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Ausgabe:

1962 Nr. 1

Spalte:

23-24

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Biser, Eugen

Titel/Untertitel:

Der Sinn des Friedens 1962

Rezensent:

Leipoldt, Johannes

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 1

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vertreten werden, während der totale Anspruch Christi abgelehnt
wird, weil, wenn er angenommen würde, der Glaube
der Väter zusammenbrechen und ungültig werden würde". Wir
spüren an diesen Sätzen, wie die Kirche in Indien um eine positive
Bewertung der Wandlung in den Religionen ringt und sich
mit ihr auseinandersetzt.

Wir dürfen uns also von der momentanen Aggressivität der
Religionen gegen das Christentum nicht abschrecken lassen. Sie
spüren, daß es um ihre Existenzfrage geht. Wenn wir diesen Wandel
als eine Wirkung Gottes verstehen, so erkennen wir an, daß
da« Evangelium in die indische Kultur eingegangen ist. Das heißt
aber, das Evangelium kann nicht mehr von außen an die Inder
herangetragen werden. Es muß im Zusammenhang mit dieser Kultur
und aus dem Raum dieser Kultur heraus verkündigt werden
'5. Das Evangelium in der westlichen Zielsetzung wird uns im
Raum der Religionen nicht mehr abgenommen. Nach Devanan-
dan kann heute in Indien die christliche Verkündigung nicht ohne
ihren vierfachen Bezug auf Indien verstanden werden.

Es muß erstens der kosmische Bezug der Botschaft betont
werden, der mit der Schöpfung, mit der universalen Erlösung
durch Jesus Christus, mit der Befreiung der Kreatur, mit der
christlichen Eschatologie, nach der der Herr alle Dinge sich
Untertan macht und das Reich dem Vater übergibt, gegeben ist.
Damit bekäme auch die indische Geschichte ihr Ziel. Wo aber
dieses gegeben ist, muß auch ihr Ausgangspunkt deutlich werden
. Darum ist es zweitens notwendig, die christliche Botschaft
als historische Wirklichkeit zu verkündigen. Auch wenn im Neo-
hinduismus das Christliche in einem hinduistischen Begriffsschatz
eingefangen und verdeckt ist, so ist doch in dem neuen Geschichtsverständnis
deutlich, daß auch hier Christus das Ende und
der Neuanfang einer Geschichte geworden ist, auch wenn man es
nicht zugeben will. Darum muß nun Christus immer mehr zur
Mitte dieser Geschichte gemacht werden. Das Schwierige dabei
ist, daß man heute die Verschmelzung von Christlichem und
Nichtchristlichem kaum mehr entwirren kann. Wenn aber die
Hindu von Gott als dem Lord und damit von einem persönlichen
Gott reden, wenn sich die Menschen als verantwortliche Persönlichkeit
verstehen, von Jesus Christus als dem Mittler der

™) U Kyaw Than, Die Christliche Mission in Asien heute, in W.
Freytag. Mission in der gegenwärtigen Weltstunde, 1958, S. 33 ff.

Gotteskindschaft sprechen, dann haben die Botschafter dieselbe
Aufgabe wie die Apostel, den christlichen Inhalt so zu stärken,
daß der nichtchristliche verdrängt wird. Das dritte ist die göttliche
Wirksamkeit. Wenn die Inder in der ganzen Entwicklung
Gottes Wirksamkeit sehen, dann ist auch nicht mehr ausgesagt,
als was wir mindestens lehrmäßig betonen, daß Gott alles bewirke
und ohne ihn nichts geschehen könne. Wir müssen aber
eine prophetische Erklärung seines Handelns wagen, wie es von
den bevollmächtigten Boten Jesu Christi immer geschehen ist.
Das Vierte, was berücksichtigt werden muß, ist die Betätigung
des Menschen. Darauf legen Hindu und Buddhisten den größten
Nachdruck. Sie beurteilen den Wert einer Religion weniger nach
ihren intellektuellen Möglichkeiten als vielmehr nach ihren praktischen
Anleitungen, wodurch das Handeln der Menschen bestimmt
wird. Natürlich ist hier die Gefahr der Moralität gegeben
. Diese wird aber vermieden, wenn das neue Leben ein Ausfluß
der erneuernden Kraft des Evangeliums von der Vergebung
der Sünden ist. Ohne Frage steht in diesen vier Punkten, wie 6ie
sich aus der heutigen Lage der Religionen ergeben, Christus
nicht im Mittelpunkt. Wer 6agt uns aber, daß er nicht durch
Aufnahme dieser Anliegen ganz von selbst das Zentrum wird?
Diese Identifikation, aus dem Raum der vorgefundenen Kultur
heraus das Evangelium zu verkündigen, ist sicher schwer, sie
dürfte aber auch nicht mehr Anfechtungen bringen, als wenn wir
das Evangelium in der Verbindung mit unserer Kultur bringen
und ihm damit den Stempel der Fremdheit aufdrücken.

