Anm. 30 etc.
erscheinen öfter.

Auf diese gründlichen und umfassenden Anmerkungen folgt
ein Glossar mit 36 Stichworten, S. 529—532, in dem einige Ausdrücke
wie z. B. Amoraim, Atbash, Daughter ol a Voice,
Lulab u. ä. erläutert werden. Man kann etwas erstaunt sein darüber
, daß dieses Glossar für notwendig erachtet wurde, da es
für jüdische Leser ebensowenig wie für den in der Geschichte
des Judentums und 6einer Literatur wissenschaftlich Geschulten,
für den doch wohl diese Übersetzung berechnet ist, Neues bieten
dürfte. Das Bibelstellenregister umfaßt die Seiten 535—573.
Bei dem zahlreidien Vorkommen biblischer Zitate überrascht
dieser Umfang nicht. Stidrproben ergaben, daß das Register
sorgfältig gearbeitet ist. Man würde sich freilich wünschen, daß
die Namen der biblischen Bücher innerhalb des Registers etwas
größer gesetzt worden wären, um besser die Abschnitte voneinander
abzuheben. Ebenso hätten auf den Seiten, auf denen die
Stellen aus zwei Büchern 6ich begegnen, an dem oberen Seitenrand
die Namen beider Bücher gedruckt werden müssen. Das
würde unausbleibliche Irrtümer vermieden haben, denen so der
Benutzer ausgesetzt erscheint. Ein kleines Verzeichnis der
Mischnazitate S. 572/3 schließt das Stellenregister ab. Dann folgt
unter der Überschrift „ A u t h o r i t i e s" ein Verzeichnis der
erwähnten Eigennamen S. 575 — 583. Die ältesten zitierten
Lehrer sind Hillel und Schammai, die meisten der aufgeführten
Namen betreffen Lehrer des palästinischen Raumes. Aus der Zeit
nach dem Absdiluß des Talmuds werden keine Namen von
Autoritäten genannt. Das größte Register ist das der Sachen
und Namen (subjects and names) S. 5 8 5—630. Dieses Register
erschließt ähnlich wie das Bibelstellenregister großartig den
Reichtum dieses Midrasch Tehillim. Es 6ei hier nur auf einzelne
Stichwörter hingewiesen, z. B. Engel, dann der lange instruktive
Abschnitt über Gott S. 596—598. S. 612—613 wird unter dem
Stichwort Parables reiches Material für diesen Begriff geboten.
Ähnlich ist das Stichwort Thoia mit reichem Material ausgestattet
. Freilich sind keine neuen Gedanken aufgetaucht. Ähnliches
Material findet sich in verwandten Gedanken und Formulierungen
auch unter den bekannten Stichwörtern im Kommentar
von Billerbeck. Über Askese ist nur eine Stelle angegeben,
eine Ausführung zu Ps 137, Abschnitt 6 betreffend Ps 137, 5.
Die Stellen werden jeweils angegeben nach dem Psalm und dem
betreffenden Midraschabschnitt. Diese Abschnitte sind oftmals
ungleich lang. In Band II auf S. 615 wird sub voce prayer angegeben
: gates oi prayer are shut at times 4, 3, gemeint ist
Ps 4, Abschnitt 3. Letzterer beginnt auf S. 61 und reicht bis
S. 67. Hier ist zu fragen, ob nicht in diesem Fall die Seitenzahl
grundsätzlich besser gewesen wäre. Freilich hätte diese Seitenangabe
mehr Raum beansprucht, da ähnliche Fälle zahlreich sind.
Abgesehen von der Verwendung der Forschungsergebnisse der
letzten siebzig Jahre, insbesondere auf dem Gebiet der nachbiblischen
jüdischen Literatur, sind das ernste Bemühen um exegetisch
und sprachlich schwierige Stellen und die inhaltliche
Erschließung des Midrasch Tehillim durch diese Register als der
besondere Vorzug, den diese neue Übersetzung gegenüber der
von August Wünsche hat, anzuerkennen.

Auch in der Vorrede hat Braude gegenüber Wünsche mehr
Material gebracht. Während Wünsche Tund fünf Seiten auf 6eine
Einleitung verwendet, hat Braude rund fünfundzwanzig Seiten
gebraucht, um seine Bemerkungen über die Eigenart der Midra-