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Ausgabe:

1962 Nr. 8

Spalte:

602-603

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Blinzler, Josef

Titel/Untertitel:

Der Prozess Jesu 1962

Rezensent:

Jeremias, Joachim

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 8

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gebnis, daß ,,der spezielle Sinn der Wendung ,im Namen' mit
iv oder im jeweils nur aus dem Zusammenhang erhoben werden
kann" (S. 25), es sich also „bei dem alttestamentlichen ,im Namen
' weithin gar nicht um eine Formel im eigentlichen Sinn,
um eine feststehende Wendung mit einer festgelegten Bedeutung
'' handelt (S. 26).

Erst im Abschnitt 2 (S. 27—36) wird „Der außerbiblische
griechische Sprachgebrauch" untersucht, wobei, weil sie des
öfteren zur Erklärung der nt Taufaussagen herangezogen worden
sind, die juristisch-finanztechnische Verwendung und vor
allem der Sprachgebrauch des ägyptischen Girowesens besonderes
Interesse beanspruchen dürfen. Der Verf. kommt mit guten
Gründen zum Ergebnis, „daß die Wendung elg (ro) övofia . . .
außerbiblisch an sich durchaus nicht die Vorstellung der Zugehörigkeit
in sich schließt" (S. 35) und insofern nicht damit zu
rechnen ist, daß „die Wendung ,auf den Namen' in den nt
Taufaussagen eine Zueignung an den Genannten" bedeuten
müßte (S. 36). Zu einem ähnlich negativen Ergebnis führt auch
der 3. Abschnitt (S. 36—42) über „Die spätjüdische Wendung
.auf den Namen'": auch das präpositionale lcschem der Rabbi-
nen dürfte mithin nicht hinter dem nt Sprachgebrauch stehen.

Wenn in Teil II (S. 42—68) „Der sachliche Hintergrund der
Wendung" zur Verhandlung steht, so ist hierbei am die Verwendung
von „im (auf den) Namen" außerhalb der Taufaussagen
gedacht, zunächst im NT selber, dem der 1. Abschnitt
(S. 42—60) gewidmet ist. In überaus sorgfältiger Untersuchung,
an Hand zahlreicher Einzelbeobachtungen (wie in der ganzen
Arbeit unter Beigabe reichlicher Anmerkungen) wird nacheinander
das „ganz überwiegend" (S. 43) sich auf Jesus beziehende
Material der Synoptiker, der Apostelgeschichte, der Paulusbriefe
und des Joh.-Ev. gesichtet. Wa6 vom Corpus Paulinum gilt:
..Im vollen Namen des Herrn Jesus Christus ist sein Herrsein
und sein fortwirkendes Heilshandeln beschlossen" (S. 57), gilt
mehr oder weniger deutlich überall. Es geht nicht um die bloße
Nennung des Namens, sondern um „die mit diesem Namen
verbundene, durch ihn angedeutete Heilswirklichkeit" (S. 60),
um den „Anschluß an Jesus als den Heilsträger" (S. 58).

Der kurze Abschnitt 2 (S. 61—67) „Im nach- und vor-
neutestamentlichen Schrifttum" wendet sich zunächst den Apostolischen
Vätern zu und verfolgt, wie die nt Verwendungs-
Weise des „im (auf den) Namen", die sich dem vorangegangenen
Sprachgebrauch gegenüber als „weithin neu" (S. 61) erwiesen
bar, in diesem Bereich der frühchristlichen Literatur nachgewirkt
bat. Sodann weist der Verf. darauf hin (S. 64—66), daß sich in
den Bilderreden der Henochapokalypse (aeth. Hen. 37—71) eine
geprägte Verwendung des „im Namen" findet, bei der „Gott
als der Garant des Heils" erscheint (S. 67), was als Vorbereitung
des nt Sprachgebrauchs gelten könne, während das anschließend
gebotene Material der Qumran- Schriften wenig ergibt
(S. 66 f.).