Wenn nicht alles täuscht, 6tehen wir durch den Wandel der
Religionen im Beginn einer neuen Periode, die die eigentliche
Auseinandersetzung mit den Religionen bringen wird. H. Kraemer
mag recht haben, wenn er sagt, die christliche Kirche nähert sich
„heute einer wirklichen geistigen Auseinandersetzung mit den
großen nichtchristlichen Religionen, nicht allein, weil die jungen
Kirchen als Früchte der Missionsarbeit in deren Mitte leben,
sondern weil die sich immer stärker verwirklichende Unabhängigkeit
der Welt die Existenz und die Vitalität der Religionen uns
nahebringt und sie zur Herausforderung für die Kirche macht-
ihren eigenen Wert und ihre geistige und intellektuelle Integrität
in neuen Begriffen unter Beweis zu stellen"20.

') H. Kraemer. a. a. O., S. 20.

ALLGEMEINES, FESTSCHRIFTEN

,<> Bis ei, Eugen: Der Sinn des Friedens. Ein theologischer Entwurf.
J- München: Kösel 1960. 243 S. 8°. Lw. DM 14.80.

Der katholische Verf. bringt Meditationen über einen geistigen
Bereich, den er als Friedensmystik bezeichnet. Dabei knüpft
er an die Bibel an, aber auch an die Liturgie, an die Kirchenväter
und kirchlichen Schriftsteller alter und neuer Zeit, mit besonderer
Wärme einmal an Hölderlins Hymne „Friedensfeier" in der
vollständigen Fassung, die 1954 bekannt wurde. Es handelt sich
um Gedankengänge, die teilweise willkürlich anmuten; das um
so mehr, als die Sprache des Verfs. eine besondere Eigenart sucht
und somit nicht überall sicher zu deuten ist. Dabei ist er von
pedantischer Strenge gegen die Ausdrucksweise anderer. Es ist bei
den griechischen Denkern mindestens seit Sokrates üblich, das
Leben (auch das Innenleben) des Menschen unter dem Bilde eines
Kampfes darzustellen; dabei gilt der geistige Kampf als der einzige
, der der Mühe wert ist. Man sollte also nicht Anstoß nehmen,
wenn man die Arbeit für den Frieden ak Friedenskampf bezeichnet
.

Verf. legt einen allgemeinen religiösen Friedensbegriff zu
Grunde. „Die Wahrheit des Friedens ist kein menschliches Gemachte
, sie ist so wenig wie das uns anerschaffene Menschsein von
uns entworfen und ersonnen, 60 sehr wie dieses selbst in die
Wahrheit seines Schöpfers mit eingeschlossen" (S. 19). Irrtümlicherweise
„denken wir ständig auf den Frieden z u, statt, wie
es ihm einzig angemessen ist, von ihm h e r" (S. 27). Als Sinnbild
dieses Friedens gilt der Regenbogen nach der Sintflut. Auf

den Zusammenhang zwischen Frieden und Agape wird gelegentlich
hingewiesen. Am politischen Frieden nimmt der Verf. wenig
Anteil. Der echte Friede paktiert nicht mit der Macht; er schützt
nicht die tatsächlichen Verhältnisse; er ist kein weltgeschichtlicher
Zustand. So wird wenig davon gesprochen, was man für den
Frieden tun soll. Ob mit diesen Gedanken ein Erfolg für den
Frieden erzielt wird, ist dem Verf. unsicher; vielmehr, es scheint
ihm klar, daß in unserem Wcltlaufe das Ziel nicht erreicht wird.
Er kann den Satz anfühlen: „Man wird Frieden ausstrahlen, wenn
man sich im Meditieren übt" (S. 196 Anm.). Das soll eine Deutung
von Matth. 5, 9 sein!

Ahrenshoop Johannes Lei po I d t

Fase her, Erich: Kritik am Wunder. Eine geschichtliche Skizze-
'Berlin: Evang. Verlagsanstalt |1960]. 42 S. gr. 8° = Aufsätze und
Vorträge zur Theologie und Religionswissenschaft, hrsg. v. E. Schott
u. H. Urner, H. 13 und Stuttgart: Calwer Verlag [1961] = Arbeite»
z. Theologie, hrsg. m. A. Jepsen u. O. Michel von Th. Schlatter, H. 2.

Die Schrift schildert in knappem, aber sehr instruktivem
Überblick einen „interessanten geistesgeschichtlichen Prozeß"'
den „Kampf um das Wunder in der Geschichte und seine Erledigung
durch Leugnung des Wunders in radikalerer oder mil'
derer Form" und zeigt, wie im „modernen Gegenstoß" neue Aus'
blicke auf die Realität des Wunders sich eröffnen. Der Begriff
Wunder wird dabei einerseits sehr weit gefaßt: er umschließ*
nicht nur die Machttaten Jesu (und die hier in Frage kommenden
Tcligionsgechichtlichen Parallelphänomene), sondern auch die In'
karnation und die Auferstehung. Es wäre eine Frage an den Verf.'
ob hier nicht viel stärker unterschieden werden muß. Anderer'