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Ausgabe:

1962 Nr. 8

Spalte:

625-627

Kategorie:

Kirchenfragen der Gegenwart

Autor/Hrsg.:

Hromádka, Josef Lukl

Titel/Untertitel:

Evangelium für Atheisten 1962

Rezensent:

Eisenhuth, Heinz Erich

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 8

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4. Fragestellungen und Anhaltspunkte. Der A. spielt auf
jeden Fall die Rolle einer den christlichen Glauben und die
Theologie läuternden Bewegung, indem er verhindert, eine
anthropomorphe Darstellung Gottes mit Gott selbst zu ver- I
wechseln. — Der Atheist aber muß sich der Frage stellen, ob
man nicht nach dem Grunde aller relativen Wahrheiten
suchen müsse, ob nicht der Glaube an Gott im tiefsten und j
elementarsten Verhalten des Menschen, nämlich in den Grundtatsachen
des Vertrauens und der Demut, enthalten sei, ob man
zuletzt nicht zwischen Glauben und Skepsis — dem allein echten
A. — zu wählen habe. — Der Verf. schließt mit dem Dank
an seine atheistischen Freunde, die ihn gelehrt hätten, nicht zu
betrügen. „Die radikale Kritik aller menschlichen Absolutsetzungen
war ohne Frage nötig zur Entdeckung des einzigen
echt Absoluten (70).

Ob damit nicht doch, wenn auch raffinierter, der alte Weg
des Thomismus eingeschlagen ist? „Gott ist der Zuletzt-
Gedachte, aber der Zuerst-Gelcbte" (67). Immerhin liegt der
Ton auf der Gotteswirklichkeit, nicht der Gottesidee, auf der j
Nachfolge, nicht der frommen Theorie.

Wir werden uns durch solche Studie zeigen lassen können
und müssen, einmal, daß der Atheismus als ein Leben ohne
„Gott" in zunehmendem Maße die „natürliche" Anschauung
der Menschen überhaupt geworden ist und immer mehr wird,
die genau an die Stelle der einstigen überall vorhandenen
natürlichen Gotteserkenntnis getreten ist. Der Theologe darf
nicht tun, als sei es in Wirklichkeit anders. Jetzt ist die
Entscheidungsfrage, ob wir natürliche Gotteserkenntnis doch
noch retten wollen, indem wir in der Weise de6 Verfs. den gelebten
Gott schließlich wieder in der elementarsten Grundhaltung
auch des Atheisten zu finden versuchen, oder ob wir
uns entschlossen Jesus zuwenden. Sodann müssen wir uns
das Verständnis dafür geben lassen, daß auch der als Atheist
von der religiösen „Fessel" Befreite nun die volle Verantwortung
für das Leben übernehmen kann. Gerade in dieser Hinsicht
könnten wir besonders viel von dem in diesen Essays
nur am Rande genannten Albert Camus lernen. Hier auf dem
Gebiet des verantwortlichen Tuns des Guten innerhalb der
Gesellschaft fällt am ehesten die Entscheidung zwischen Gottesglauben
und Atheismus.

Rostock Heinpich Bcnckert

H r o m ä d k a, Joseph : Evangelium für Atheisten. Berlin: Käthe Vogt
Verlag [1958]. 83 S. kl. 8° = Unterwegs. Eine evangelische Zeitbuchreihe
, H. 6. Hlw. DM 3.-.

Joseph Hromädka, 1 8 89 in Mähren geboren, wurde 1920 als
Professor für systematische Theologie an die neugegründete Theologische
Huß-Fakultät in Prag berufen. Nach der Besetzung lebte
er von 1939—1947 in der Emigration und war Gastprofessor am j
Theologischen Seminar in Princeton. 1950 kehrte er wieder zurück
und ist seitdem Dekan der Theologischen Fakultät in Prag.
Er gehört führend zum Weltkirchenrat, zum reformierten Weltbund
und zum Weltfriedensrat. Er erhielt den Lenin-Friedenspreis
in Moskau und im Oktober 1959 die theologische Ehrendoktorwürde
von der Humboldt-Universität in Berlin. Seit Jahren tritt
er auch bei seinen zahlreichen Besuchen in Deutschland dafür ein, j
daß die Christenheit ihre Aufgabe innerhalb der sozialistischen
Gesellschaftsordnung recht begreife.

In dieser Veröffentlichung sind drei Arbeiten von ihm enthalten
: Eine Abhandlung „Evangelium für Atheisten, Auf der
Suche nach echter Existenz"; eine Predigt und ein Brief an Karl
Barth zu dessen 70. Geburtstag (1956).

In einem Nachwort schreibt Karl Barth von dem ersten Aufsatz
, daß es ihm dabei ergangen sei wie bei einem Flug über ein
wunderbar beleuchtetes Wolkenmeer. Er habe zwar oft nicht klar
alles unterscheiden und erkennen können, ob unter ihm Wolken,
Täler oder Meere seien, aber die Richtung der Fahrt sei deutlich.
„Sie ist auch die meine."

