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Ausgabe:

1962 Nr. 8

Spalte:

591-593

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Metzger, Martin

Titel/Untertitel:

Die Paradieserzählung 1962

Rezensent:

Osswald, Eva

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 8

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liehen Element der Hl. Schrift, zwischen ihrem wesentlichen
Inhalt und der unwesentlichen Form zu unterscheiden", verursacht
ist. Hier sucht Schwcgler im Rahmen der durch die Enzykliken
Providentissimus Deus, Divino afflante Spiritu und auch
Humani generis gewiesenen Grenzen Abhilfe zu schaffen, und es
ist auch für den Nichtkatholiken bedeutsam zu sehen, welche befreiende
Wirkung vor allem von Divino afflante Spiritu ausgegangen
ist, nicht zuletzt durch die Möglichkeit auch für den an
seine Kirche und ihre Dezisionen gebundenen Forscher, die Ergebnisse
der neueren Literarkritik sich anzueignen. In sechs Kapiteln
wird demgemäß die Urgeschichte Gen 1—11 unter Zugrundelegung
der Quellenscheidung in J, E. P. abgehandelt, immer
mit dem Bestreben, den bleibenden religiösen Gehalt aus der
Umklammerung durch zeitbedingte Anschauungen zu lösen. Eine
Hilfsstellung bei der Durchführung der Adaptation der Offenbarung
an die „Weltanschauung" der Zeit der Erzähler leistet die
Annahme, altsteinzeitliche Erinnerungen an die Anfänge der
Menschheit seien in das kulturelle Kolorit der jungsteinzeitlichen
und altmetallzeitlichen Kulturen gekleidet (S. 128f. für Kain und
Abel), wobei freilich angesichts der von Schw. selbst angenommenen
Datierung des Jahvisten besser nicht von einer „endgilti-
gen Form" gesprochen werden sollte, die „diese Berichte" in der
Frühbronzezeit erhalten hätten. Vielleicht ist es zweckmäßig, die
für die Adaptation entscheidenden Sätze hierherzustellen:

„Was wir von dem geschriebenen Worte Gottes zu erwarten
haben und was nicht, zeigt uns unzweideutig das Beispiel und das Verhalten
des im Fleische erschienenen persönlichen Wortes Gottes, des
Gottmensdien Jesus Christus. Als Zimmermannssohn hat er den höchst
primitiven Betrieb seines Nährvaters Josef nicht modernisiert oder ertragreicher
gestaltet, sondern ihn so weitergeführt, wie er ihn übernommen
hatte. Als der durdi Zeidien und Wunder beglaubigte Prophet
hat er mit dem täglichen Leben entnommenen Gleichnissen nur die Geheimnisse
des Gottesreiches veransdiaulidit, nie aber das profane und
weltliche Wissen korrigiert oder gefördert. Was außerhalb seiner
messianischen, durch und durch religiösen Sendung lag, damit hat er sich
nicht befaßt, sondern er hat es in dem Zustand belassen, in dem er es
antraf." (S. 17 f.).

Die Durchführung im einzelnen kann hier nicht besprochen
werden, auch steht es dem Nichtkatholiken nicht zu, darüber zu
urteilen, wieweit das von dem Autor gebotene Verständnis sich
im Rahmen des „Katholischen" hält. Daß es ihm um die Vertretung
unaufgebbarer religiöser Grundsätze seiner Kirche geht,
zeigt etwa die Behandlung des Problems Eva-Maria:

„Wenn . . . Gott selbst Feindschaft aufrichtet zwischen der Schlange
und der Frau, dann verlangt es seine Ehre, daß wenigstens in einem
Fall diese Feindschaft restlos und vollkommen ist, und das trifft bei
Maria, der Mutter Jesu zu, und bei ihr allein" (S. 108).

In die gleiche Richtung weist die Behandlung des Verbums
jld, für dessen Anwendung, „da die physische Vaterschaft weniger
kontrollierbar ist", eine sakralrechtlich - zivilrechtliche
Bedeutung als möglich betont wird, so daß die Lesart des Syrus
Sinaiticus in Mtth 1, 16 das für den katholischen Glauben Anstößige
verliert (S. 239).

In einem Schlußwort wird endlich (S. 204—210) etwas zu
kurz über „Heilsgeschichte und Typik in der biblischen Urgeschichte
" gehandelt. Anmerkungen und Register beschließen
das Buch, dessen Abbildungen klar und gut herauskommen. Nur
Tafel VII, die Reproduktion eines Gilgamesch- Fragments, wird
kaum jemandem etwas nützen, da die Zeichen in der vorliegenden
Größe schwerlich entzifferbar sind. Eine kenntnisreiche und
ernsthaft ringende Veröffentlichung.

Göttingen Johannes H e in p e 1

Metzger, Martin: Die Paradieseserzählung. Die Geschichte ihrer
Auslegung von J. Clericus bis W. M. L. de Wette. Bonn: Bouvier
1959. VI, 173 S. gr. 8° — Abhandlungen z. Philosophie, Psychologie
u. Pädagogik, Bd. 16. Kart. DM 19.50.

Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine gekürzte
Wiedergabe einer von M. Noth angeregten Dissertation, die im
Jahre 1957 von der Ev.-Theol. Fakultät der Universität Bonn
angenommen wurde. Nach einigen Bemerkungen über die Aufgabe
der Untersuchung stellt der Verf. kurz die Exegese von
Gen 2 f. durch Luther, Calvin, J. Gerhard und J. Piscator dar und
versucht dann, die Auslegungsgeschichte der Paradieseserzählung
vom Ende des 17. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts unter

besonderer Berücksichtigung der jeweiligen theologie- und geistesgeschichtlichen
Voraussetzungen nachzuzeichnen, wobei er nach
Möglichkeit die Quellen selbst zu Wort kommen läßt.

