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Ausgabe:

1962 Nr. 8

Spalte:

605-607

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Golega, Joseph

Titel/Untertitel:

Der Homerische Psalter 1962

Rezensent:

Werhahn, Heinz Martin

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 8

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gese des Johanneskommentars" (65—79), und 5) „Verfasser und
Abfassungszeit des Kommentars" (70—90), der um 21 s/l9 in
Alexandria begonnen wurde und mit Buch 32 (das den Text bis
13, 33 behandelt) während der Verfolgung durch Maximin
(235—237) endete. Wieviel von alledem erhalten ist, ersieht der
Leser aus der Übersicht S. 88.

Von S. 93—407 folgt dann die Übersetzung eines sehr
großen Teils des Kommentars. G. gliedert den Text durch Überschriften
in kleine Abschnitte. Um der systematischen Ordnung
willen fügt er die Fragmente aus den Catenen und aus dem Cod.
Monac. 208 jeweils an thematisch entsprechenden Stellen ein.
Aus dem gleichen Grund aber stellt er auch manche Abschnitte
um. So erscheint z. B. XIX 22 (§. 147) mit der Überschrift
„Wort und stoffliche Welt" auf S. 122 zwischen I 19 („Weisheit
und Wort") und I 26 („Das wahre und das sinnenhafte Licht").
Auf diesen Abschnitt läßt G. unter dem Titel „Weisheit Gottes"
I 34 folgen, geht von da zu I 39 über, kehrt dann aber zurück zu
I 23—24, zu I 20, I 29 und 1 27. Wer nur die Übersetzung eines
bestimmten Abschnitts sucht, muß dieses Hin und Her berücksichtigen
, über das freilich die Inhaltsangabe genau unterrichtet.

Der Schlüsselbegriff des O., „Logos", ist eigentlich unübersetzbar
. G. hilft sich damit, daß er dieses griechische Wort je
nach dem Zusammenhang mit verschiedenen deutschen Ausdrücken
wiedergibt. Dabei treten notwendig Verbindungen in
den Hintergrund, die für den griechischen Leser mit dem Wort
..Logos" gegeben waren. Auch der beste Übersetzer — und G.
übersetzt gut! — kann gerade bei O. nicht das griechische Original
ersetzen.

G. gibt zu, daß die Theologie des O. der späteren Orthodoxie
nicht konform ist; es genügt, daran zu erinnern, daß O.
die wesenhafte Subordination des Logos unter den Vater lehrte.
G. leugnet auch die gnostischen Züge bei O. nicht (sie scheinen
mir allerdings noch zahlreicher zu sein und tiefer zu gehen, als
es bei G. sichtbar wird, wenn ich auch O. keineswegs einen
Gnostiker nennen möchte). Aber G. sucht der origenistischen
Subordinationslehre (Gegensatz gegen den Monarchianimus!)
aus den Zeitumständen einen erträglichen Sinn abzugewinnen;
daß uns O. weitgehend gnostisch infiziert erscheint, sucht G. als
Ringen um eine Glaubenscrker.ntnis zu rechtfertigen (daß O. die
Werdewelt schon als „Fall" ansieht, lehnt freilich auch G. (S. 50)
ab. Es fragt sich aber, ob man mit dem Gnostischen bei O. 60
billig davon kommt.).

Wenn G .die Stellung des O. als zwischen „naiv judaisie-
renden Christen und spiritualisierenden Gnostikern" gelegen bezeichnet
, so ist das sehr wohlwollend ausgedrückt (gelegentlich
treibt O. die Spiritualisicrung weiter als Herakleon!). Das hängt
mit der Gesamthaltung der Schrift zusammen: wenn eine der
wichtigsten Schriften des immerhin von der Kirche verurteilten
O. nun in einer Sammlung „Menschen der Kirche" erscheint, so
kündigt das einen Wandel der Lage an. Daß dabei O. in manchem
gerechter beurteilt wird als von seinen alten Gegnern, soll nicht
bestritten werden.

G.s Übersetzung ist für den Erklärer des vierten Evangeliums
ebenso wie für den an der Gnosis Interessierten (soweit er nicht
das Original des O. zu lesen vermag) von großem Wert, auch
wenn man seinen dogmatischen Standpunkt nicht teilt.

Münsler/Westf. Ernst Ha e n c h e n

Golega, Joseph, D. Dr.: Der Homerische Psalter. Studien über die
dem Apolinarios von Laodikeia zugeschriebene Psalmenparaphrase.
Ettal: Buch-Kunstverlag 1960. XVI, 200 S. gT. 8° = Studia Patri-
«tica et Byzantina, hrsg. v. J. M. Hoeck, H. 6. Kart. DM 28.80.

Es ist sonderbar, wie schwer falsche Zu€chreibungen zu erschüttern
sind. Unter dem Namen des Apolinarios von Laodikeia
ging bisher — wenn auch nicht unangefochten — eine hexametrische
Psalmenparaphrase, die einem Markianos gewidmet ist,
der von G. ausgerechnet mit einem Antiapolinaristen identifiziert
werden konnte, dem hl. Presbyter Markianos von Konstantinopel
(2. H. 5. Jhdt.). G. hatte sich mit seinem ersten
Versuch (Byz. Zs. 39, 1939, S. 1-22) nicht recht durchsetzen
können. Jetzt endlich hat er seine These so gut unterbaut, daß
«ie im ganzen unanfechtbar erscheint.

