Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1962 Nr. 6

Spalte:

468-470

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Ordnung der Predigttexte 1962

Rezensent:

Jannasch, Wilhelm

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

467

Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 6

468

von sogenannten Predigtbeispielen, für die es sogar Sammlungen
für die Hand des Predigers gibt. Ob es sich bei diesen Predigtbeispielen
stets um authentische Berichte handelt, erscheint zumindest
weithin fraglich. Auf jeden Fall prüft der Prediger die
Tatsächlichkeit des Geschehens nicht nach, wenn er ein treffendes
Beispiel für seine Predigt gefunden hat. Es kommt allein darauf
an, ob in dem Beispiel die Verkündigung des zu predigenden Textes
verständlich greifbar wird, so daß der Hörer den Text als Angebot
vernimmt, das ihm gemacht wird. Dieses „Erfinden" von
Predigtbeispielen, das literarisch beurteilt der Legendenbildung in
neutestamentlicher Zeit parallel geht, ist ebenso legitim, wie die
Haltung des Predigers zu diesen Geschichten der der neutesta-
mentlichen Zeugen gleich ist sowohl im Verzicht auf ein Nachprüfen
des Berichteten, wie auch in der Überzeugung, daß sich so
etwas oder zumindest Ähnliches tatsächlich ereignet hat. Sind
derartige Erzählungen ,,new incidents in the life of Christ"?
Wenn wir als das Leben des Christus das Leben der Gemeinde
verstehen dürfen, so ist damit die Frage beantwortet, obwohl C.
eine derartige Antwort nicht intendiert hat. Aber hier liegt die
praktische Frage nach Bultmanns Herausforderung an den Prediger
. Sie liegt in der Herausforderung, den Glauben heute und
jetzt zu bezeugen, wie er in der Predigtperikope von den ersten
Christen bezeugt wird.

Leider sieht C. diesen Aspekt seines Problems nicht. Wir
werden darum nicht sagen können, daß er die Frage, die zu beantworten
er sich als Aufgabe gestellt hat, wirklich beantwortet
hat. Er kann dies nicht, weil die Marburger Predigten Bultmanns
dafür wenig hergeben und damit die Plattform für die Antwort
zu klein wird. Damit ist aber gerade das Problem sichtbar geworden
, das eine Antwort erfordert, die ein deutschsprachiger
Theologe mit der breiteren Grundlage an Predigten geben
sollte. Es ist das Verdienst des Verfs., das Problem aufgewiesen
zu haben8.

Krumbach üb. Gießen Hans-Werner Bartsch

8) Wir haben bewußt auf eine Diskussion der ersten zwei Drittel
des Buches verzichtet, da es aussichtslos erscheint, in unserem Zusammenhang
in eine grundsätzliche Diskussion der Entmythologisierung einzutreten
. C. untersucht in diesem ersten Teil vor allem das Verhältnis zwischen
Predigt, Theologie und Philosophie am Beispiel des Verhältnisses
zwischen Bultmann und Heidegger. Dabei wird Heideggers Philosophie,
die mit dem Anspruch, Krippe für die Botschaft der Evangelien zu sein,
in die Theologie gebracht worden ist, als Kuckucksei im Nest der Theologie
bezeichnet, das die christlichen Vöglein bald hinauswerfen wird
(S. 52). Die Haltung des Verfassers ist zumeist von einer anfänglichen
Zustimmung, die bald in Zögern und Zweifel übergeht, bestimmt.
Ebenso wäre das grundsätzliche Verhältnis zwischen der Philosophie
und Theologie, sowie die Darstellung der Philosophie zu diskutieren.
Vgl. zu dem Ganzen J. Körner: Eschatologie und Geschichte, Hamburg
1957.

Ha endler, Otto: Die Predigt. Tiefenpsydiologische Grundlagen
und Grundfragen. 3., durchgearb. u. erweit. Aufl. Berlin: Töpelmann
1960. XV, 3 59 S. gr. 8°. Lw. DM 20.-.
Es ist bemerkenswert, daß H.s Homiletik, die man unter bestimmten
dogmatischen Vorurteilen als „psychologisch" verschrien
hat, im Laufe von zwei Jahrzehnten ihre dritte Auflage
erlebt. Anscheinend ist die Zahl derer, die erkannt haben, aus
welchem weiten Erfahrungs- und Beobachtungsbereich ihnen hier
Verständnis und Hilfe für die Predigtaufgabe und Predigtnot
zufließt, durchaus nicht gering. Es geht H. ja auch gar nicht um
eine bloße „Psychologisierung", sondern um das Geltendmachen
der Integration psychologischer und vor allem tiefenpsychologischer
Probleme für die Theologie und Homiletik. Die Verketzerung
alles Psychologischen als Reaktion auf den Religionspsychologismus
der ersten Jahrzehnte unseres Jahrhunderts mit ihrem
„Erlebnis"-Kult ist bis zu einem gewissen Grade verständlich,
aber verkennt, daß der Vollzugsbereich des Glaubens vom abstrakten
und nun meist schon formalistisch mißbrauchten Begriff
der „Existenz" her gar nicht ausreichend zu erfassen ist, sondern
durchaus sachlich bedingt Angelegenheit eines gründlichen psychologischen
Verstehens sein muß.

