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Ausgabe:

1962 Nr. 6

Spalte:

458-460

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Calvez, Jean-Yves

Titel/Untertitel:

S.J., and Jacques Perrin, S.J., The Church ans Social Justice 1962

Rezensent:

Schrey, Heinz-Horst

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 6

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phische Problematik hineinstellt (bspw. S. 43 f., 97, 146, 155)
und wie formal und abstrakt in der protestantischen Theologie
über Jesus Christus als Mitte der Zeit oder das Ende der Geschichte
weitgehend diskutiert wird, dann möchte man trotz mancher
Bedenken N. den Vorzug geben. Man muß in der protestantischen
Theologie schon bis in die Zeit der heute so perhorres-
zierten Hegelianer zurückgehen (etwa zu Dorner), um ein Analo-
gon zu N.s letzten Intentionen zu haben (s. bspw. S. 217
oder 247).

Es ist nicht möglich, über Einzelheiten aus N.s Buch zu referieren
. Es sind verwirrend viele, und ein geschlossener Gedankengang
ist schwerlich zu fixieren, allerdings ein ständiges Ceterum
censeo hinsichtlich einiger Dinge, die das Buch nun doch ziemlich
belasten und vom apostrophierten protestantischen Theologen
als der zu hohe Preis für die vom Rez. gerühmten Vorzüge thematischer
Weite, philosophischer Tiefe und jenes Bewußtseins
einer einheitlichen Schöpfungs- und Geschichtswirklichkeit mühelos
vorgerechnet werden können: eine viel zu massive Apologetik
(z. B. S. 74), eine insofern doktrinäre Enge, als alles Heil, ja,
die Möglichkeit des Weiterlebens der Menschheit allein vom
Wiederchristlich (bzw. katholisch?)-Werden der — alsdann darin
geeinten — Menschheit erwartet wird (S. 96, 122, 146 u. a.), dazu
eine gewisse Apokalyptik (S. 42 f., 49, 72, 78, 80, 87, 90 u.a.)
und Tendenzen zu Spekulation und Gnosis (z.B. 114), abgesehen
noch von den obligatorischen spezifisch katholischen Leitgedanken
. Trotzdem wird nur der theologische Philister dieses Buch
verurteilen. Wer sich dagegen ein Gefühl dafür bewahrt hat, daß
es eine noch offene Frage sein muß, wie Theologie zu betreiben
ist und was es besonders mit dem Verhältnis von Theologie und
Profanwissenschaft auf sich hat und wer Bücher nicht nur in der
Erwartung liest, sich in seinen Vorurteilen bestätigen zu lassen,
wird aus N.s Buch eine Fülle von Anregungen — wenngleich oftmals
nur in einem einzigen Satz — erfahren.

Berlin Hans-Georg F r 11 z sc h e

Schuster, Hermann: Das Problem der Sakramente, Taufe und
Abendmahl. Tübingen: Mohr 1960. 76 S. 8° = Sammlung gemeinverständlicher
Vortrage und Schriften aus dem Gebiet der Theologie
u. Rcligionsgcschichte, 229/230. DM 4.50.

In der temperamentvoll geschriebenen Abhandlung des
alten Meisters wird der Theologie, die alte Traditionen festhält
und erneuert, eine ernste Mahnung erteilt. Man möchte hoffen,
daß diejenigen sie hören, die bisher nicht begriffen haben, daß
es noch heute für viele ernste Christen ein „Problem" der Sakramente
gibt.

Der Verf. geht von persönlichen Erfahrungen aus, die er in
ähnlicher Form auch für andere Gemeindeglieder voraussetzen
darf.

Die Taufe ist zwar früh in den Gemeinden geübt worden,
aber weder läßt sich Luthers Meinung, Christus habe sie selber
eingesetzt, halten, noch ist ihr Ursprung restlos geklärt. Sie
spielt bei Paulus eine größere Rolle als in der Urgemeinde, hat
exorzistische Kraft und vermittelt die Gemeinschaft mit Christus.
Sie bedeutet für PI einen einmaligen Bruch mit der Vergangenheit
(anders Luther!) und ist eine sakramentale Handlung, die
jüdischen und hellenistischen Einfluß verrät. Wie es dabei mit
dem Glauben steht, bleibt ungeklärt —es ist nicht erlaubt, die
Widersprüche bei PI einfach auszugleichen. Ebenso widerspruchs-
V°H ist Luthers Auffassung, der Exorzismus und Absage an den
Teufel beibehält, am Glauben als der Voraussetzung des Sakramentes
festhält und doch die Kindertaufe bejaht. Kein Wunder,
daß auch er mit dem unlösbaren Problem nicht fertig geworden
'st- Bei Zwingli und Buzer ist der einzig mögliche Ansatz, das
Sakrament als Verpflichtung zu christlicher Erziehung zu verstehen
.

