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Ausgabe:

1962 Nr. 7

Spalte:

521-524

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Reallexikon für Antike und Christentum ; Band V 1962

Rezensent:

Campenhausen, Hans

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 7

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Stengel, Edmund E.: Abhandlungen und Untersuchungen zur Hessischen
Geschichte. Marburg: Elwert i. Komm. 1960. XI, 544 S. m.
4 Abb., 11 Taf. gr. 8° = Veröffentlichungen d. Histor. Kommission
f. Hessen u. Waldeck, 26. DM 28.— ; Lw. DM 32.—.

Seit einiger Zeit ist es üblich geworden, einem Jubilar als
Festgabe eine Sammlung 6einer eigenen Arbeiten zu überreichen.
Die neue Sitte ist durchaus sinnvoll. Auf diese Weise können
manche weit zerstreuten und oft schwer zu beschaffenden Abhandlungen
, zu einem Bande vereinigt, der Forschung noch gute
Dienste leisten. Zum 80. Geburtstag Edmund Stengels sind gleich
zwei derartige Festschriften überreicht worden. Die eine unter
dem Titel ,,Abhandlungen und Untersuchungen zur mittelalterlichen
Geschichte" erschien im Verlag Böhlau (392 S.). Unter
ihren 20 Beiträgen betreffen den Kirchenhistoriker der 1. Aufsatz
über „Die Kirchenverfassung Westeuropas im Mittelalter"
und der 11. „Die Entwicklung des Kaiserprivilegs für die römische
Kirche, ein Beitrag zur ältesten Geschichte des Kirchenstaates
". Der vorliegende zweite Band enthält 17 Beiträge zur
hessischen Geschichte. Der Jubilar hat selbst seine teilweise bis
zu 50 Jahren zurückliegenden Abhandlungen durchsehen und
überarbeiten können. Auf diese Weise werden die Arbeiten, die
er der Geschichte seiner Heimat gewidmet hat, weitergeführt.
Da sie thematisch gut zueinander passen, ergibt sich ein abgerundetes
Ganzes.

Der Band gliedert sicli in 2 Teile: der erste betrifft ausschließlich
die Reichsabtei Fulda, der zweite Hessen im weiteren
Sinne. Von kirchenhistorischem Interesse sind manche Einzelheiten
aus der Frühgeschichte Fuldas, die Traditionen des Bonifatius
, das Werk des großen Abtes Hrabanus Maurus u. a. Die
Hassiaca behandeln vor allem siedlungsgeschichtliche Probleme,
aber auch in diesen finden sich starke Berührungen mit der
Kirchengeschichte.

Die Festgabe, die ein Stück Lebensarbeit des Jubilars darstellt
, wird den für das frühe Mittelalter Interessierten von großem
Nutzen sein.

Mümter/Westf. Robert Stupperich

Lohse. Bernhard: Was verstehen wir unter Dogmengeschichte innerhalb
der evangelischen Theologie?
Kerygma und Dogma 8. 1962 S. 27—45.

KIRCHEN GESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Reallexikon für Antike und Christentum. Sachwörterbuch zur
Auseinandersetzung des Christentums mit der antiken Welt. Begründet
von Frz. Jos. Dölger, Th. Klauser, H. Kruse, H. Lietzmann,
J H. Waszink, hrsg. v. Theodor K 1 a u s e r. Band V (Lfg. 33-36).
Stuttgart: Hiersemann 1960/61. 640 Sp. 4°. Je Lfg. DM 12.50.

Fast zwei Lieferungen füllt der Artikel oder vielmehr: die
Artikelserie „Engel I-X". Der literarische Teil (I-IX mit
eigenen Stichworten für Gabriel, Michael, Raphael und Uriel)
I" ganz von Johann Michl bearbeitet. Es ist ein geradezu
überwältigendes Material, das hier zusammengetragen wird und
jeden Benutzer Neues lehrt. Welche Hilfe bedeutet nicht allein
die imposante, belegte Liste der 269 Engelnamen (= „Engel V .
SP- 109-239)! Leider ist nur der umfangreichste Abschnitt,
••Engel IV (christlich)", nicht recht geschickt gegliedert. Die umständliche
, formale Einteilung bringt eigene Paragraphen über
das Wesen der Engel, ihre Beziehung zu Gott, zu Christus und
zu den Menschen, ihre Gruppen und Namen, dann die Sünde
der Engel, die Engel des Teufels, das Gericht über die Engel
und schließlich über den Engelkult. Das ist nicht sehr übersichtlich
und führt zu vielen Wiederholungen und Überschneidungen
. Die behandelten Zeiträume (es werden dankenswerterweise
mehrfach Ausblicke bis ins Mittelalter geboten) sind zu
Rr°ß. um für die einzelnen Themen eine historisch sinnvolle
Zusammenfassung zu ermöglichen.

Es ist natürlich immer eine Frage, wieweit derartige Lexikon-
^■"'kel. die vor allem das Material darbieten sollen, auch eine eigent-
Darstellung erlauben. Aber eine etwas stärkere Durchdringung
na* den rcligions- und geistesgeschichtlichen Gegebenheiten und den
kwciIs wirksamen Antrieben wäre in diesem Fall doch möglich und

