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Ausgabe:

1962

Spalte:

587-588

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Gonda, Jan

Titel/Untertitel:

Die Religionen Indiens ; I.: Veda und älterer Hinduismus 1962

Rezensent:

Lehmann, Arno

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587

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gegeneilt — im „Bauern" ist davon nicht die Rede. Aber auch
wo in ägyptischem Schrifttum von dem Ende geprochen wird,
bedeutet es eine Vernichtung der Schöpfung und Rückkehr in
den Zustand vor dieser. Sein Sinn ist also ein anderer als der
des Gerichtes, wie es die semitischen Propheten ankündigen:
Dort ist das Gericht eben nicht Ende und Ziel, sondern bringt
nur die Vernichtung der Abtrünnigen und Feinde, um die Welt
heil wieder herzustellen.

4) Kultkritische Tendenzen im „Bauern" aufzuzeigen, ist
dem Verf. m.E. nicht gelungen. Die mit Bedenken vorgetragene
Interpretation S. 62 ist zu gewaltsam, als daß sie überzeugen
könnte.

5) Den Reden des Oasenbewohners liegt gewiß keine
„Intention der geschichtlichen Fernwirkung" zugrunde (S. 74).
Die Niederschrift erfolgt weder auf Wunsch des Redners noch
auf den seines (angeblichen) göttlichen Herrn, sondern geradezu
heimlich durch den Angeredeten auf Weisung seines Königs,
der die schönen Worte hören möchte.

So scheint es mir überspitzt, die Klagen des Oasenbewohners
ak „Zeugnis einer prophetischen Bewegung im beginnenden
Mittleren Reich" zu bezeichnen, selbst wenn man die anderen
literarischen Werke dieser Zeit heranzieht. Immerhin hat
L.s kenntnisreiche Untersuchung — abgesehen von einer Fülle
interessanter Einzelbeobachtungen und anregender Deutungsvorschläge
— unsere Aufmerksamkeit auf einen neuen und bisher
wenig beachteten Zug dieses eigenartigen Literaturwerkes
gelenkt, auf einen Zug, den es mit Prophetenreden gemeinsam
hat, nämlich die eindringliche Mahnung zur sittlichen Verantwortung
des Einzelnen, die sich aus einer gegenüber der älteren
Zeit neuen Interpretation der Maat herleitet.

Am ehesten möchte man, wenn schon eine Rubrizierung
das Verständnis fördert, den Oasenbewohner als einen „Weisen
" bezeichnen, dem es „um das von Gott geordnete Leben
geht und um die aus dieser immer gültigen Ordnung sich aufdrängenden
und bedrückenden Fragen, unter Absehung von der
Geschichte" (A. Jepsen). Dabei ist die Form, in der diese
„Lehre" niedergeschrieben ist, originell und weitgehend vom
Rechtsstreit bestimmt (.vpr ist gewiß juristischer Terminus).
Daß sie einige Eigentümlichkeiten, die der Weisheit fernstehen,
wie Scheit- und Drohrede, die zentrale Stellung persönlicher
Verantwortung und den einmaligen Anlaß, über dessen Bedeutung
die Worte weit hinausführen, mit der Prophetie gemeinsam
hat, ist ein willkommenes Ergebnis des originellen Gedankens
des Verfs., sie einmal unter diesem Gesichtswinkel zu betrachten
. Der Ägyptologe empfängt dankbar diese Anregung
einer Nachbarwissenschaft.

Tübingen Hellmut B r u n nc r

Gonda, Jan: Die Religionen Indiens. I.: Veda und älterer Hinduismus
. Stuttgart: Kohlhammer [i960]. XV, 370 S. gr. 8° = Die Religionen
der Menschheit, hrsg. v. Ch. M. Schröder, Bd. 11. Lw.
DM 3 3.-.

Dieses Werk gehört zu der auf 37 Bände angelegten Reihe
„Die Religionen der Menschheit", die herauszugeben Christel
Matthias Schröder unternommen hat. In diesem Buche werden
nur der Veda und der ältere Hinduismus behandelt; ein 2.
Indien-Band soll folgen, in dem mehrere Verfasser den Buddhismus
, Jinismus, jüngeren Hinduismus und die Vorstellungswelt
der Primitiven darstellen werden. Ich meine die Hinduismus-
Literatur zu übersehen und darum sagen zu können, daß für den
Fachwissenschaftler, für den Studenten und jeden, der sich mit
Indien beschäftigen will, in diesem letzten Hinduismus-Werk
auch das beste Buch zur Verfügung steht. Das Buch ist relativ
kurz gefaßt und doch ausführlich genug; es ist eine solide
wissenschaftliche Arbeit und doch in einem auffallend lesbaren
Stil verfaßt; es ist umfassend und doch übersichtlich. Der Verf.
hat seinen Standpunkt, aber er formuliert oft sehr vorsichtig
und läßt andere Auffassungen gehörig und in vornehmer Weise
zur Geltung kommen.

