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Ausgabe:

1962 Nr. 8

Spalte:

609-611

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Monnerjahn, Engelbert

Titel/Untertitel:

Giovanni Pico della Mirandola 1962

Rezensent:

Bäumer, Remigius

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 8

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KIRCHENGESCHICHTE: REFORMATIONSZEIT

E 11 w e i n, Eduard: Summus Evangelista. Die Botschaft des Johannesevangeliums
in der Auslegung Luthers. München: Kaiser 1960. 135 S.
gr. 8°. Kart. DM 8.50.

Zu von Loewenichs Buch über „Luther und das johanne-
isdie Christentum" (193 5) bekommen wir hier eine schöne Ergänzung
, deren Material überwiegend aus den — sonst immer
noch zu wenig ausgeschöpften — Predigten Luthers genommen
ist. Als Bearbeiter des Johannes-Bandes in „Luthers Evangelien-
Auslegung" (ed. E. Mühlhaupt) hat Verf. dieses Material in reicher
Fülle zur Hand. Zu ausgewählten Perikopen werden zunächst
gute exegetische Vorbemerkungen gegeben (neben Exege-
ten aus neuester Zeit werden auch Bengel und Calvin befragt).
Sodann stellt Verf. Luthers Gedanken dar, teils mehr synoptisch
, zuweilen in catenenartiger Anordnung, jedoch immer gerafft
und in hilfreicher Beleuchtung. Jeder Abschnitt stellt zum
Schluß die Frage, die ein Schlußkapitel in extenso behandelt:
Wird Luther dem Johanncsevangelium gerecht?

Die Arbeit ist ein Beitrag zu Luthers Hermeneutik. Luthers
Gabe, jeden Text feinfühlig und gehorsam abzuhören, läßt ihn
das Besondere johanneischen Denkens treffsicher erfassen: die
weitgespannte Christologie, die Jesu volle Gottheit bekennt
und — in Abwehr des auch unser Denken gefährdenden Doke-
tismus — der Menschlichkeit seines Erdenlebens nachdenkt; das
Ernstnehmen dessen also, was sich einst zugetragen hat (es geht
nicht nur um das Daß der Jesushistorie, sondern auch um ihr
Was!), jedoch immer als Botschaft an uns; die Zusammenschau
von Kreuz und Auferstehung in der Doppeldcutigkeit des Begriffs
Erhöhung; das erst am Jüngsten Tage aufzuhebende
Miteinander und Ineinander echter Gegenwärtigkeit und echter
Zukünftigkeit des Eschaton. In all dem und manchem andern
hat Luther das johanneische Zeugnis sorgsam herausgearbeitet.
Andererseits ist es nicht zu leugnen: hier legt einer das Wort
aus, dessen Interesse nicht darin besteht, ein religionsgeschichtliches
Phänomen — eben das des johanneischen Denkens —
herauszuarbeiten und isoliert darzustellen. Die verschiedenen
Stimmen des Neuen Testaments klingen, wie Luther sagt, zusammen
wie die Töne einer Harfe. So haben Johannes und die
Synoptiker, so haben auch Johannes und Paulus e i n Thema,
eine Botschaft. Man sollte dies nicht mit der Bemerkung
beiseiteschieben, daß Luther vor J. Ph. Gabler („De iusto dis-
crimine . . .") und vor allem vor der Zeit der religionsgeschichtlichen
Schule gelebt habe, hinter deren Erkenntnisse (wer wollte
da6 bestreiten?) wir nicht zurückkönnen. Aber es ist gut, daß
wir immer wieder einmal daran erinnert werden: Sacra scriptura
sui ipsius interpres — und zwar in ihrer Gesamtheit. Unsere
zünftige Exegese weiß zu wenig von der Einheit der Schrift.
Die Differenziertheit der Stimmen darf uns nicht vergessen
lassen: sie reden alle von dem einen Gott in seinen großen
Taten.

Das Büchlein bringt auch dem Prediger viel Anregung. Er
■wird auf das Wort in den Wörtern verwiesen, auf die Freudenbotschaft
vom Heil in Christus. Er bekommt teil an Luthers
farbkräftiger Meditation. Können wir auch nicht in Luthers Stil
predigen, so kann doch unser Denken und Reden an seiner
tiefgründigen Einfalt gesund werden.

Druckfehler: S. 65, Z. 15 v.u.: Cognitio und S. 67, Z. 9 v.o.:
verwegener.

Leipzig Gottfried Voigt

M

onnerjahn, Engelbert: Giovanni Pico della Mirandola. Ein Beitrag
zur philosophischen Theologie des italienischen Humanismus.
Wiesbaden: Steiner 1960. XII, 236 S. gr. 8° = Veröffentlichungen
d. Instituts f. europäische Geschichte Mainz, Bd. 20, Abt. f. abend-
länd. Religionsgeschichte, hrsg. v. J. Lortz. Lw. DM 21.—.