erwünscht gewesen. Als problematisch empfinde ich, daß zwischen das
Spätjudentum und Christentum — wie gelegentlich auch sonst — ein
eigener Abschnitt über die Gnosis eingeschoben ist, obgleich die hier
gebotenen Zeugnisse durchweg nadichristlich sind und z. T. Christus
selber betreffen. Man gewinnt so den Eindruck, als ob die Angelologie
der Gnosis eine eigene Größe wäre und als ob die entsprechende
„christliche" Entwicklung ohne deren gnostischen Zweig überhaupt
verstanden werden könnte. Tatsächlich bringt ja das Christentum in
der Engellehre anfangs überhaupt nichts Neues, sondern ist lediglich
Erbe des Judentums; man könnte höchstens sagen, daß die Engel durch
die neue Bedeutung des Geistes hier zunächst weitgehend funktionslos
und zu bloßen literarischen Requisiten geworden sind. Eine stärkere
Entwicklung der Angelologie setzt erst durch die „gnostischen"
Antriebe wieder ein, die man dann allerdings auch schon im NT erkennen
sollte. Was hat es beispielsweise für einen Sinn, die Lehre von
dem den Engelmächten verborgenen Abstieg Christi durch die Himmelssphären
zuerst bei der Gnosis Sp. 109 und dann wieder Sp. 143 als
eine allgemein-christliche „volkstümliche" Vorstellung zu erwähnen,
dazwischen aber auf den im gleichen Sinn gemeinten und jedenfalls
wirksamen Paulustext I. Kor. 2, 8 überhaupt nicht einzugehen? Dessen
Auslegung durch D i b e 1 i u s u. a. kann man doch nicht einfach ignorieren
. — Daß Maria bei den Beziehungen der Engel zu den Menschen
Sp. 153 einen eigenen, bezifferten Abschnitt erhält, mag modernkatholischen
Bedürfnissen entsprechen, hat aber, wie seine Dürftigkeit
beweist, im altkirchlichen Denken keinen Rückhalt. Er wäre also
besser weggefallen; wenn er aber gebracht wurde, so durften die an
anderer Stelle gebotenen Nachrichten über die Engel, die Mariens
Leichnam ins Paradies tragen (Sp. 169) oder ihre Seele empfangen
(Sp. 240), hier auch nicht fehlen.

Ganz anders ist der musterhaft klare und übersichtliche
Abschnitt Klausers über die Engel in der Kunst („Engel X")
gestaltet. Hier wird — im Sinne seiner „Studien zur Entstehungsgeschichte
der christlichen Kunst" (Jb RDK I ff.) —gleich zu Anfang
festgelegt, worum es geht, nämlich „um die Frage, wieweit
die altchristliche Kunst bei der Darstellung der Engel von vor-
und außerchristlichen Vorbildern beeinflußt war" (Sp. 258).
Es folgt eine sehr bestimmte Rechtfertigung der Auswahl und
Anordnung des Materials und ein möglichst Vollständigkeit erstrebender
Katalog der Denkmäler mit 149 Nummern, dann die
Besprechung nach Themen und Darstellungsweisen, eine kurze
Übersicht über die geschichtliche Entwicklung und schließlich
die Auseinandersetzung mit abweichenden Theorien.

Der große Umschwung in der Engeldarstellung erfolgt im späten
vierten Jahrhundert: das Vorbild der mehr oder weniger verchristlich-
ten Viktorien und Genien (Flügel!) beginnt zu wirken, und gleichzeitig
lehnt sich die Darstellung des himmlischen Hofstaats in der rei-
dien und zeremoniösen Ausgestaltung (Kostüm!) an den irdischen an.
Darin spiegelt sich in erster Linie die allgemeine Kultur-Entwicklung
der Reichskirche. Ein Thema für sich bilden die anbetenden und
einladenden Engel. in der Umgebung des heiligen Kreuzes. Dagegen
wird die literarisch reich bezeugte Wirksamkeit der Engel für die
Menschen interessanterweise nur äußerst selten geschildert: die christliche
Kunst bleibt eben ganz überwiegend biblisch und heilsgeschichtlich
orientiert. Das Vorkommen nicht voll bekleideter und weiblicher
Engel wird gegen A. Beck entschieden bestritten, gegen Landsberger
auch für die jüdische Kunst. Die gelegentliche Übernahme
von (dann auch geflügelten) Putten und Personifikationen aus der Umwelt
darf nicht auf entsprechende Engelvorstellungen gedeutet werden.
Aber da auch Klaus er synkretistische Grenzfälle (Vibiagruft) zugibt
und mit möglichen Mißdeutungen durch theologisch ungebildete
Betrachter rechnet, ist der Gegensatz nicht so groß; es handelt sich
um Nuancen.

Zum Ganzen ist jetzt noch der riesige Artikel über „Engel" und
"Engelchöre" von Karl-August Wirth im Reallexikon zur deutschen
Kunstwissenschaft zu vergleichen (RDK V Sp. 341—601, 1960). Zur
Frage des Zahlenverhältnisses von Engeln und Menschen (Sp. 131)
könnte noch auf Apollinaris von Laodicea frg. 89 verwiesen werden:
Jos. Reu ss, Matthäuskommentare aus der griechischen Kirche, TU 61
(1957) 2 8. Für die entsprechenden Theorien Augustins fehlt ein Hinweis
auf B. Löhs e, Zu Augustins Engellehre, ZKG 70 (1959) 278
—291, zur Frage der Menschen, die Engel werden (Sp. 159. 161), ein
Hinweis auf den (Sp. 157 genannten) Text Mart. Polyc. 2,2; vgl.
A. v. Harnack, Zur Terminologie der Wiedergeburt usw., TU 42, 3
(1918) 134 Anm.; H. v. C a m p e n h a u s e n, Bearbeitungen und
Interpolationen des Polykarpmartyriums (1957) 11 Anm. 20. Sp. 312,
Z. 20 lies „Himmelsvisionen", Sp. 309, Z. 17 v.u. und ebenso Sp. 332,
Z. 5 v.u.; Sp. 449, Z. 12 statt des unseligen „bzw." vielmehr „oder".

Vorzüglich im kirchlichen Raum bedeutsam sind die Vorstellungen
der „Energumenoi" (K 1 a u s e r), eine den Chri-