Über den Stoff selber braucht hier nichts gesagt zu werden.
Wohl aber über den m. E. glücklichen Aufbau: Einleitend werden
auf 8 Seiten die Geschichte der Forschung und die Religion
der vorvedischen Inder (Ausgrabungen der Induskultur) vorgeführt
. Dann werden in 6 Kapiteln auf zusammen 347 Seiten die
indischen Religionen entfaltet: I, Veda, Brahmanen und Mächte;
II, Die Götter; III, Die Riten; IV, Religiöse und weltanschauliche
Vorstellungen und Heilsbestrebungen; V, Der ältere Hinduismus
(Gott und Götter: Quellen und historische Entwicklung,
das Pantheon, Visnu und seine Avataras, Siva und seine Familie
, Brahma, der Gottesbegriff); VI, Der ältere Hinduismus
(Das Streben nach Wohl und Heil: Karman und Samsara, Asketismus
und Lebensstufen, Dharma, soziale Ordnung, weltanschauliche
Theorien im Dienste des Heilsstrebens, Verehrung verschiedener
Wesen, Tempel und Riten, Feste, Überblick und
Ausschau).

Es schließen sich an ein Namen- und Sachverzeichnis und
ein Stellenregister. Der Index von 12 Seiten ist gut gearbeitet,
freilich sind in den Seitenangaben doch nicht alle vorkommenden
Sachbezüge vermerkt.

Auf den letzten Seiten (Überblick und Ausschau) wird über
das schwer faßbare Wesen des Hinduismus eine meisterhafte
Zusammenfassung gegeben. „Der Hinduismus ist nicht eine
Religion, sondern stellt die ganze Kultur Indiens etwa der
letzten zwanzig Jahrhunderte dar" (S. 342); er ist „ein Konglomerat
von Konfessionen"; ein „way of life", „der Hinduismus
ist, was die Hindus tun . . .". Besonders hervorzuheben ist, daß
dieses Buch so außerordentlich stoffreiche und klare Ausführungen
über das Brahman und die ganze Gottesfrage („vage
theoretische Anerkennung eines hohen, allmächtigen Gottes...",
S. 351) bringt, wie man es sonst nicht leicht findet. Da diese
Besprechung in einer theologischen Zeitschrift erscheint, mag
ausdrücklich auf die hohe Bedeutung dieses Werkes für die
Theologen hingewiesen werden. Wenn von der Trimurti-Idee
gesagt wird, daß sie „eine übrigens von der christlichen abweichende
Trinität" ist (S. 354), so ist das im Interesse der Vermeidung
billiger „Parallelen" zu begrüßen.

Halle/Saale Arno Lehmann

Devanandan, P. D.: The Changing Content of Hindu Religious
Terminology.

The Bible Translator 13, 1962 S. 59—65.

ALTES TESTAMENT

Congress Volume. Oxford 1959. Leiden: Brill i960. VIII, 3 59 S.
gr. g" = Supplements to Vetus Testamentum, ed. by the Board of
the Quarterly, Vol. VII. Lw. hfl. 46.—.

Der von P. A. H. de Boer mit bewährter Sorgfalt edierte
stattliche Band enthält die auf dem dritten Kongreß der .International
Organization for the Study of the Old Testament' vom
31. August bis zum 3. September 1959 in Oxford gehaltenen
Referate bis auf den Vortrag von F. M. Croes („Jahwe and El
aecording to new epigraphic evidence"). Die Themen umspannen
den gesamten Bereich der alttestamentlichen Wissenschaft bis hin
zu den Texten von Qumrän und den Targumen. Von den 22 Beiträgen
werden dabei die wichtigsten Arbeitsgebiete und Probleme
der gegenwärtigen alttestamentlichen Forschung berührt, so daß
der Band auch für den Nichtfachmann als ein trefflicher Einblick
in den derzeitigen Stand der alttestamentlichen Wissenschaft
wertvoll ist.

Die Arbeiten von Burrows, Engneil und Noth beschäftigen
sich vorwiegend mit methodischen Fragen: M. Burrows („The
Revised Standard Version of the Old Testament", S. 206-221)
berichtet über Probleme und- methodische Erfahrungen bei der
Arbeit an einer modernen Übersetzung des Alten Testaments. —
Grundsätzliche Erwägungen über die exegetische Methode des
Alttestamentlers vermittelt der Beitrag von I. Engnell („Metho-
dological aspects of Old Testament study", S. 13—30). E. ist der
Meinung, daß es keine spezielle theologische Methode gibt, und
lehnt die vielfach auch heute noch vorherrschende apologetische
Tendenz für die wissenschaftliche Exegese ab. Die literarkritische
Methode wird von E. — nach wie vor — als „anachronistic" angesehen
. Für allein sachgemäß hält er die .Pattern-Methode', deren
Prinzipien ausführlich dargelegt werden, wobei das Problem der
,,oral-tradition" besondere Berücksichtigung erfährt. — M. Noths
Vortrag „Der Beitrag der Archäologie zur Geschichte Israels"