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1962 Nr. 8

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Kirchengeschichte: Neuzeit

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 8

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Strom 6eine« religiösen Subjektivismus herausziehen konnte,
d. h. daß sich seine Geistigkeit nicht allein vom religiösen Subjektivismus
verstehen läßt, so wird man dem „strengen" Pietismus
nur gerecht, wenn man sieht, daß hier eine partielle
Wiedergewinnung urchristlicher und d. h. neutestamentlicher
Motive vorliegt. Mit rein immanenten, religionspsychologischen
Methoden kann man das Wesen dieses Aufbruchs, zumindest
seine innersten Motive, nicht erfassen. Eine Psychologie des
Pietismus bzw. die Anwendung der Typologisierung als Arbeitsmethode
kann vieles überraschend einsichtig machen, aber doch
nur bei größter Behutsamkeit, die einleuchtenden und scheinbar
60 naheliegenden Thesen vor allem mißtraut.

Wenn der Verfasser ausdrücklich den Versuchscharakter
seiner Untersuchung betont, was für das 1. Kapitel wohl auch
gilt, 60 schwächt das nicht das volle Gewicht 6einer Ergebnisse,
die entscheidende Vorgänge wirklich erhellt haben. Wir wissen
nun, besser begründet als bisher, daß, wie der Calvinismus bei
der Ausbildung des englischen Nationalbewußtseins mitgewirkt
hat, so der deutsche Pietismus bei der Entstehung eines spezifisch
deutschen Patriotismus.

München Erich Beyreuther

Kirsten, Hans: Una ekklesia — una doctrina — una communio.
Ökumenisches Denken bei Luther und C. F. W. Walther.
Lutherischer Rundblick 10, 1962 S. 3—27.

Kupisch, Karl: Bürgerliche Frömmigkeit im Wilhelminischen Zeitalter
.

Zeitschrift f. Religions- u. Geistesgeschichte XIV, 1962 S. 123—143.
L u i j k, Benigno van: Padre Giannicola Chiesa, Agostiniano (1695
— 1782).

Augustiniana XI, 1961 S. 583—601.
M i y a t a, Mitsuo: Der kaiserliche Faschismus und das Christentum
in Japan.

Evangelische Theologie 22, 1962 S. 208—223.

GESCHICHTE DER CHRISTLICHEN KUNST

Schwarz, Rudolf: Kirdienbau, Welt vor der Schwelle. Heidelberg:
Kerle [i960]. 352 S., 331 Abb. Geb. DM 39.—.

Am Ostermontag 1961 wurde Professor Dr.-Ing. Rudolf
Schwarz, Ordinarius für Städtebau an der Düsseldorfer Akademie,
im Alter von 62 Jahren aus dem Leben abgerufen. Schwarz war
eine der markantesten Persönlichkeiten auf dem Gebiete des
Kirchenbaus. Das vorliegende Buch, sein letztes Werk, ist in verschiedener
Hinsicht wertvoll; es ist Dokumentation und Vermächtnis
zugleich. Es handelt zwar nur von katholischen Kirchen,
ist jedoch auch für Nichtkatholiken äußerst lesenswert, bietet es
doch Grundsätzliches für den Kirchenbau schlechthin.

Der Verfasser breitet in diesem Buche sein Lebenswerk aus.
Seine Ausführungen gehen auf seine Anfänge als Architekt zurück
; er erläutert seine persönliche Einstellung zum Kirchenbau,
seine Bauten, Planungen und Entwürfe mit aller Gründlichkeit.
Dem zusammenhängenden Texte, der durch 331 Abbildungen
vorzüglich ergänzt wird, hat Sch. ein Verzeichnis seiner Veröffentlichungen
, die das Gebiet des Kirchenbaues oder der kirchlichen
Kunst betreffen oder angehen, beigefügt, und zwar nur solcher
Schriften — so betont der Verfasser —, „soweit sie in irgendeiner
Beziehung von grundsätzlicher Bedeutung sind". Und der
Verfasser hat in diesen Schriften wirklich Grundsätzliches und
Bedeutendes in reichem Maße mitgeteilt. So bietet uns dieses
Buch ßowohl eine Übersicht über seine Bauten, die Gedanken, die
er bei deren Errichtung hatte, wie auch über seine inhaltsreichen
Schriften, also über sein gesamtes Schaffen auf dem Gebiete des
Kirchenbaus.

Sch. erklärt einleitend, er wolle über sein Werk Rechenschaft
geben, soweit es sich um Kirchenbauten handele, „damit
andere daraus lernen können" (S. 5). Dennoch ist der Band kein
Lehrbuch im üblichen Sinne. Obwohl der Verfasser in seinem
Leben oftmals entscheidenden Einfluß auf den Kirdienbau der
Gegenwart ausgeübt hat, bietet das Buch keine Geschichte des
Kirchenbaus unserer Zeit; es verzichtet darauf, das Lebenswerk
des Verfassers in das Bauschaffen seiner Generation einzuordnen,
und beschränkt sich auf die Erläuterung seines Lebenswerkes.

Und man wird beim Lesen dieses ausgezeichneten Buches feststellen
: Es war gut, daß Sch. diese Beschränkung vorgenommen
hat. So bietet das Buch in der Interpretation der Bauten, Planungen
und Entwürfe nur Tatsächliches und begibt sich nicht auf das
Gebiet der Vermutungen darüber, was der betreffende Künstler
sich wohl bei seinem Werke gedacht hat; denn welche Gedanken
für den Baumeister entscheidend gewesen sind, darüber kann er
nur selbst Auskunft geben. Und Sch. hat das in dankenswerter
Weise getan von seinem ersten Werke bis zu seinen letzten
Entwürfen.

