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Ausgabe:

1962 Nr. 9

Spalte:

673-674

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Rosenkranz, Gerhard

Titel/Untertitel:

Der Weg des Buddha 1962

Rezensent:

Mensching, Gustav

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673

Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 9

674

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Rosenkranz, Gerhard: Der Weg des Buddha. Werden und Wesen
des Buddhismus als Weltreligion. Stuttgart: Evang. Missioneverlag
1960. 356 S., 15 Abb. auf 8 Taf. gr. 8°. Lw. DM 15.80.

In diesem Buche hat man es gewissermaßen mit drei verschiedenen
Ebenen zu tun: mit den eingestreuten persönlichen
Erlebnissen des Verfassers, die er in den buddhistischen Ländern
auf seinen Reisen gewann, mit der objektiven Darstellung der
Lehren des Hinayäna und Mahäyäna und schließlich mit der
theologischen Bewertung des Buddhismus seitens des Verfassers.

Daß R. die Darstellung des historischen Weges Buddhas in
den Rahmen persönlicher Erlebnisse und Beobachtungen in den
Ländern und besonders an den heiligen Stätten des Buddhismus
fügt, beeinträchtigt den wissenschaftlichen Wert des Buches in
keiner Weise, wohl aber wird dadurch die theologische Be- bzw.
Abwertung, die der Buddhismus erfährt, um so überraschender,
da diese Erlebnisse durchaus positiv sind.

Der Aufbau des Buches geschieht in drei großen Abschnitten, die
durch die Worte ,,Aufbruch", „Wanderung", „Erfüllung" bezeichne!
werden. Der Abschnitt „Aufbruch" (S. 18—141) enthält eine Darstellung
der Anfänge des Hinayäna und des Mahäyäna. Im Abschnitt
„Wanderung" (S. 142—18 5) behandelt der Verfasser die Ausbreitung
des Buddhismus in China, Korea und lapan, wo nach der Meinung
des Verfassers der Buddhismus seine „Erfüllung" fand; denn der mit
diesem Worte überschriebene Abschnitt (S. 186—319) bietet detaillierte
Abhandlungen über die großen japanischen Sekten des Tendai-,
Shingon-, Zen-, Amida- und Nichiren-Buddhismus, die als „Weg der
Gesammelten Beschauung" (Tendai), als „Weg der Magischen Durchdringung
" (Shingon), als „Weg der Mystischen Wesensschau" (Zen),
als „Weg der Gläubigen Hingabe" (Amida) und als „Weg des Kämpferischen
Glaubens (Nichiren) verstanden weiden und als „Kundgebungen
der verschiedenen Möglichkeiten, die das Mahäyäna der
Erlösungssehnsucht bietet" (S. 175) aufgefaßt werden. Ein kurzer Abschnitt
„Begegnung" (S. 320—339) ist hinzugefügt, der unter der
Überschrift „Buddha-Lehre und Christus-Botschaft" jene theologische
Stellungnahme enthält, von der oben die Rede war.

G. Rosenkranz erweist sich in diesem vorzüglich geschriebenen
Buch ak hervorragender Kenner der weitverzweigten
Welt des Buddhismus. Seine Ausführungen, reich durch Quellenangaben
primärer und sekundärer Art belegt und durch 15 eindrucksvolle
Abbildungen verdeutlicht, zeugen von einem geradezu
liebevollen und tief verstehenden Einfühlen in die buddhistische
Glaubenswelt und vermögen daher auch den Leser
zum Verständnis der vielfach so befremdlichen Lehren der vielen
buddhistischen Sekten und ihrer Lebenskräfte zu führen.