Als Verfasser erschließt er einen Ägypter, der nach der
Rückkehr aus einem Exil in Konstantinopel etwa 460/70 die
Psalmenparaphrase verfaßt habe. Der Auftrag dazu stammte von
Markianos und damit aus dem Kreise der geistlichen Meloden
der Reichsmetropole. Diese Umsetzung der Psalmenverse in
Hexameter — hier zum ersten Male durchgeführt (7740) — ist
wohl ein letzter, allerdings fehlgeschlagener Versuch, einen
Psalmengesang zu ermöglichen, der einerseits der von Athana-
sios und den ihm folgenden Mönchskreisen gestellten Forderung
nach rezitativer Form des Vortrags noch einigermaßen entsprach
, anderseits im Kirchengesang dem aufkommenden Kontakion
die klassisch-alexandrinische Form des Hexameters entgegensetzte
. Doch war die Zeit für solche Versuche längst vorbei
, und das Ergebnis in der Form der vorliegenden Paraphrase
geriet so vollständig in Vergessenheit, daß schließlich byzantinische
Gelehrte — wohl auf Grund einer falsch verstandenen
Stelle bei Gregor von Nazianz (epi6t. 101; PG 37, 193 A) —
sie dem Apolinarios zuschrieben.

Dieses Ergebnis, das sich hauptsächlich auf ein« gut fundierte
Interpretation der Ilgodemgia stützt, ist im ganzen wohl
kaum anzuzweifeln, wenn auch die dabei bedeutsame Vita Mar-
ciani von Simeon dem Metaphrasten (PG 114, 429—456) nicht
so sicheren Boden bietet, wie G. möchte1. Jedenfalls ist die bisherige
Zuschreibung an Apolinarios unhaltbar geworden.

Auch gegen die letzten Einwände Scheidweilers (Byz. Zs. 49,
'956, 336—343; im Literaturverzeichnis G.s leider nicht eigens
aufgeführt) hat G. sich behaupten können (S. 10 ff.) und
nachgewiesen, daß die Paraphrase und speziell die IlQo&Ea>Qia
eine mit dem Apolinarismus nicht zu vereinbarende Christo-
lcgie und Pneumatologie vertritt. Übrigens stellt 77 8 3—97 eine
von der Symbolforschung bisher anscheinend übersehene Symbolformel
dar — natürlich metrisch stilisiert —, die nach der dogmatischen
und literarischen Präzisierung durch G. aufs neue
Beachtung verdient.

Im übrigen untersucht G. in diesem ungeheuer materialreichen
Buche nacheinander das Verhältnis der Paraphrase zu
den antiken klassischen wie nachklassischen Schriftstellern. Die
Methode der Häufung von teils nur vermuteten, teils offenkundigen
Parallelstellen oder Ausdrucksähnlichkeiten überzeugt
zwar nicht immer, erschwert aber einen evtl. Gegenbeweis und
schließt ihn sogar meist aus. Ein Abhängigkeitsverhältnis zu
Gregor von Nazianz, dem von Markianos verehrten Gründer der
(nach der Legende?) von ihm neu erbauten Anastasia - Kirche in
Konstantinopel, wird besonders deutlich. Die gleichfalls nachgewiesene
Abhängigkeit von den Dionysiaka des Nonnos2 ist
ein wesentliches Argument gegen die bisherige Zuschreibung an
Apolinarios. Jedoch hat die wenig vorher entstandene Johannes-
paraphrase des Nonnos nur geringen Einfluß ausgeübt, ist nach
Technik und Stil der Paraphrasierung jedenfalls nicht eigentliches
Vorbild gewesen.

Die Untersuchung des Stiles und des Interpretationsverfahrens
— besonders im Vergleich mit den altchristlichen
Psalmenerklärungen — gibt schließlich die Grundlage für die von
G. als Hauptziel seiner Forschungen bezeichnete Beurteilung des
zugrunde liegenden Septuagintatextes: eine Frage, die von der
Septuagintaforschung bisher kaum oder gar nicht beachtet
wurde. Als Ergebnis kann immerhin bewiesen werden, daß ein
Septuagintatext anzunehmen ist, der der unterägyptischen Rezension
des Psalters näher steht als der lukianischen, dabei am
nächsten der bohairischen Übersetzung und dem Vaticanus B.
Ein nach den Vorarbeiten G.s zu erschließender, allerdings doch
nur stark hypothetisch zu postulierender X-Text würde, so
schließt G., in Zukunft neben A, dem im gleichen Jahrhundert
wie die Paraphrase in Alexandrien entstandenen Text, ein selbständiger
Beweis für die auch die anderen ägyptischen Zeugen
des 5. Jahrhunderts kennzeichnende Textmischung der 2 sein.

') Zur Kritik vgl. R. Janin, La geographie ecclesiastique de
l'cmpire byzantin, I 3, 1953, S. 26.

5) Die maschinenschriftliche Dissertation von H. Heidacher: Quellen
und Vorbilder der Dionysiaka des Nonnos von Panopolis (Graz
1949), ist mit Recht übergangen worden, da sie zu dieser Frage nichts
Nennenswertes beiträgt.