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Ausgabe:

1962 Nr. 7

Spalte:

550-551

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Söhngen, Gottlieb

Titel/Untertitel:

Der Weg der abendländischen Theologie 1962

Rezensent:

Ratschow, Carl Heinz

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 7

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neuere Veröffentlichungen des Evangelischen Bundes vorhanden.) Theologie für den protestantischen Sektor unternommen hat.
Mit Recht weist K. es ab, die eigentlichen Unterschiede mit Freilich kompliziert sich der ungeheure Stoff dadurch stark. Es
Kategorien wie „Werkgerechtigkeit" oder „Kreaturvergötte- ist bewundernswert, mit welcher systematischen Stringenz den-
rung" auf römisch-katholischer Seite oder mit dem Gegensatz noch ein übersichtliches architektonisches Prinzip durchgehalten
von ,,ontologisch" zu „personalistisch" (Thielicke) erfassen zu ist. So gliedert sich jeder der drei Hauptteile, die sich mit den
wollen. Der eigentliche Unterschied liegt nach K. vielmehr dar- herkömmlichen Strukturen befassen, in zwei Kapitel, die er-
in, daß in der römisch-katholischen Theologie in bezug auf stens das Phänomen und zweitens das Problem der betreffen-
„Natur und Gnade" die metaphysische Fragestel- den Struktur behandeln. Das Phänomenkapitel gliedert sich
lung mit den ihr eigentümlichen Anliegen und Denkformen dann jeweils dreifach: in einer ersten Abteilung ist von der der
dominiert, wogegen in der evangelischen Theologie das jeweiligen Struktur in ihrer geschichtlichen Genese gestellten
„heilsgeschichtlich" und eschatologisch be- Aufgabe die Rede, in der zweiten von der besonderen Eigenart
stimmte Denken in „religiös-ethischen" Kategorien grundlegend der Struktur, in der dritten von ihrem Entwicklungsgefälle,
und maßgebend ist, wo das entscheidende Gegenüber, nach dem Das Problemkapitel gliedert sich ebenfalls dreifach: die erste
— im Blick auf die „heilsgcschichtliche" Situation — gefragt Abteilung behandelt die pseudowissenschaftliche Negativseite
wird, nicht „Natur und Gnade" heißt, sondern „Sünde und jeder Struktur, die zweite ihr theologisch-wissenschaftlich Iegi-
Gnade", so daß infolgedessen der ,,Natur"begriff nicht primär times Anliegen, die dritte ihren Wert und Beitrag für die zu
ein metaphysischer, sondern „hcilsgcschichtlich" bestimmter ist. postulierende Systematik.

(Unter dieser Vokabel, deren Sinn und Angemessenheit hier Innerhalb dieses Rahmens behandelt das Buch eine große

aus seinen inhaltlichen Darlegungen hervorgehen, arbeitet K. Fülle von Quellenmaterial und entwirft auf Grund dieser Ana-
die grundsätzliche Andersart biblisch-evangelischen Denkens, die
charakteristisch andere Fragestellung hier, auch etwa den anderen
„Natur"begriff usw. im einzelnen sprechend heraus. Die
Gratuität der Gnade braucht hiernach nicht durch die Verhältnisbestimmung
zur „Natur" gesichert zu werden, sie ist woanders
positiv genug begründet.) Dabei ist es m. E. wichtig, daß und
wie K. nach allem doch auch die „theologische Unentbehrlich-
keit der metaphysischen Betrachtungsweise und des methaphysi-
schen Naturbegriffs" (106) auch für die reformatorisch-evangelische
Theologie begründet, ferner, daß er aufzeigt, wo evangelische
Theologie auch ernsthaft von der römisch-katholischen
zu lernen hätte (168 ff.). Das sind ebenfalls nicht unwichtige

lysen wohl fundierte Anweisungen für alle theologischen Disziplinen
. Zu bedauern ist dabei, daß die äußerst strenge
historisch -systematische Gliederung manches benachbart Liegende
weit voneinander trennt. So wird die Theologie des Neuen
Testaments im § 24 behandelt, die des Alten Testaments im
§ 36. Am jeweiligen Ort ist man von der Berechtigung dieses
Vorgehens durchaus überzeugt; ein sehr strenger Kritiker
könnte jedoch fragen, ob hier nicht „übersystematisiert" worden
sei. Man muß dabei aber bedenken, daß der Verfasser ja
gerade kein Einführungsbuch in das theologische Studium geben
will. Er will Systematik treiben, und da liegt m. E. das große
Verdienst des vorliegenden Werks: daß hier einmal mit großer
Hilfen für ein fruchtbares kontroverstheologisches Gespräch. , Könnerschaft die Bedeutung der Systematischen Theologie zur
Wertvoll sind schließlich noch K.s abschließende Erwägungen der j Evidenz gebracht ist. Hier wird deutlich, daß Systematik nicht
Fragen, welche Bedeutung die aufgezeigten neuen Tendenzen, ! Registraturarbeit in einem Arsenal von Loci und Dogmen ist,
Ansätze und Vorstöße in der heutigen römisch-katholischen , sondern daß 6ie zunächst propädeutisch der ganzen theologi-
Theologie wohl für das Ganze des römischen Katholizismus ha- j sehen Einzelarbeit vorausgeht und zugrunde liegt, und daß sie
ben mögen (172 ff.). dann alle theologische Einzelarbeit teleologisch auf die Verkün-