Es ist selbstverständlich das gute Recht des Verfassers, zumal
wenn er MissionswiS6enschaftler i6t, sein und seiner eigenen Religion
Verhältnis zu der dargestellten Religion zum Ausdruck zu bringen.
Der Verfasser ist zwar der Versuchung entgangen, der so viele theologische
Autoren religionsgcschichtlicher Arbeiten erliegen, die eigene
religiöse Haltung und die für sie maßgebenden Werte in der Darstellung
religionsgcschichtlicher Gegebenheiten selbst bereits sich auswirken
zu lassen. Das geschieht hier, wie gesagt, nicht. Man kann in
dieser Hinsicht die Objektivität des Verfassers nur bewundern. Um
so erstaunter ist man jedoch, wenn man dann, in jenem letzten Abschnitt
z.B. S. 331 einer radikalen Entgegensetzung des buddhistischen
Mythos und der „biblischen Botschaft" begegnet: „Sie (die Buddhisten
) nehmen als Glaubenswirklichkeit, was Mythos, Zweckdeutung
JjjW zutiefst Illusion ist." R. stellt dem buddhistischen Mythos die
oiristlichc Botschaft entgegen, nämlich die „Botschaft vom Heils-
nandeln Gottes", „der in Icsus von Nazareth in die Gesdiichte eingingen
, im auferstandenen und erhöhten Christus gegenwärtig ist
und Versöhnung schenkt" ($.331 f.). Müßte in einem Wissenschaften
Werke nicht deutlich gemacht werden, daß es sich dabei um
[ine Glaubensentscheidung handelt? Was gibt uns das wissenschaftlich
f gründbare Recht, wie Rosenkranz Seite 335 gegenüber einer Religion
wie dem Buddhismus „sein Nein gegen die Selbsttäuschung des
mach (Z"^ sPredlcn' der sicn sc™ eigenen Götter und Heilsideen
ralis A-n^ damit das Zie' verfehlt"? Nicht einmal eine revelatio gene-
Seit C'°C'1 Luther noch kannte, scheint er anzuerkennen, wenn er
rounVd7 s*reibt: -so Kcwiß d«r Christ in ihr (d.h. in der Umfor-
Werk u H'nayana zum Mahäyäna) das menschliche Verlangen am
dcr vf' j vom Dienst vergänglichen Wesens zur herrlichen Freiheit
.nd" Gottes' zu kommen, es kommt der biblischen Botschaft
ln nichts entgegen - außer dem .ängstlichen Harren' des Menschen
in der scheinbaren Sicherheit des Buddha-Weges". „Kompromisse
und Synthesen", wie sie im Buddhismus üblich sind, gibt es
nach der Meinung des Verfassers, im Christentum nicht, obwohl sich
doch nachweisen läßt, daß auch das Christentum eine synkretistische
Religion ist (vgl. R. Bultmann, Das Urchristentum im Rahmen der antiken
Religionen 19542).

Diese Bedenken beziehen sich ausschließlich auf den letzten
kurzen Abschnitt. Der eigentliche Inhalt des Buches ist eine so
differenzierte und verständnisvolle Darstellung des Buddhismus,
daß das Werk m. E. zu den besten deutschspiachigen Untersuchungen
über die inneren Lebenskräfte des Buddhismus gehört.

Bonn Gustar Mensch ing

H a u e r, J. W.: Toleranz und Intoleranz in den nichtchristlichen Religionen
. Beitrag zu einer weltgeschichtlichen Betrachtung der Religion
. Stuttgart: Kohlhammer [1961]. 104 S. gr. 8°. Kart. DM 9.50.

Das Buch zielt auf „neue Aufgaben" für eine „gegenwartsnahe
Religionswissenschaft", besonders auf die Herausstellung
einer „universalen-geschichtskritisch-positiven" Toleranz. Wählend
z. B. noch R. Otto, F. Heiler, G. Mensching u. a. die Toleranz
mit stufenweiser Offenbarung und „verstehender" Haltung
begründen, wobei Christus immer noch höchste Erfüllung der
Religion bleibt, wird hier im Gegensatz dazu das Heil als religiöse
Lebenserfüllung im jeweiligen geschichtlichen Schicksal
erfaßt. Daraus resultiert „positive" Toleranz, die alle Religion
als „schicksalsbedingte Gestaltwerdung" des Religiösen
(91) erkennt und dementsprechend die ganze Religionsgeschichte
als Heilsge6chichte ansieht (7).

