Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1962

Spalte:

510-511

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Beek, Martinus Adrianus

Titel/Untertitel:

Auf den Wegen und Spuren des Alten Testaments 1962

Rezensent:

Bardtke, Hans

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

509

510

zu manchen Redeformen (vor allem die Synoptiker sind in ihren
Redeformen manchmal dem AT sehr nahe: Gerichtsworte,
Streitgespräche, Segensworte, Heikzusagen u.a.; fast alle Worte
des Gebets im NT schließen unmittelbar an das AT an) lebt
das NT aus dem AT. So meine ich, daß bei Paulus eine grundlegende
hermcneutische Frage bei seinem Gebrauch des Gesetzesbegriffes
einsetzen müßte: Kann die Zusammenfassung der vielen
Gebote, Gesetze und Rechtsformen in den abstrakten
Allgemeinbegriflf .Gesetz' den wirklichen alttestamentlichen Tatbestand
fassen? Wieweit trifft Paulus den alttestamentlichen
Tatbestand, wenn er das Gesetz als einen (mit Christus abgetanen
) Heilsweg versteht (S. 51)? Es wäre darauf hinzuweisen,
daß bei den Synoptikern mindestens teilweise (vgl. z. B. S. 84)
ein anderer Gesetzesbegriff bestimmend ist.

Wenn Amsler mit vollem Recht die NT-Exegese des AT
im ganzen und bis in die Einzelheiten hinein darstellt, um sie
für das Verstehen des AT in der Kirche fruchtbar zu machen,
so erhebt sich damit zugleich die Frage, worin unser Verstehen
des AT von dem im AT abweicht. S. 193 weist A. darauf hin,
daß die NT-Hermeneutik darin conforme ä celle de son epoque
ist, daß sie an der Historizität der im AT berichteten Ereignisse
nicht interessiert ist, ja, daß die Autoren des NT hierin die
traditionelle Meinung des rabbinischen Judentums teilen. Ähnliche
Hinweise begegnen öfter. Hier ist gesehen: das NTliche
Verstehen des AT hat als Verstehen an dem seiner Zeit teil;
es kann in gewissen Grenzen nicht anders verstehen als seine
Zeit. Das ist mit dem Verstehen der reformatorischen Zeit und
der Gegenwart nicht wesentlich anders. Auch das in der Kirche
sich vollziehende Verstehen von Texten der Vergangenheit
behält ein außertheologisches, zur außerkirchlichen Geistesgeschichte
gehörendes Moment. Die Notwendigkeit philologischkritischen
und historisch-kritischen Verstehens, die von A. ohne
Vorbehalt zugegeben wird, ist dadurch verursacht worden, daß
allgemein-geistesgeschichtlich das Erklären von Texten der Vergangenheit
perspektivisch gesehen wurde. Das geschichtliche
Sehen eines Textes, wie es A. sehr klar S. 195 beschreibt, ist
bestimmt durch das Bewußtwerden der Relevanz historischer
Abstände.

Auf diesem Hintergrund stelle ich eine Frage zum letzten
Teil der Untersuchung, die das spezifisch christliche Verstehen
des AT in dessen typologischer Auslegung sieht. Ist das typologische
Verstehen, wenn wir es aus dem NT übernehmen, von
dieser Wandlung des Geschichtsverständnisses nicht betroffen
? Wie die S. 217 ff. angeführten Beispiele zeigen, ist das
typologische Verstehen ATlicher Worte und Ereignisse ein
Punktuelles Verstehen, d. h. es bezieht sich vom NT her jeweils
auf einen Punkt in der AT-Heilsgeschichte. Was am Anfang als
das eigentlich Wichtige an einem Ereignis der Heilsgeschichte
bezeichnet wird, nämlich daß es in einem kontinuierlichen Kontext
steht (S. 107 ff.), in einem Gefälle, das es fest mit dem
Vorangehenden und dem Folgenden verbindet (bes. S. 109:
• • qu'ils ne sont pas une sucecssion desordonnee de faits ac-
cidentcls et independents mais, au contraire, une suite d'evene-
nents si etroitement lies les uns aux autres qu'ils forment la
trame d'unc h i s t o i r e") — gerade das tritt bei der typolo-
gischcn Exegese stark zurück, wenn man nicht überhaupt sagen
kann, daß es für die typologische Exegese seine Bedeutung verliert
.

Gleich das erste Beispiel kann das zeigen, (Ex 17, 8 ff.; S. 217): In
der typologischen Exegese von Ex 17, 8 ff. wird diese Erzählung zu
einer Verheißung auf Christus (une promesse qui s'aecomplit mainte-
"ant dans l'intercession de Jesus Christ pour son Eglise). Hierzu ist
einmal zu sagen: Sieht man in dieser Erzählung direkt und unmittelbar
eine Verheißung auf die in Christus erfüllte Intercessio des Mittlers
für seine Kirche, so nimmt man ihr damit ihren geschichtlichen
Kontext oder man erklärt diesen für irrelevant für das Verstehen des
'extes in der Kirdie. Der geschichtliche Kontext der Erzählung ist
n"r dann bcaditet, wenn sie an ihrem Ort als ein Akt in der Geschiente
des Mittlers durch das ganze AT hindurch exegisiert wird,
aie als Geschichte des Mittlers in ihrer ganzen Erstreckung und
ln 'hrer ganzen Vielfältigkeit auf Christus hin führt. - Außerdem
"gibt die Deutung der Erzählung als einer (direkten) Verheißung aul
Christus die Schwierigkeit, daß es dann für den christlichen Ausleger
un AT zwei Arten von Verheißungen gibt: einmal solche, die m
inrem Kontext als Verheißungen gemeint sind, wie Gen 12, 1-3 °der

Jes 9, 1—6, und daneben solche, die erst ,im Licht der neutestament-
lichen Offenbarung' (S. 217) nachträglich als Verheißungen gedeutet
werden. Hier scheint mir nun A. in Konflikt zu kommen mit einer
Grundregel, die er vorher aufgestellt hat und die mir für das Lesen
des AT sehr wichtig zu sein scheint: daß nämlich Worte und Fakten
(bzw. Taten Gottes) nicht voneinander isoliert, aber auch nicht miteinander
vermischt werden dürfen (S. 161).

