Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1962 Nr. 8

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

611

Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 8

612 -

haften" Einrichtungen trete nur schwach in sein Blickfeld. Den
Papst bezeichne Pico als den Vertreter dessen, der das Licht und
die Wahrheit selber ist. Er sei die Stelle, an der die geheime
Wahrheit offenbar werde. Daß aber trotz dieser Aussagen die
Lehrautorität der Kirche für ihn keine verbindliche Größe sei,
habe sich, so meint Monnerjahn, nach der Verurteilung seiner
„Konklusionen" gezeigt, als er sich sogleich daran gemacht
habe, eine Apologie zu schreiben. Andererseits gibt Monnerjahn
zu (S. 139), daß Pico, mit der Wirklichkeit des kirchlichen Lehramtes
konfrontiert, nicht zögere, sie grundsätzlich anzuerkennen
und der lehrenden Kirche den gleichen Rang zuerkenne wie der
Hl. Schrift und von der „specialis praerogativa Sacrae Scripturae
et sanctionum universalis Ecclesiae" spreche, „quibus solis con-
cedimus infallibilis veritatis excellentiam".

Scharf trenne Pico die Lehre der amtlichen Kirche von der
Lehre anderer Autoritäten. So betone er u.a.: Mit dem hl.
Thomas noch nicht einer Meinung zu sein, heiße noch nicht im
Glauben irren und es gehe nicht an, das forschende Fragen der
Theologen dadurch zu unterbinden, daß man gleich „Häresie"
schreie.

Zu der Stellung Picos innerhalb der Geschichte der Philosophie
und Theologie bemerkt Monnerjahn, daß Pico zweifellos
Plato und dem Neuplatonismus sowie den von der neuplatonischen
Philosophie herkommenden Theologen der Patristik
die stärksten Anregungen verdanke.

Abschließend skizziert Monnerjahn die Bedeutung, die Pico
für die Theologie seiner Zeit gehabt habe: Faber Stapulensis,
J. Reuchlin, K. Peutinger, J. Trithemius sind von ihm beeinflußt.
J. Colet trug seine Gedanken nach England. Durch ihn wurden
Erasmus und Thomas Morus auf Pico aufmerksam. Luthers Entwicklung
zum Reformator ging jedoch ganz eigenständig und
ohne jede Beeinflussung durch Pico vor sich. Zwingli berief sich
beim Marburger Religionsgespräch auf Pico. Grundsätzlich jedoch
hat Monnerjahn die Frage nach der Einwirkung Picos auf die
humanistische und reformatorische Bewegung ausgeklammert.
Sie bleibt eine wichtige Forschungsaufgabe. Sein Urteil über
Pico faßte Geiler von Kaisersberg in dem Satz zusammen: Hätte
der Graf doppelt so lange gelebt, er wäre größer geworden als
Augustinus. Im Gegensatz zu dieser sicherlich maßlosen Überschätzung
kommt Monnerjahn, bei aller sonstigen positiven
Würdigung, zu folgenden Urteilen (S. 194): „Pico della Miran-
dola stellte die absolute Norm der Kirche in Frage, nicht einmal
so sehr durch seinen offenen Konflikt mit der Kirche, als
durch sein Denken überhaupt. Er förderte eine Denkweise, die
von der Autorität der Kirche hinwegführte. Der Mensch, den
er verkündigte, war ein religiöser, ein christlicher, aber ein a-
kirchlicher Mensch. Das Christentum, das Pico darstellte, war
a-dogmatisch und a-sakramental. Das theologische Denken des
Grafen von Mirandola war unsicher und unklar sowohl über
die Quellen und die Norm wahrhaft christlicher Theologie als
auch über ihren Inhalt".

Nach den wertvollen Erkenntnissen, die Monnerjahn durch
seine Arbeit vermittelt hat, ist man über solche undifferenzierten
Urteile verwundert. Es sei nur an die oben erwähnten
Äußerungen Picos über Kirche und Papst erinnert, um deutlich
zu machen, daß diese Beurteilung Pico* durch Monnerjahn einer
Einschränkung bedarf.

Unangenehm berührt die sich immer wiederholende falsche
Namensschreibung des Kirchenvaters Origenes. Auf Seite 168 ist die
Zitation der Summa theologica unvollständig und der Thomas-Text
so nicht auffindbar. Es muß heißen: Pars III, Quaestio 25, art. 3
und 4.

Zusammenfassend darf man jedoch sagen, daß die Arbeit
von Monnerjahn neues Licht auf die Gestalt von Pico della
Mirandola wirft. Sein Ansatzpunkt, Pico als religiösen Denker
zu würdigen, erweist sich als fruchtbar. Zudem macht die Studie
deutlich, welche theologischen Auffassungen bei einem maßgeblichen
Vertreter des Humanismus des späten 15. Jahrhunderts
lebendig waren. Sie stellt so eine wertvolle Bereicherung der
Kirchen- und Dogmengeschichte der Jahrzehnte vor der Reformation
dar und versucht für ihren Bereich eine Antwort auf
die Frage zu geben: Wie wurde die Reformation möglich?

Freiburg/Br. Remigius B ii u m e r

Bakhuizen van den Brink, J. N.: Bible and Biblical Theo-

logy in the Early Reformation, II.