Diese innere Übereinstimmung bestätigt sich sehr deutlich
auch durch den Brief, den Barth „an einen Pfarrer in der DDR"
(Zollikon-Zürich 195 8) geschrieben hat. Hier rät Karl Barth, dem
Unglauben des Atheisten „mit einem fröhlichen Unglauben an die
Möglichkeit dieses seines Unternehmens zu begegnen". „Es möchte I

Ihnen gegeben sein, wie sich selbst, so auch ihre Atheisten getrost
zu Gott zu rechnen, als sein Eigentum anzusprechen" (19).
Was Barth in seinem kurzen Nachwort andeutet, hat er in diesem
ausführlichen Brief (45 Seiten) helfend begründet. Dies alles
macht seine Zustimmung zu dieser Schrift seines tschechoslowakischen
Freundes verständlich, an den er 1938 jenen berühmten
Brief in der Tschechen-Krise geschrieben hat. „Hromädka ist mir
am kleinen Finger lieber als gewisse andere Zeitgenossen und
ihnen gegenüber möchte ich ihn mit keiner Zeile preisgeben" (80).

Ernst zu nehmende Tatsachen. Für die Stellung
dem heutigen Atheismus gegenüber sind Hromädka drei
Tatsachen wichtig, die auch vom Christen ernst zu nehmen sind:
Die Oktober-Revolution 1917. Sie ist nur im Rahmen der mit
dem l. Weltkrieg beginnenden Weltrevolution zu betrachten.
.•Das ganze Europa hat zu der Entstehung der russischen Umwälzung
beigetragen" (11).

Der Atheismus hat im Kommunismus zwei Wurzeln. Während
der westliche Atheismus negativ und skeptisch ist bis hin
zum Existentialismus, ist der russische Atheismus eine Sache des
Glaubens, der sich ganz in den Dienst der Befreiung des unterdrückten
Menschen gestellt hat. Die zweite Wurzel ist der Protest
gegen ein Staatskirchentum, das nicht nur getrennt war von
dem revolutionären Arbeiter, sondern im Grunde auch von dem
wirklichen Evangelium.

Die zweite Tatsache ist das Erwachen der nichtchristlichen
Völker in Asien und Afrika. Bei ihnen ist die Befreiung von dem
Kolonialismus sehr eng verbunden mit einem Kampf gegen die
Völker, die sich nominell christlich nennen.

Die dritte Tatsache ist die geistige Erschlaffung des traditionellen
Kirchentums. Die tiefste Erkrankung sieht Hromädka
darin, das sogenannte Christentum gegen die sogenannten atheistischen
Staaten zu mobilisieren (19).

Perspektive und Begegnung. Zweierlei ist
wichtig: den Atheisten richtig zu sehen und nach der Ebene zu
suchen, ihm zu begegnen. Zunächst versteht Hromädka den gottlosen
Menschen weithin als eine Folge der gottlosen Kirche.
Die Christen müssen in den Abgrund des menschlichen Lebens
hinunter steigen, det durch sie mitverschuldet worden ist. Es geht
nicht um eine Kampffront Jesu Christi gegen die Atheisten.
„Das Evangelium von dem Wege Gottes zum Menschen . ..
warnt vor jeder Kampffront" und vor weltanschaulichen Kreuz-
zugen (24). Der Unglaube, gegen den der Glaube eine Front zu
bilden hat, geht mitten durch die Christenheit hindurch. Es
lassen sich auch frühere Positionen aus der Zeit der Bekennenden
Kirche nicht einfach wiederholen. Gerade in dem Brief an
Karl Barth spricht Hromädka seine Verwunderung darüber aus,
daß sich manche Bekenntnistheologen so verständnislos in der
heutigen Zeit entscheiden (63).

Es kommt Hromädka vor allem darauf an, daß zunächst einmal
die seit langem eingesetzte Entgöttlichung des Denkens und
Handelns gesehen wird. Im Blick auf den Unglauben befinden
sich die Christen mit den Atheisten auf dem gleichen Schiff, „auf
dem sie über den Ozean der gegenwärtig akuten Lebensgefahr
der Menschheit fahren" (36). Für den Christen gibt es daher gar
keinen Grund zu irgendeiner Selbstsicherheit. Die Ebene, auf der
sich der Christ mit dem Atheisten treffen kann, ist das Verständnis
für das gefährdete Menschentum (37) und das Ringen um
seine Gegenwart und Zukunft (42). Wie es keinen christlichen
Staat gibt, 60 gibt es auch keinen atheistischen Staat (44).
Dem Atheisten darf der Christ, wenn er sich mit ihm solidarisch
für die Rettung des Menschen einsetzt, bezeugen, daß das Evangelium
eine Lebensmacht ist, „ohne die der Mensch in der neuen
Gesellschaft arm wäre und dürsten würde". Ein gläubiger Christ
kann einem Kommunisten nur in dieser Weise sinnvoll begegnen
und ihm wahrhaftig helfen (43).

Hromädka ist tief davon überzeugt, daß „die Sendung einer
echten Kirche gerade in einer sozialistischen Gesellschaft majestätisch
groß ist" und daß es für ihren Dienst keine Grenzen
gibt (48 f.).

Die Nachfolge Christi im Geben. In seiner
Predigt, die er unter dieses Thema stellt, legt er das Wort aus
„Geben ist seliger denn nehmen" Apostelgesch. 20, 35. Die
Kirche hat das, was sie im Evangelium empfangen hat, einfach