Giovanni Pico della Mirandola (1463-1494) gehört zu den
Geistesmännern des italienischen Humanismus, die in den letzten
Jahrzehnten das besondere Interesse der Forschung geweckt
haben. Sein Leben und Werk ist neuestens von verschiedenen
Ansatzpunkten her untersucht worden. Die Urteile über seinen
geistesgeschichtlichen Standort gehen jedoch erheblich auseinander
. E. Monnerjahn versucht in der vorliegenden Arbeit, Pico
als Vertreter einer philosophischen Theologie zu deuten. Man
versperre sich den Zugang zu ihm, wenn man seine religiöstheologische
Ausrichtung nicht beachte. Pico sei ein wesentlich
religiöser Denker und sein ganzes Werk sei zutiefst theologischer
Natur.

Nach einer Einführung in die geistig-religiöse Situation der
Zeit erörtert Monnerjahn I. die Anthropologie Picos, 2. die
daraus resultierenden Folgerungen für die Theologie, 3. die
Folgeru ngen für die Frömmigkeit, 4. Picos Theologie in ihrem
Verhältnis zur Tradition.

Als die großen Themen im Denken von Pico bezeichnet
Monnerjahn den Nachweis der Übereinstimmung der Philosophen
und Religionen aller Völker und Zeiten untereinander und
mit dem Christentum. Daneben versuche er eine Antwort zu
geben auf die Frage nach dem Ordnungsbild der Welt und dem
Wesen der Menschen.

Diese Themen, die nach unserem heutigen Verständnis vorwiegend
philosophischer Natur sind, haben nach Monnerjahn
für Pico einen ganz und gar religiösen Charakter. Eine gültige
Antwort auf diese Probleme könne nach Pico nur aus der
christlichen Offenbarung und Theologie erfolgen: Das Christentum
allein ist in der Lage, die Einheit der Welt zu realisieren
und dem Menschen über sein Wesen und seinen Weg Aufschluß
zu geben.

Nach Monnerjahn muß die Theologie, die Pico als Ideal
vorschwebt, das Kennzeichen 1. der Universalität, 2. der Einfachheit
an sich tragen. Sie solle sich öffnen für die Kirchenväter
, für die HI. Schrift und für die Philosophie, d.h. zum
außerchristlichen Denken und müsse in den Dienst der Lebensund
der Weltgestaltung treten. Einfachheit, Klarheit, überschaubare
Harmonie habe nach Pico vor allem in der Sprache zum
Ausdruck zu kommen, deren sich der Philosoph und Theologe
bedient. Für die christliche Theologie sei die Verkündigung der
Hl. Schrift des Alten und Neuen Testamentes, die der Forderung
nach Universalität und Einfachheit in unübertrefflicher Weise
gerecht werde, vorbildlich.

In der Anthropologie lehre Pico, daß der Mensch der
personale Partner Gottes ist: Er sei in gottähnlicher Weise frei
und schöpferisch, sein Schöpfertum sei Teilhabe an der schöpferischen
Tätigkeit Gottes.

Picos Weltbild stehe auf dem Boden der Tradition: Die
Erde 6ei für ihn die Mitte des Alls, dessen Ursprung Gott ist.
Er finde zwar keine einheitliche Antwort auf die Frage, in welcher
Weise Gott Ursprung und Anfang der Welt ist. Zum Teil
benutze er für die Erklärung der Entstehung der Welt in Anlehnung
an Plotin die Vorstellung der Emanation. An anderen
Stellen bezeichne er ausdrücklich Gott als den Schöpfer
der Welt. Das Wesen Gottes könne zwar nach Pico vom Menschen
begrifflich nicht erfaßt und in der menchlichen Sprache
nicht ausgedrückt werden. Trotzdem versuche er auf mancherlei
Weise das Wesen Gottes zu erkunden. Der weltimmanente Gott
sei für ihn zugleich ganz und gar transzendent. — Diese Hinweise
zeigen, daß die Aussagen Picos über Gott Gegensätze
und Spannungen aufweisen.

Monnerjahn betont, daß sich im Denken Picos die zentrale
Bedeutung der Person Christi mit wachsender Klarheit
heraushebe. Ausgangspunkt und Zentrum aller Aussagen über
Christus sei ihm der Prolog des Johannesevangeliums. Besonders
stelle er die Bedeutung der Hl. Schrift heraus. Sie sei eine
der wichtigsten Grundlagen des christlichen Lebens; nichts sei
Gott gefälliger und dem Menschen nützlicher als die Beschäftigung
mit der Bibel. Mit Recht weist Monnerjahn darauf hin,
daß Pico mit seiner Wertschätzung der HI. Schrift ohne Zweifel
zu den Bahnbrechern der humanistischen Bibelbewegung zählt.

Ein eigenes Kapitel hat Monnerjahn dem Kirchenbegriff
von Pico gewidmet. Zwar biete Pico nirgendwo in seinem Werk
eine geschlossene Ekklesiologie. Die Kirche ist nach ihm Christi
Braut und Gefährtin, 6ie empfange von Christus das Licht, wie
der Mond von der Sonne. Wenig Verständnis zeige er jedoch
für die Kirche als sakramentale Heilsanstalt. Die Wirklichkeit
der Kirche als mystischer Leib Christi mit allen ihren „leib-