Damit sind nun die Grundlagen geschaffen, um in Teil III
(S. 68—96) „Form und Inhalt der neutestamentlichen Wendung
•taufen auf den (im) Namen' " zu untersuchen. Es geschieht dies
>n 3 Abschnitten, in denen nacheinander die Paulusbriefe
(S. 69-8 3), die Apostelgeschichte (S. 8 3-94) und das Matth.-Ev.
(S. 94-96) zu Worte kommen. Abschnitt 1 setzt bei 1. Kor. 1.
13—16 ein. Der Verf. gewinnt hier die Erkenntnis, daß nicht
daran gedacht sei. daß „der Täufling dem Herrn Jesus zugeeignet
wird; es ist vielmehr das Kreuzesgeschehen, da6 ihm zugeeignet
wird" (S. 71). Audi in l. Kor. 6,11 sei „deutlich, daß
der Gedanke der Zueignung an den .Herrn' nicht erscheint
(S. 73). Besondere Aufmerksamkeit wendet der Verf. — mit
Recht, obwohl hier der „Name" nicht erwähnt ist — der Stelle
Rom. 6, 3 f. zu. Ihr sind S. 73-79 bzw. 81 gewidmet, wobei
S- 75 f. auf Gal. 3,27 und S. 79 f. auf 1. Kor. 10,2 Bezug genommen
wird. Das Ergebnis ist: „taufen eis Xqiotov meint
nicht ein Eingesenktwerden in den Christus(lcib), sondern bezeichnet
das Handeln Gottes am Täufling auf das Heilsgeschehen
"'n. das mit dem Namen des Christus verbunden ist" (S. 80).
Ahnlich stehe es in Apg. und bei Matth.

Ein „Schluß" (S. 97) faßt zusammen (es folgen dann noch
S- 98 f. ein Autorenregister und S. 99-103 ein Stellenverzeichnis
). Schon die negativen Ergebnisse des Verf.s bzw. die Abgrenzungen
, die er im Verlauf seiner Arbeit vornimmt, sind
wichtig genug. Sie bringen Klärung und Förderung, indem sie
nötigen, sich von verschiedenen nidit genügend begründeten
Vermutungen zu trennen, wozu auch die weit verbreitete Meinung
gehört, die Taufe sei im NT als Übereignung an Christus
oder als Eingliederung in die Gemeinde als seinen Leib gedacht.
Nicht minder bedeutsam ist das positive Ergebnis, zu dem der
Verf. gelangt, es handle sich bei der Taufe vielmehr um die
Einfügung in das Heilsgeschehen, „das an den Namen (Jesus)
gebunden ist" (S. 97), also, wie schon der Titel sagt, um „die
Zueignung des Heils".

Bern Wilhelm Michaelis

Blinzler, Josef: Der Prozeß Jesu. Das jüdische und das römische
Gerichtsverfahren gegen Jesus Christus auf Grund der ältesten Zeugnisse
dargestellt und beurteilt. 3., stark erweit. Aufl. Regensburg:
Pustet 1960. 375 S. m. 1 Kte. gr. 8°. Kart. DM 15.50; Lw. DM 18.—.

Die erste Auflage (1951) dieser Untersuchung über den
Prozeß Jesu hat der Rezensent in ThLZ 76 (1951), Sp. 682 f.,
die zweite (1955) in ThLZ 82 (1957), Sp. 190 f. angezeigt. Daß
bereits nach fünf Jahren eine dritte Auflage erscheinen konnte,
beweist, daß diese nüchterne und zuverlässige Darbietung des
historischen Materials zur Passionsgeschichte sich einen festen
Platz in der neutestamentlichen Literatur erworben hat. Die
dritte Auflage ist von 224 auf 375 Seiten gewachsen. Das Vorwort
sagt zu den (nur zum kleineren Teil durch veränderten
Satzspiegel bewirkten) Erweiterungen: Es „wurde versucht, durch
noch ausgiebigere Berücksichtigung der neuesten Literatur und
stete kritische Auseinandersetzung mit ihr zu einem möglichst
abgewogenen Urteil zu gelangen und gleichzeitig ein annähernd
getreues Bild vom augenblicklichen Stand der Diskussion zu
geben" (5). Neu hinzugekommen sind außer einer Karte Jerusalems
zur Zeit Jesu fünf Exkurse und ein Kapitel über die
Grablegung.