Die typologische Interpretation AT-licher Texte scheint
mir dem sehr einfachen Tatbestand nicht gerecht zu werden, daß
das NT ein Ereignis, das AT eine Geschichte berichtet. Entweder
entspricht das Christusereignis des NT einer beliebigen Zahl
von Einzelereignissen und Einzelworten des AT direkt, d. h.
in typologischer Entsprechung, — dann wird damit der Zusammenhang
dieser Einzelereignisse unter sich im Grunde für das
Verstehen irrelevant; oder aber dieser Zusammenhang der Ereignisse
und Worte des AT unter sich innerhalb des AT
ist für das Verstehen relevant (so wie das Amsler S. 107 ff.
sagt), dann entspricht dem im Neuen Testament bezeugten
Christusereignis im Alten Testament eine Geschichte;
und jedes Einzelereignis und jedes einzelne Wort im AT kann
nur jeweils im Zusammenhang dieser Geschichte in der Weise
mit Christus in Beziehung gesetzt werden, daß die im AT berichtete
Geschichte in Christus zur Erfüllung kommt. Man kann
dann durchaus Entsprechungen zwischen dem AT und dem NT
in Einzelheiten finden und man kann sie als typoi bezeichnen;
doch wird das dann eher ein Ergebnis der Exegese als eine exegetische
Methode genannt werden können. — Auch wenn man
der starken Betonung der Typologie am Ende der Untersuchung
Amslers nicht zustimmen kann, wird man doch die Untersuchung
als ganze dankbar begrüßen als eine wesentliche Weiterführung
der Diskussion um das Verstehen des Alten Testaments.

Heidelberg Claus Wcsterraann

Beek, Martinus Adrianus: Auf den Wegen und Spuren des Alten
Testaments. Aus dem Niederländischen übers, v. Cola M i n i i.
Tübingen: Mohr 1961. VIII, 308 S. 8°. DM 24.-; Lw. DM 28.-.

Nach dem Vorwort des Übersetzers hat der Verfasser mit
seinem Buch nicht die Absicht gehabt, eine Lücke der Forschung
auszufüllen, sondern seine zerstreuten Rundfunkvorträge zu
sammeln. Die holländische Fassung trägt die Überschrift ,.Wegen
en Voetsporen van het oude Testament" und ist 1953 in Delft
erschienen. Der gesamte Stoff ist in neun Kapitel gegliedert,
die Urgeschichte, die Väter, der Auszug aus Ägypten, das Zeitalter
der Richter, die Könige, die Propheten, Gefangenschaft
und Restauration, die Weisheit, das Lied. Der geschichtliche
Aufriß ist also beibehalten, und die verschiedenen einleitungswissenschaftlichen
und religionswissenschaftlichen Forschungsergebnisse
sind in diesen Aufriß eingearbeitet worden. Das Buch
ist z. T. eine ausführlichere Darstellung der vom Verfasser in
der Reihe der Urban-Bücher (Kohlhammer - Stuttgart) veröffentlichten
„Geschichte Israels". Die Darstellung ist sehr gewandt
und mit zahlreichen Beziehungen auf die Gegenwart
ausgestattet, wobei dem Verfasser seine eigene Palästinakenntnis
zur Hilfe kommt. Der vielschichtige Stoff ist geschickt ausgewählt
, manche Kapitel, etwa das über Jcsaja und den Gottesknecht
, sind mit besonderer Liebe gearbeitet. Es muß dem Verfasser
' zugestimmt werden, wenn er auf die überraschende
Aktualität des Alten Testaments hinweist, obwohl der Lirsprung
der Religion Israels, das letzte Motiv der Wanderung Abrahams
nicht enthüllt werden können, sondern Geheimnis bleiben.
Freilich kann man über diese Grenzziehung des Verfassers
hinausgehen, wie man auch in zahlreichen Einzelheiten anderer
Meinung sein kann. Aber für die Hand des Laien und des
studentischen Anfängers ist das Buch als eine erste Einführung
in die Probleme des Alten Testaments hervorragend geeignet.

Einige kleine Hinweise: Sprachliche Unebenheiten, die sich
dem Übersetzer ergeben haben, könnten bei der nächsten Auflage
getilgt werden. S. 81 ist die Apposition zu Teufel wirklich
falsch; S. 88 der Ausdruck „verweisen nach"; S. 91 „da wir
ihm begegnen"; S. 105 verwebt statt verwoben; S. 125 „verbannen
" im Sinn von „den Bann vollstrecken". Druckversehen
S. 241: Ende Jerusalems 5 82! S. 26 stammt das Gesetz des
Hammurabi aus den 10. Jahrhundert v.Chr.; auf S. 43 wird die