Scottish Journal of Theology 15, 1962 S. 50—65.
Fraenkel, Peter: Melanchthoniana Jubilaria: I.

Bibliotheque d'humanisme et renaissance XXIV, 1962 S. 443—478.
Rost, Gerhard: Zum Verhältnis von Naturrecht und Geschichte bei

Martin Luther.

Neue Zeitschrift für Systematische Theologie 4, 1962 S. 112—132.
S t e i t z, Heinrich: Der Thesenanschlag fand nicht statt.
Pastoralblätter 102, 1962 S. 269—275.

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

H u 11 e r, Leonhard: Compendium Locorum Theologicorum, hrsg. v.
Wolfgang Trillhaa6. Berlin: de Gruyter 1961. XII, 142 S. 8°
= Kleine Texte f. Vorlesungen u. Übungen, hrsg. v. K. Aland, 183.
DM 14.—.

Daß dieses klassische Kompendium der lutherischen Frühorthodoxie
in einem Neudruck vorliegt, wird man dem Herausgeber
sehr danken müssen. Hat man damit doch endlich wieder
einmal die Möglichkeit, sich in einer erreichbaren Ausgabe die
dogmatischen Themen jener Zeit an Hand einer unmittelbaren
Quelle vor Augen zu stellen; zumal der akademische Systematiker
wird für Seminarzwecke das Bändchen gern benutzen. Der
Herausgeber hat eine kurze Einleitung zur Biographie des Verfs.
und zur geschichtlichen Bedeutung dieses Kompendiums samt
Literaturangaben vorangestellt. Dem abgedruckten Text liegt die
Erstausgabe von 1610 zugrunde, Varianten der 3. Ausgabe von
1622 sind im Apparat vermerkt, „weil sie durchweg in die späteren
Ausgaben übergegangen sind".

Im Sinne praktischer Brauchbarkeit liegt es, daß der Hrsg.
durchweg die Verweisungen Hutters auf seine Quellen in den
Apparat verwiesen und so weit wie möglich durch entsprechende
Nachweisungen in modernen Ausgaben, bis hin zu der Melanch-
thon- Studienausgabe, ersetzt hat. Fast möchte man wünschen,
daß auch die Interpunktion modernisiert worden wäre; schon im
17. Jhdt. ist sie vereinfadit worden.

Neben einigen zwar störenden, aber sofort einsichtigen Druckfehlern
sei nur darauf hingewiesen, daß einige aus den Vorarbeiten stehen
gebliebene Notizen dem Benutzer zunächst ein Rätsel aufgeben. Die Lösung
ist folgende: S. 13, Z. 35 muß es heißen: 21 I. Joh. 1,7. 24 SD VIII,
59, S. 1035; S. 14, Z. 35: 24 ff. SD VIII, 46, S. 1031. 31 SD VII, 47,
S. 1031; S. 15, Z. 38 müssen die Angaben nach 1034 fortfallen; stattdessen
muß auf S. 16 als erste Anm. stehen: 8 ff. SD VIII, 64, S. 103 8.
— S. 17 Anm. zu Z. 2 5 könnte durch den Hinweis auf SD VIII, 8 5,
S. 1046 ergänzt werden, wo die Lutherstelle in extenso zitiert wird. —
Die Anm. auf S. 140 muß lauten: 10ff. Augustin, enn. in ps. 119,1
MSL 37, 1596 f. Dort ist sowohl l.Cor. 2, 9 zitiert, wie von der
ineffabilis beatitudo die Rede. — In der Überschrift des dritten Locus
ist dem Hrsg. zweifelhaft, ob nicht statt una persona Christi servatoris
trotz aller frühen Auflagen „salvatoris" zu lesen ist. Doch heißt es
auch in den Loci commune« (1619, S. 120) selber auch „servatoris".
womit die Frage beantwortet sein dürfte.

Greifswald Ernst Kahler

Fleisch, Paul: Victor von Strauss und Torney an August von
Arnswaldt. Briefe aus der Erweckungsbewegung in Niedersachsen
hrsg. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1960. 108 S. gr. 8° =
Studien zur Kirdienge6chichtc Niedersachsens, hrsg. v. H. Dörries,
12. DM 5.80.

Der Herausgeber hat aus den ca. 600 Briefen an August
von Arnswaldt die Briefe Rud. Wagners und Wilh. Havemanns
im Jahrbuch der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte
1957 und 1958 veröffentlicht. Nunmehr ediert er
48 Briefe, welche Victor von Strauß und Torney in den Jahren
1843 — 1851 an A. Arnswaldt gerichtet hat. Im Anhang sind
5 Briefe des hessischen Ministers Hassenpflug (1792—1862) an
Arnswaldt beigefügt worden. Zum Verständnis der Briefe gibt
der Herausgeber einen Überblick über die Lebensschicksale der
beiden Juristen Arnswaldt in Hannover (1798—1855) und Strauß
in Bückeburg (1809—1899). Beide erlebten die Erweckung zu
einer streng lutherischen Kirchlichkeit, die sie zur Beschäftigung
mit kirchlich-theologischen Fragen führte, deren Ernsthaftigkeit
und Gründlichkeit darin zum Ausdruck kam, daß beide hebräisch
lernten. Arnswald, der wegen seines schweren Asthmaleidens