Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1962 Nr. 7

Spalte:

530-531

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Fabian, Ekkehart

Titel/Untertitel:

Dr. Gregor Brück 1557-1957 1962

Rezensent:

Lau, Franz

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

529 Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 7 530

ketzerung Savonarolas verantwortliche Renaissance-Papst Alexander
VI. wird schonungslos charakterisiert: „Die Päpste, die
eigentlich Vermittler höchster geistlicher Güter hätten 6ein
6olIen, schienen die Ewigkeitsmaßstäbe beiseite gelegt zu haben.
Unter ihnen vor allem Alexander VI., ein Papst dunkler Herkunft
, hemmungsloser Sinnlichkeit, grenzenloser Verwandtenbegünstigung
, dem Simonie, politische Treulosigkeit, Ehebruch
und Gift etwas Selbstverständliches waren" (S. 10/ll). Gieraths
setzt sich mit den Argumenten auseinander, die eine Schuld
Savonarolas beweisen sollen: Er hat das päpstliche Predigtverbot
mißachtet (S. 43), er hat die päpstliche Vorladung nach Rom
nicht befolgt, er hat entgegen päpstlicher Anordnung am rigo-
ristischen Armutsideal festgehalten (S. 44 ff.), er hat an ein
Konzil appelliert (S. 50 ff.). Gieraths stellt folgendes Ergebnis
heraus: ,.Nimmt man diese Dinge zusammen — die umstrittene
Gültigkeit der Exkommunikation, der Zweifel an dem rechtmäßigen
Pontifikat Alexanders VI. und die darauf aufgebaute
Appellation an ein allgemeines Konzil —, so ist die objektive
Schuldhaftigkeit Savonarolas sehr in Frage gestellt. Allerdings
steht im letzten das Urteil, ob und inwieweit hier objektiv
eine Schuld vorliegt oder nicht, der Kirche zu. Die subjektive
Gutgläubigkeit Savonarolas steht einwandfrei fest" (S. 52). Es
wird an die Jungfrau von Orleans erinnert, deren Haltung ebenfalls
von der katholischen Kirche durch ihre Heiligsprechung anerkannt
wurde (S. 58). Gieraths beendet seine Einleitung mit
den Sätzen: ,.Ketzer oder Heiliger? — Durch den Kirchenbann
wird das Gnadenverhältnis zu Christus nicht angetastet. Gott
richtet keinen, der nicht auch subjektiv schuldig ist. Es bestehen
keine Bedenken gegen die Annahme, daß Savonarola ein Heiliger
ist, wohl aber könnten noch Bedenken erhoben werden
gegen seine Heiligsprechung, bis die objektive Schuldfrage geklärt
ist. So wird man den geschichtlichen Tatsachen am besten
gerecht. Savonarola wurde von Anfang an als Heiliger angesehen
, die Kirche hat jedoch bisher noch keine Stellung dazu
genommen" (S. 59).

Die Texte beginnen mit persönlichen Briefen (S. 63 ff.).
Unter der Überschrift „Höhepunkte" folgen auf S. 85—228 jene
Texte, die uns in die Kämpfe 1494—97 hineinsehen lassen. Der
Abschnitt „Ausklang" (S. 229-94) bringt einen Ausschnitt aus
«einer Schrift „Triumph des Kreuzes" von 1497, seine letzte
Predigt 1498 sowie die kurz vor seiner Hinrichtung geschrie-
hene Auslegung des 50. Psalms. Besondere Bedeutung kommt
Savonarolas Verteidigung gegen die Anschuldigung des Ungehorsams
zu: Er berief sich u.a. auf acta 5, 29: „Man muß Gott
mehr gehorchen als den Menschen" und auf 2. Kor. 3,6: „Wir
sollen mehr dem Sinn des Gesetzes gehorchen, als dem Buchstaben
" (S. 202). Savonarola hielt prinzipiell am Primat des
Papstes fest und zitiert dazu die üblichen Bibelstellen Joh. 21,17,
Luk. 22, 32 und Mt. 16, 18/19 (S. 243). Die These „Der Papst
kann Alles" wird jedoch eingeschränkt: „Der Papst kann die
Taufe nicht aufheben, er kann also nicht alles. Wenn er dir das
gebieten würde und sagt, du solltest nicht beichten und nicht
Taufe empfangen, so würde ich ihm sagen: Du bist ein Ketzer,
Papst, und ich gehorche dir nicht. Der Papst kann also nicht
a"es. Dieses .alles' bedeutet, daß er alles kann/, was mit der
Absicht und dem Willen Christi übereinstimmt" (S. 251/52).
S/Wonarola hat ein charakteristisches, an Augustin erinnerndes
Petrusbild: „Petrus hat mir gezeigt, wie groß die menschliche
Schwäche ist" (S. 284). Sein eigenes Schicksal vergleicht Savonarola
mehrfach mit dem des Propheten Jeremia (bes. S. 2 52—58).

Man kann die Savonarola-Texte gerade auch als Protestant
"t"- mit größter Anteilnahme lesen. Der Vergleich Luther-
Sayonarola wird von Gieraths einmal gezogen unter Rückgriff
*w Ranke (S. 39); doch drängen sich die Parallelen mehrfach
auf: Die Einsicht in die Verderbtheit des Klerus einschließlich
des Papsttums, die Überzeugung von der Verpflichtung zur
Reform, das prophetische Selbstbewußtsein und die inneren
Zweifel an dieser Aufgabe. So könnte dieses Buch das Gespräch
zwischen den Konfessionen über Luther und die Reformation
"eu beleben. Darüberhinaus regt das Buch an zum Nachdenken
r die Frage nach dem innerkirchlichen Widerstandsrecht, die
■mmer wieder in der Kirchengeschichte gestellt worden ist.