Zunächst werden die Religionen der Indogermanen, dann die der
semitisch-vorderasiatischen Völker, später die islamische Mystik und
die fernöstliche Religionswelt behandelt. Indien wird ein besonderer
Abschnitt gewidmet. Leitend ist dabei überall das vorgefaßte Dogma:
Alle indogermanischen Religionen streben nach Toleranz, alle vorderasiatisch
-semitischen dagegen, und auch die fernöstlichen, zeigen ausgesprochene
Intoleranz! Es spricht aber für die wissenschaftlichen
Qualitäten und die Ehrlichkeit des Verfassers, des nunmehr 80-jährigen
J. W. Hauer, daß er in keiner Weise eklektisch verfährt und nirgends
die seiner Theorie unbequemen Tatbestände verschweigt. Z. B.
gibt Hauer selber zu, daß auch Indien von Glaubenskämpfen nicht
verschont blieb (45), daß die Ordnung der Kaste schlechthin intolerant
sei (75), daß im Visnuismus sich intolerante Haltung breitgemacht
habe (71), daß Deussen sogar einmal im Blick auf bestimmte Verhältnisse
den Satz formen konnte: „Extra vedos nulla Salus". Da«
vorgeführte Material zeigt jedenfalls da wie dort Toleranz und Intoleranz
. Insofern zeugt das Buch gegen seine eigene These. Alle Intoleranz
auf indogermanischem Boden wird aber jedesmal als „nicht
typisch" für diesen Raum hingestellt (71), während sich bei den Semiten
Intoleranz „ohne Maß" (27) findet. Gleichzeitig wird den
Indogermanen als vorbildliche Toleranz angerechnet, was damit im
Grunde nichts zu tun hat, z. B. das Verhalten der Königin Sigrid
gegen den König Olaf bei dessen Heiratsantrag (24 f.). Hier geht es
"m numinose Sippenbande und Sittenwcchsel, nicht einmal um die
Frage der Existenz des anderen Gottes, geschweige denn um „Toleranz
" im Sinne von Entscheidungs-, Gewissens-, Wahrheits- und Hcils-
fragen.

Gerade hieran aber zeigt sich die dem Buche mangelnde
exakte Begriffsbestimmung. Es wird zwar ein allgemeiner
Arbeitsbegriff gegeben: „Toleranz ist das Ertragen der Anders-
heit in der Gemeinschaft" (11). Später heißt es auch einmal
besser von der Toleranz: „Die Grundfrage ist immer, ob der
religiöse Mensch auch von einer anderen Lehre überzeugt sein
könne, daß 6ie zum Heil führe" (59). Aber wenn „Toleranz"
überall dort gefunden wird, wo sie auf Grund des vorliegenden
GottesbegrifFs ohne Spannungen zur Selbstverständlichkeit
wird, also etwa dort, wo verschiedene Gottheiten doch
nur Erscheinungsformen des „Absoluten - E i n e n" (brähman)
bedeuten und man sowohl die eine als auch die andere verehren
kann und doch zum Heile kommt, so bleibt die eigentliche
Schwierigkeit unbesprochen. Denn erst wo die Wahrheitsfrage
auftaucht und im tiefsten Sinne zur Gewissens- und Gewißheitsfrage
wird (die Gottheit auch nicht nur als numinoses „Es",
als Neutrum, sondern als peTsonhafter heiliger Wille erfahren
wird), entstehen die schweren Spannungen des Toleranzproblems
. Auch die angestrebte „weltgeschichtliche" Betrachtung
der Religion darf methodisch daran nicht vorübergehen.
Denn „geschichtliche" Betrachtung bedeutet ja auch immer Be-