Mlinster/Wrstfnlrn Ernst Kinder

F r i tische, Hans-Georg: Die Strukturtypen der Theologie. Eine
kritische Einführung in die Theologie. l.Aufl. 1960. Berlin: Evang.
Verlagsanstalt und Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 298 S.;
2., erweit. Aufl. 1961. Berlin: Evang. Verlagsanstalt. 299 S. gr. 8°.

digung hinzuführen und auszurichten hat, unbeschadet des
eigenen Rangs der Praktischen Theologie. Der Systematik obliegt
also auch die methodische Organisationsarbeit Im Dienst
der vierten Theologiestruktur. Angesichts der uferlos werdenden
Spezialisierung, der man nicht entgehen kann, muß ich dem
Verfasser in seiner Hauptforderung nach solcher organisierenden
Methodik rundweg zustimmen.

Das vorliegende Werk ist ein kühner Versuch. Der Ver- : Das Buch ist ergänzt durch eine für den Studenten wert-
fasser unternimmt es, den „inneren Konstruktionsplan" der ge- volle Beilage, worin Hinweise und Ratschläge für den Aufbau
samten theologischen Wissenschaft aufzuzeichnen. Er will nicht , des Studiums und für die Examensvorbereitung gegeben werden,
eine praktische Einführung in das theologische Studium geben, Der studentische Leser wird freilich nicht vergessen dürfen,
obwohl auch für diesen Zweck in dem Buch nicht wenig dar- ' daß solche Ratschläge immer nur sehr allgemein gelten können,
geboten wird; es handelt sich vielmehr um einen systematischen j Der Verfasser wird nicht erwarten, daß sein Entwurf als
Entwurf, der sich eine hohe Aufgabe stellt. Der Verfasser ver- endgültiger Grundriß sofort allgemein in Geltung kommen
langt eine neue Form organisierter wissenschaftlicher Arbeit, j wird. Das Stoffgebiet ist so groß und weit, daß sich aus der
wie sie sich allenthalben abzuzeichnen und durchzusetzen be- ; konkreten Einzelarbeit in den verschiedenen Disziplinen auch
ginnt, eine Organisationsform der wissenschaftlichen Forschung 1 recht andere Perspektiven ergeben können. Aber der Entwurf
•■auf der Basis überindividuellcr Gemeinschafts-(Team-) Arbeit" : von Hans-Georg Fritzsche wird doch, wenn ich recht sehe, eine
(S. 15); für dieses Neuverständnis der Theologie, demzufolge große Bedeutung erhalten und auch behalten als wichtiges Mo-
s'e „organisierte Auswertung aller Wissensschätzc im Dienste dell künftiger systematischer Arbeit.

der Verkündigungsaufgabe" sein muß, will er die theoretische ! Ulm a. D. UlridiMnnn
Grundlage geben.

^JitZfCTunT dk!Tl 'v ,a.b"ichnC"i U"d.*U IZ' 1 Söhn gen, Gottlieb: Der Weg der abendländischen Theologie. GründerlVfMä
'^WrtTuVtu^ „Verkundigungstheolog.e . En- * ^ ^ Mündien: ^

schließlich dieser kennt er vier verschiedene Strukturformen. ))7S g0 = ^ Salzburger Hochschulwochen. Lw. DM 8.80.

U|ese Strukturen haben 6ich geschichtlich nacheinander ent- |

wickelt und übereinander geschichtet. Fritzsche bezeichnet die Die Arbeit von Söhngen ist ebenso feinsinnig wie schwierig,

bisherigen drei Strukturen, welche in die vierte einmünden sol- Sie trägt als Vorlesung der Salzburger Hochschulwochen Vortrags-

l«D und ihr auch irgendwie implizit immer schon gedient haben. Charakter, ist aber durch größere Anmerkungen z. B. zur Frage

a's doktrinäre Theologie, als kritische Theologie, und als des Naturrechtes wie des Heilsweges der ostasiatischen Religio-

Kultur- und Bildungstheologie. nen dankenswert erweitert.

Die Methode der Untersuchung ist also zunächst durchaus Die Fragestellung dieses Uberblickes ist zwiefach gerichtet:

historisch, doch dient die historische Erhellung auf jeder Stufe a) Es geht dem Verfasser um die Fixierung der Tatsache,

unmittelbar der systematischen Erfassung. Es wird hier auf die daß die abendländische Theologie, auf dem Fundamente griechi-

Resamte Theologiegeschichte ausgedehnt, was beispielsweise , sehen Denkens gewachsen, eine Möglichkeit der Aneignung der

raiil Brunncr 1927 in seiner Religionsphilosophie evangelischer Offenbarungswahrheit des Christentums darstellt. Diese abend-