R"»toclc Ort Harn die r

Juhasz, Koloman: Glaubensleben und Seelsorge im Banat im ausgehenden
Mittelalter.

Theologie und Glaube 52, 1962 S. 123—127.
Ypma, E.: Un traite des vices et des vertus attribue ä Michel de
Massa, O. E. S. A.

Augustiniana XI, 1961 S. 470—477.
Zumkeller, Adolar: Zur handschriftlichen Überlieferung und ursprünglichen
Textgestalt der Augustinusregel (aus dem Nachlaß des
P. Dr. Winfried Hümpfner OESA).
Augustiniana XI, 1961 S. 42 5—433.

KIRCHENGESCHICHTE: REFORMATIONSZEIT

Fabian, Ekkehart, Dr.: Dr. Gregor Brück 1557—1957. Lebensbild
und Schriftwechselverzeichnis des Reformationskanzlers I. U. D.
Gregor Heinze-Brück zu seinem 400. Todestage. Tübingen: Selbstverlag
1957. (Zu beziehen durch Osiandersche Buchh. Tübingen).
62 S., 2 Taf. 8° = Schriften z. Kirchen- u. Rechtsgeschichte, hrsg.
v. E. Fabian, 2.

-Die Schmalknldischcn Bundesabsdiiede 1530—1532 bearb. u. hrsg.
Ebda 1958. 93 S. 8° = Schriften zur Kirchen- u. Rechtsgeschichte 7.
Kart. DM 12.60.

— Die Schmalkaldischen Bundesabsdiiede 1533—1536. Mit Ausschreiben
der Bundestage und anderen archivalischen Beilagen bearb. u. hrsg.
Ebda 1958. 1 3 1 S. 8° = Schriften zur Kirchen- u. Rechtsgeschichte, 8.
Kart. DM 16.80.

Offenbar bald nach Ende des zweiten Weltkrieges hat
Ekkehart Fabian damit begonnen, sich mit dem Reformationskanzler
Gregor Brück, dessen Nachfahre er selbst ist, und mit
der Geschichte des Schmalkaldischen Bundes zu beschäftigen. Er
ist der bestimmten Meinung, daß Brück von großer Bedeutung
für das Entstehen und das weitere Werden dieses protestantischen
Zusammenschlusses gewesen ist. Er sieht es als einen
schweren Mangel an, daß einerseits keine wirklich befriedigende
Biographie von Brück vorliegt (bei aller Anerkennung der Arbeit
von Kolde 1874), daß andererseits aber das Aktenmaterial
zur Geschichte des Schmalkaldischen Bundes noch so gut wie un-
erschlossen ist. Nicht einmal das ist schon entschieden, ob die
Sammlung der Reichstagsakten, die in der jüngeren Reihe bekanntlich
bei dem Reichstag von Speier 1529 steckengeblieben
ist, wenigstens das wichtigste Material zur Bundesgeschichte
mit bringen wird (Meinung von Johannes Kühn), oder ob für die
letztere einfach darauf verwiesen werden soll, daß eine besondere
Publika tion notwendig ist. Fabian hat es sich nun offenbar
zu seiner Lebensaufgabe gesetzt, beide Aufgaben anzupacken und
zu erfüllen, und er legt stückweise das Ergebnis seiner Arbeiten
vor. Im Augenblick ist noch keines der beiden Ziele erreichbar,
weder die Ausarbeitung einer Biographie noch die Schaffung
eines Aktenwerkes zur Geschichte des Schmalkaldischen Bundes.
Zwischen 1952 und 1956 sind bereits erschienen ein Verzeichnis
des Briefwechsels von Brück, der Gefangenschaftsbriefwechsel
zwischen Johann Friedrich I. von Sachsen und Gregor Brück und
eine Arbeit über die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes
und die Geschichte seiner Verfassung von 1529 bis 1531/33.
Zur letzteren vgl. ThLZ 1958, Sp. 774. Der Anlaß, eine ganz
kurze Vita von Brück zu publizieren, war mit der 400. Wiederkehr
von Brücks Todestag im Jahre 1957 gegeben. Der Vita
vorangestellt ist eine Einleitung „Stand und Aufgabe der Brück-
Forschung", die freilich nicht viel mehr bietet als eine Zusammenstellung
von Buchverfassern. Die Titel von deren Büchern
muß man sich erst aus der Brück-Bibliographie heraussuchen.
Die Vita ist sehr knapp gehalten und läßt nicht deutlich erkennen
, worin nun die große Bedeutung des Reformationskanzlers
für die Reichsgeschichte, Rechtsgeschichte und Wissenschaftsgeschichte
besteht, von der zu Anfang die Rede war.
Das Wertvollste an dem Buche von 1957 ist die Liste der
Briefe von und an Brück, die Fabian hat ermitteln können.
Diese Liste bedeutet natürlich eine große Hilfe für jeden, der
sich ernsthaft mit Brück beschäftigen will. Aus dem offenbar
sehr umfänglichen Aktenmaterial zur Geschichte des Schmalkaldischen
Bundes sind zunächst einmal nur die Bundes-
abschiede aus der Zeit von 1530—1536 herausgenommen.
Dieser Arbeitsgrundsatz ist zu begrüßen, denn eine Edition des
gesamten Materials zur Geschichte des Schmalkaldischen Bun-