Exkurs II: ..Die »Diener« des Synedriums" (84—86) ist eine
Erweiterung einer Anmerkung der 2. Aufl. ("48 A. 32). B. möchte in
den an der Verhaftung Jesu beteiligten vnrjohcu nicht Tempelleviten
'ehen, sondern Gerichtsdiener de6 Synedriums, u. a. deshalb, weil die
I empclleviten ..normalerweise nur innerhalb des Tempelbezirks Dienst
zu leisten hatten" (84). M. E. zeigt schon die Erwähnung der
axQaxrjyol tov Uqov (Lk. 22, 52, lukanische Sonderquelle), daß Jesus
von der Tcmpclpolizei gefangengenommen worden ist. Deren Mitwirkung
will B. übrigens trotz des erwähnten (fragwürdigen) Bedenkens
dann doch nicht ausschließen; er deutet die anüga (Joh. 18,3. 12) auf
Tempelleviten, ihren xl^aQX0^ (18,12) auf den Tempeloberst (71 ff.).

Exkurs X: „Zur Chronologie des Pilatus" (194—196), ebenfalls
eine erweiterte Anmerkung der 2. Aufl. (2132, A. 8). stützt die vom
Rezensenten (Jerusalem zur Zeit Jesu, II B. 1929 = 21958, 55, A. 8)
vertretene Datierung der Abberufung des Pilatus auf frühestens
Ende 36, wahrscheinlich Anfang 37, mit neuen Gründen und verteidigt
sie gegen Einwände. Die Angabe des Josephus, daß Pilatus sich
nach seiner Absetzung eilends nadi Rom begab, dort aber erst nach
dem Tod des Tiberius (16. März 37) eintraf (Ant. 18.89) erlaubt es
nicht, die Abberufung des Pilatus mit Schürcr (I 487. A. 141) auf Anfang
36 anzusetzen. Dieses unhaltbare Datum sollte allmählich aus
der Literatur verschwinden.

Exkurs XII (213—219) ist neu hinzugekommen und fragt nadi der
..Rolle des Herodes Antipas bei der Verurteilung Jesu". Mit Recht
wird die Behauptung apokrypher Schriften (Petrusevang., syr. Didas-
kalie, Thomasakten. Gamalielevang. etc.) und moderner Autoren (Karl
Bornhäuser 1947, V. E. Harlow 1954. P. Gaechter 1956, J. B. Tyson
1959) abgewiesen, daß der Anteil des Herodes Antipas an der Verurteilung
Jesu größer gewesen sei, als Lk. 23,6—12 zu erkennen gibt.
Abgesehen von anfechtbaren Exegesen von Lk. 23, 6 ff. ist der einzige
Anhalt im NT, auf den sich diese Behauptung stützen kann. Act. 4, 26 f.
Aber hier 6pielt der Wunsch herein, „möglichst viele Einzelaussagcn
des messianisch verstandenen Psalmwortes (2, 1 f.) als in Christus erfüllt
" zu erweisen (325). Außerdem macht sich bei der Belastung des
Herodes Antipas die antijüdische Tendenz geltend, die früh in die
Passionsberichte eindrang; Lk. 23, 6 ff. wirkt vertrauenswürdig, weil
die Perikope von dieser Tendenz noch frei ist.

Exkurs XV „Hat Pilatus das Bema bestiegen?" (257—262) nimmt
Stellung zu der These von A. v. Harnack. daß Ixa&ioev in Joh. 19, 13
transitiv zu verstehen sei. so daß eine Verhöhnung Jesu vorliege. An
Hand sprachlicher und sachlicher Argumente zeigt B., daß diese Deutung
nicht haltbar ist. Gegen M. Dibelius wird von der Rcchts-
geschichte her die Glaubwürdigkeit der Bema-Szene (vgl. Mt. 27, 19)