Es ist aber auch kein Lehrbuch in dem Sinne, daß der Verfasser
darin Anweisungen gäbe, wie Beton, Stahl, Glas und andere
Baustoffe „materialgerecht" verarbeitet würden, welcher
„Stil" für den Kirchenbau der angemessenste sei, welche Maße
und Proportionsverhältnisse anzuwenden seien. Er hat auch keine
Regeln der Ästhetik festgesetzt oder etwa dargelegt, in welcher
Weise man dem Zweck des Gebäudes, der Liturgie Raum zu geben
, Rechnung zu tragen hätte. Alle solche Anweisungen, insbesondere
alle nur auf die „Funktion" des Bauwerks und auf
originelle Effekte gerichteten Bestrebungen sind dem Wollen des
Verfassers fremd, ja, sogar zuwider. Sch. will vielmehr an genügend
zahlreichen Beispielen seines Bauschaffens darlegen, wie
bestimmte Fragen, die ihn unablässig beschäftigten, sich darin
allmählich geklärt haben.

Sch. geht vom Sinn und der Bedeutung des Baues aus. Das feste
Gegründetsein im Glauben und in der kirchlichen Gemeinschaft sind
für ihn unabdingbare Voraussetzung des Kirchenbaus. Er wendet 6ich
mit aller Deutlichkeit „gegen die Art, mit der man sich allgemein
Bauwerke aufzunehmen gewöhnt hat, nämlich die Blickweise des
Einzelnen. Der Einzelne, der da im Bauwerk umhergeht, ist von dem
Baumeister gar nicht gemeint, sondern die Gemeinde, die etwas anderes
ist als die Summe von Einzelnen, und die begabt ist, gemeinsame
und überpersönliche Gestalten hervorzubringen, die 6idi einem
nur auftun, wenn man sich selbst ohne Vorbehalt in die Gemeinde
hineinbegibt und diese Gestalten mit hervorbringt. Im Kirchenbau
haben diese Gestalten ihre Perspektive, und zwar auf den Altar hin,
und sie erschließt sich, wenn man sich in die Wir-Gestalt der Gemeinde
einfügt und aus dieser den gemeinsamen Hinblick wagt, aber
nicht in ästhetischer Absicht; der gemeinsame Hinblick auf die geliebte
Mitte ist voller Anbetung, Hingabe, Bitte und wird aus der
Mitte heraus gnadenreich und lebendig erwidert" (S. 6).

Aus dieser Grundeinstellung kommt Sch. dazu, einen Mcßkclch,
den er auf Burg Rothenfels für die dortige Kapelle arbeitete, als seine
erste Kirche zu bezeichnen (S. 12). Es sind die gleichen Leitgedanken
, aus denen heraus er als Künstler Kirchengebäude und Kapellen.
Kirchengerät und den Festplatz für den Katholikentag in Köln gestaltete
und die ihn bei der Formgebung eines Mehrzwecke-Saales
(Burg Rothenfels) wie bei der Stadtplanung Kölns entscheidend beeinflußten
. Dieses gesamte Wirken gehörte für Sch. in den Bereich
„Kirchenbau": „Meine Pläne waren .Kirchen'. Sie meinten Ardiitek-
tur im Raum der Heilsgeschichte" (S. 80).

So sind es keine ästhetischen Gesichtspunkte, die sein Schaffen
bestimmten. Sch. schien es, „daß ein Bau gar nicht als Fest für die
Augen gedacht ist, sondern als Wohnraum. Wohnen ist aber etwas
anderes als Anschauen, es wird von den Menschen mit Leib und
Seele und allen Sinnen geleistet, ist Weitung des eigenen Leibraumes
ins Breite und Hohe, ist Kommunion mit vielen anderen Menschen
in einer gemeinsamen Gestalt, Gemeinschaft in einem höheren Leib"
(S. 8). Baukunst war ihm immer „Setzung von Formen, in denen
Menschen gemeinsam sein dürfen, die Lehre der Architektur mußte
eine Gestaltlehre sein" (ebda.). „Wesen und Aufgabe der Baukunst
ist, bewohnbare Bilder zu schaffen" (S. 248).

Es ist wahrlich ein Buch, das geeignet i6t, tiefen Einblick in
das Wesen und Schaffen dieses begnadeten Mannes zu gewähren.
Sch. war eine starke Persönlichkeit, die bei Konferenzen und auf
Tagungen die Anwesenden in ihren Bann zog und oftmals unbeirrbar
die eigenen Ansichten durchsetzte. Es konnte darum nicht
ausbleiben, daß manches in diesem Buche in einer Weise dargeboten
wird, als seien die vorgetragenen Thesen absolute Wahrheiten
. Der Leser aber gewinnt dadurch sehr leicht den Eindruck,
als seien diese Ausführungen äußerst subjektiv und nur mit großen
Vorbehalten entgegenzunehmen. Die meditativen Äußerungen
bringen aber in Wirklichkeit zahlreiche Erkenntnisse, die für
jeden Kirchenbaumeister von Bedeutung sind oder doch von
Bedeutung 6ein sollten. Sch. wendet sich leidenschaftlich gegen
die „geschickte und sich auch oft überaus modern gebärdende
Romantik der Stimmungen", gegen Effekthascherei und kunst-