H. hat auf den ersten 321 Seiten die 2. Auflage aus dem
Jahre 1948 unverändert abdrucken lassen. Davon ist hier also
nicht mehr zu reden. Die 3. Auflage bringt auf etwa 30 Seiten

einen Nachtrag ergänzender Erwägungen „zur Lage", „zur Meditation
", „zur Tiefenpsychologie" und zu Erfahrungen aus dem
„homiletischen Seminar" hinzu. Die Wichtigkeit, die veränderte
Welt zu berücksichtigen, ist ja wohl inzwischen jedem Prediger
deutlich geworden. Unter den Stichworten „Atomzeitalter-
Ichverlust-Atheismus" wendet H. diesen Veränderungen seine
Aufmerksamkeit zu: der Angst im Atomzeitalter, dem Verlust
an Wertbedürfnis, Verantwortungsgefühl und Erkenntniskraft des
heutigen Menschen und dem „doppelten Gesicht des Atheismus"
als „Front", sowie als „Ferment", in dem er als Auflehnung
gegen Gott im „Menschen als solchem" wirksam ist. Die Predigt
„darf nicht so hart sein, daß die Fronten noch verhärtet werden,
und sie darf nicht so weich sein, daß 6ie die harte Tatsache der
Fronten verharmlost" (S. 335). H. nimmt hier mit Recht gegen
Einseitigkeiten heutiger Begegnung mit dem Atheismus Stellung,
zu deren Überwindung mir aber die Begriffe „hart" und „weich"
nicht sonderlich glücklich zu sein scheinen. — Das Meditationsproblem
in seiner generellen tiefenpsychologischen Bedeutung
sowie in seiner speziellen homiletischen Praktik wird von H.
auch im Nachtrag erneut unterstrichen.

Kritisch wird man sagen dürfen, daß da, wo der eigentliche
Wert der H.sehen Betrachtungsweise liegt, sich auch ihre Grenzen
abzeichnen. Die erfreuliche Offenheit und Gründlichkeit, mit der
der psychologischen Seite der homiletischen Probleme nachgegangen
wird, verführt auch dazu, die psychischen Belange auf
, Kosten anderer homiletischer Aspekte gelegentlich zu über-
' schätzen. So wird z. B. das Hauptinteresse der Atom angst
und ihrer seelsorgerlichen Überwindung zugewandt, während die
christliche Verantwortung, zu der die Verkündigung gegenüber
der atomaren Weltbedroh-ung aufzurufen hat, und die ja nicht
nur eine Frage des Predigtinhalts, sondern durchaus auch ihrer
rechten Form ist, kaum berührt wird. In diesem Zusammenhang
hätte die homiletische Erörterung des heute so wichtigen Problems
der politischen Predigt nicht fehlen dürfen!

Bonn Joachim Kon rad

Bohren, Rudolf: Die Krise der Predigt als Frage an die Exegese.

Evangelische Theologie 22, 1962 S. 66—92.
Farmer, Herbert H.: The Sense of Vocation in the Christian

Ministry.

The Princeton Seminary Bulletin 55, 1962 S. 12—18.
Heller, Jan: Kirche in der modernen iMassengesellschaft.

Communio Viatorum 4, 1961 S. 280—287.
H i 1 t n e r, Seward: A Theologian's Monthly Date with Psychiatry.

The Princeton Seminary Bulletin 55, 1962 S. 19—2 5.
M a c 1 e o d, Donald: The Creative Preacher.

The Princeton Seminary Bulletin 55, 1962 S. 26—39.
Mit ton, C. Leslie: Selection and Training of Candidates for the

Ministry: The Methodist Church in Great Britain.

The Expository Times 73, 1962 S. 177—179.
P e 11, Ernst: Film und Filmarbeit in der Gemeinde.

Pastoralblätter 102, 1962 S. 73—85.
Schmidt, Hermann: Gottesschau und Leidenschaft. Zum Problem

christlicher Mystik.

Zeitwende XXXII, 1962 S. 820—828.
Teresia Benedicta a Cruce O.C.D. (Edith Stein): Das Gebet der

Kirche.

Erbe und Auftrag 38, 1962 S. 29—40.
U r n e r, Hans: Diakonie, die bleibt.
Die Innere Mission 53, 1962 S. 33—37.

LITURGIEWISSEN SCHAFT
UND KIHCHENMVSIK

Ordnung der Predigttexte. Hrsg. von der Lutherischen Liturgischen
Konferenz Deutschlands. Berlin: Luth. Verlagshaus 1958. 16 S.,
7 Tab., 10" S. 8°. Kart. DM 2.80.

Die Bedeutung des kleinen Buches reicht weiter, als das
Titelblatt ahnen läßt. Handelt es sich doch nicht um eine Ordnung
, die nur für den Bereich der Vereinigten Evangelisch-
Lutherischen Kirche Deutschlands Gültigkeit beansprucht. Vielmehr
ist die Lutherische Liturgische Konferenz Deutschlands
neben Christhard Mahrenholz durch Joachim Beckmann und Wolfgang
Metzger vertreten (S. 14), und am Zustandekommen der
Ordnung haben sowohl das Kirchenamt der VELKD, die Kirchen-