Das erste Kapitel ist den verschiedenen Lösungen der literarkriti-
schen Probleme des Pentateuch, insbesondere von Gen 1—3, in dem ins
Auge gefaßten Zeitraum gewidmet.

Im nächsten Abschnitt wird gezeigt, in welcher Weise sich die Bestimmung
, der Form von Gen 2 f. für die Exegese dieses Textes auswirkt
. Dabei geht der Verf. auf die Ausleger ein, die die Paradieseserzählung
für Geschichte, Sage, einen aus Hieroglyphen in Buchstabenschrift
übertragenen Bericht, ein symbolisches Lehrgedicht oder einen
Mythos halten, wobei die Unterschiede in der Verwendung der einzelnen
Begriffe klar herausgestellt werden.

Das bisher Erarbeitete wird im dritten Kapitel unter starker Kürzung
der ursprünglichen Konzeption an einigen exegetischen Einzelproblemen
(Wesen und Bestrafung der Schlange) verdeutlicht.

Danach wendet sich der Verf. der Aufgabe zu, die hinter den verschiedenen
Auslegungen stehenden Grundauffassungen von der Schrift
zu erschließen, die vor allem von der Orthodoxie, dem englischen Deismus
und der Leibniz-Wolff'sehen Philosophie beeinflußt sind. Mit
Nachdruck wird auf die Ansichten Eichhorns hingewiesen, der zwischen
Offenbarung und Schrift unterscheidet und so, ohne die Offenbarung
anzutasten, der historisch-kritischen Erforschung des Alten Testamentes
den Weg freigibt.

Im fünften Kapitel beschäftigt sich der Verf. mit den hermeneuti-
schen Grundsätzen, die weithin in engem Zusammenhang mit der
Grundauffassung von der Schrift stehen. Hier wird besonders auf die
Wendung von der dogmatischen zur grammatisch-philologischen Auslegung
aufmerksam gemacht, wie sie sich vor allem in der Hermeneutik
des Clericus zeigt, ferner auf die Forderung Herders und Eichhorns,
die Texte von ihren jeweiligen geschichtlichen Voraussetzungen aus zu
verstehen. Außerdem wird gezeigt, wie einige Exegeten dazu übergehen,
das Alte Testament unabhängig vom Neuen Testament auszulegen.
Auch auf gewisse Ansätze zu einer religionsgeschichtlichen Betrachtung
und freilich noch tastende Versuche, die Frage nach der Verankerung
der ersten Kapitel der Genesis im Leben und im Kultus zu beantworten,
wird hingewiesen.

Abschließend geht der Verf. auf die Behandlung theologischanthropologischer
Fragen (Lirstand, Sündenfall, Erbsünde) ein. Als Ergebnis
wird herausgestellt, daß trotz mancher verheißungsvoller Neu«
ansätze die Ausleger des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts nicht
zu einem vertieften und sachgemäßeren theologischen Verstehen der
Paradieseserzählung gekommen sind.

Im Anhang ist ein Auszug aus Hermann Samuel Reimarus, Apologie
oder Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes 1767/68
nach dem im Besitz der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg
befindlichen Manuskript beigefügt. Es folgt ein Verzeichnis der Abkürzungen
und Quellen. Hier wird vor allem der Leser, der nicht ein größeres
Nachschlagewerk zur Hand hat, dem Verf. Dank dafür wissen, daß
er den Namen der Autoren die wichtigsten biographischen Daten beigefügt
hat.

Es ist nicht möglich, in einer Rezension einen Eindruck von
der Reichhaltigkeit der vorliegenden Untersuchung zu vermitteln,
die für jeden, der sich für die Geschichte der Theologie und insbesondere
der alttestamentlichen Wissenschaft interessiert, eine
Fülle von Material, das sich um ein Einzelproblcm gruppiert,
bietet. Besonders gut gelungen ist m. E. die Darstellung im letzten
Kapitel, wo die Intentionen der Ausleger von Gen 2 f. und
die geistesgeschichtlichen Beziehungen klar herausgearbeitet werden
. Hier finden sich auch des öfteren kritische Würdigungen,
die in den vorhergehenden Abschnitten nur selten und in
äußerst zurückhaltender Form begegnen, was zur Folge hat, daß
die bloße Aufreihung des Materials in manchen Teilen der
Untersuchung etwas ermüdend wirkt. Auch auf das, was die
Forschung wirklich weitergeführt hat, wird oft nicht genügend
hingewiesen. Dazu wäre gerade bei den form- und religionsgeschichtlichen
Ansätzen der Exegeten des 18. Jahrhunderts reichlich
Gelegenheit gewesen. Am Schluß vermißt man einen kurzen
Ausblick auf den weiteren Gang der Forschung.

Bei der ziemlich umfassenden Literaturkenntnis des Verfs.
fällt auf, daß bei der Behandlung der Geschichte der Pentateuch-
kritik auf keine der gängigen Einleitungen in das Alte Testament
, etwa auf die von O. Eißfeldt (2. Aufl. 1956), verwiesen
wird. Die Arbeit von R. Smend, Wilhelm Martin Leberecht de
Wettes Arbeit am Alten und am Neuen Testament, Basel. 1958,
hätte für den Druck der Dissertation wohl noch berücksichtigt
werden können, desgleichen die dritte Auflage der RGG, soweit
sie erschienen ist.