In bezug auf das Abendmahl wird die ganze Problematik
,r> aller Kürze und in einer auch dem Laien zugänglichen Form
aufgerollt. Nach sorgfältiger Interpretation der Quellen und
Forschungsergebnisse ergibt sich als unbestreitbare Tatsache, daß
durch PI ein Stück damals notwendiger heidnischer Sakramentsauffassung
ins Christentum eingedrungen ist, das heute auszuscheiden
unsere Aufgabe ist. Was nach der Beobachtung der
W|dersprüche in den Texten und der Abkehr von nicht evange-

liumsgemaßen Bestandteilen übrigbleibt, ist wahrlich nicht gering
: das Abendmahl als Symbol der sich aufopfernden Liebe.
Nur darf das Symbol nicht gering gewertet und seine verpflichtende
Kraft nicht übersehen werden.

Zum Schluß beschäftigt sich der Verf. mit den Arnolds-
hainer Thesen, deren wohlwollende und doch kritische Beurteilung
durch Graß er im wesentlichen billigt. Aber viele Einzelheiten
bieten dem Verf. mit Recht erheblichen Anstoß, und mit
der Kritik der „theologischen Gewohnheit der großen Worte"
trifft er ins Schwarze. Aber noch strenger geht er mit den
Lutheranern, die die Thesen ablehnen, ins Gericht, weil sie
ohne jeden historischen Sinn Luthers zeitbedingte Meinungen
zum Gesetz machen. Immer wieder wird von ihnen der Kirchenmann
dem Reformator vorgezogen und der katholische Rest als
das Wesentliche angesehen. Der Weg nach Rom scheint nicht
mehr weit. „Wir aber haben neue Aufgaben, für die wir den
Geist des Reformators nötig haben, aber nicht die Lehrform des
Kirchenmannes" (S. 76).

Manch einer wird das Büchlein des alten „liberalen" Theologen
beiseite schieben. Aber dadurch wird das schwierige Problem
der Sakramente, um das sich der Gelehrte hier in wissenschaftlich
- und praktischtheologischer Verantwortung bemüht,
nicht gelöst. Wir alle müssen uns ernstlich überlegen, ob wir
unseren Gemeindegliedern Vorstellungen, die mit einem längst
überwundenen Weltbild zusammenhängen, heute noch zumuten
dürfen, ob das nicht Unehrlichkeit zur Folge hat, die dem Evangelium
widerstreitet.

Jena Hanna J u i seh

Die Bedeutung der Taufe (Ein 1959 gemeinsam von der
Theologischen Kommission über Christus und die Kirche und dem
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..Lutherische Monatshefte 1. 1962 S. 73—75.

Zander, Leo: Die Welt als Offenbarung der Weisheit Gottes —
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ETHIK

Calvez, Jean-Yves, S. ].. and Jacques Perrin, S. J.: The Church
and Social Justice. The Social Teaching of the Popes from Leo XIII
to Pius XII (1878—1958). Transl. by J. R. Kirwan. London: Burns
& Oates [1961]. XVI, 466 S. 8°. Lw. 42 S.

Seit Rerum Novarum hat sich im Raum der katholischen
Kirche eine Soziallehre entwickelt, die Stellung nimmt zu den
Problemen der modernen Industriegesellschaft. Diese Lehre ist
in ihrer Entwicklung durchaus logisch zusammenhängend, aber
als solche noch kaum je Gegenstand einer zusammenhängenden
Darstellung geworden. Für das deutsche Sprachgebiet hat
E. Muhler in seinem Buch über die Soziallehre der Päpste einen
solchen Versuch einer systematischen Zusammenfassung gemacht,
für das französische und englische Sprachgebiet leistet das vorliegende
Werk diesen Dienst in hervorragender Weise. Die