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Ausgabe:

1962 Nr. 6

Spalte:

441-443

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Stephan, Horst

Titel/Untertitel:

Geschichte der Deutschen evangelischen Theologie seit dem deutschen Idealismus 1962

Rezensent:

Fahlbusch, Erwin

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 6

442

Beumer, Johannes: Der Traditionsbegriff des Trienter Konzilstheologen
Alfons de Castro OFM.
Franziskanische Studien 43, 1961 S. 297—308.

Del ins. Hans-Ulrich: Einige Bemerkungen zur Weimarer Lutherausgabe
.

Jahrbuch der Sächsisdien Akademie der Wissenschaften zu Leipzig

1957—1959, Berlin 1961 (Akademie-Verlag) S. 222—227.
D o 11 i n g e r, Robert: Luthertum und Mennonitentum.

Luther — Mitteilungen der Luthergesellschaft 1961 S. 55—68.
Hermann, Rudolf: Die Kindertaufe bei Luther.

Lutherische Monatshefte 1, 1962 S. 67—73.
L u d o 1 p h y. Ingetraut: Katharina von Bora, die „Gehilfin" Martin

Luthers.

Luther — Mitteilungen der Luthergesellschaft 1961 S. 69—83.
M o 1 n i r. Amadeo: Luc de Prague devant la crise de l'Unitc des
annees 1490.

Communio Viatorum 4, 1961 S. 316—324.
Repgen, Konrad: Finanzen, Kirchenrecht und Politik unter Urban VIII.
Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde u. Kirchengeschichte
56, 1961 S. 62—74.

KIRCH EN GESCHICHTE: NEUZEIT

Stephan, Horst: Geschichte der deutschen evangelischen Theologie
seit dem deutschen Idealismus. 2., neubearb. Aufl. v. Martin
Schmidt. Berlin: Töpelmann 1960. XV, 393 S. gr. 8° = Sammlung
Töpelmann, 1. Reihe: Die Theologie im Abriß, Bd. 9. Lw.

DM 26.-.

Im Jahre 1 938 legte Stephan als reifes Werk seine ,.Geschichte
der evang. Theologie" vor. Sie wurde beachtet und anerkannt
, weil es dem Verf. gelungen war, die Theologiegeschichte
des 19. Jhdts. auf dem Hintergrund der allgemeinen geistes- und
kirchengeschichtlichen Entwicklung mit großem Einfühlungsvermögen
darzustellen und im Bemühen um ein gerechtes Urteil
zu deuten. Mit dem gewissenhaft arbeitenden Historiker hatte
sich hier der Systematiker verbunden. Ausgehend von Überlegungen
über die „Doppelbestimmtheit der Theologie" in ihrem
Glaubens- und Wissenschaftscharakter konstatierte er eine extensive
und intensive Bewegung des Glaubens, eine Spannung
„zwischen der Bezogenheit auf die Offenbarung Gottes in Jesus
Christus und der Bezogenheit auf Gottes Wirken in der Breite
der Welt, d. h. zwischen Christusglauben und natürlicher Religion
" (l. Aufl. S. 2 f.). Damit gewann der Verf. einen Zugang in
die Vielfalt des theologischen Denkens im 19. Jhdt. und in seine
oftmals verborgenen Zusammenhänge. Darüber hinaus konnte er
mit der erkannten inneren Dialektik des christlichen Glaubens
den gesamten Stoff zu einem geschlossenen Bild zusammenfügen.
Höhepunkte des Ringens zwischen der „immer wieder jungen
natürlichen Religion" und dem „notwendigen Herrschaftsanspruch
der geschichtlichen Offenbarung" sah der Verf. dort, wo Geschichtsgebundenheit
und Gegenwartsmächtigkeit des Glaubens
zur Einheit wurden, die Inhalte der natürlichen Religion verstanden
, kritisch umgebildet und von Christus her erfüllt waren
(v. a. Schlciermachcr und Ritsehl). Dabei war als Voraussetzung
der Deutsche Idealismus erkannt, der „die tiefste und umfassendste
Wende der Zeiten" brachte (l.Aufl. S. 328). Der Anlaß
, die Zusammenhänge dieser Epoche durchschaubar zu machen
"nd so der wissenschaftlichen Selbstbesinnung des christlichen
Glaubens weiterzuhelfen, war die Überzeugung des Verfs., „daß
der durch die idealistische Revolution heraufgeführte Abschnitt
der theologischen Entwicklung sein Ende noch nicht erreicht
Mt" (1. Aufl. S. 329).

Die 2. neubearbeitete Auflage des Lehrbuches von Stephan
hat jetzt der Mainzer Ordinarius für Kirchengeschichte, Martin
Schmidt, herausgegeben. Er hat sich — wie er im Vorwort sagt -
dafür entschieden, „die Abänderungen so schonend wie möglich,
aber auch so klar und entschieden, wie von seinem sachlichen
Urteil gefordert, vorzunehmen, so daß das Buch in seiner An-
■ a?e. wie in ihrer Ausführung seinen ursprünglichen Charakter
ncnieltt. Für den Rez. war es reizvoll, den Unterschieden zwischender
1. und 2. Aufl. nachzuspüren.

h..«.,™ ,systematisch-historische Einleitung über „Die Doppel-
Theologie", die „Extensive und intensive Be-
*-ung des Glaubens" und „Die zwiefache Ausprägung des Ncu-

protestantismus" blieb unverändert wie auch das I. Kap. „Vorbereitung
und Vorfrühling neuer Theologie im Zusammenhang
des Deutschen Idealismus", das der Lage der Theologie um 1770,
der Religion und Theologie des Früh- und Hochidealismus nachgeht
und besonders Herder und den jungen Schleiermacher behandelt
. Erst im II. Kap., das ausgehend von den Wandlungen
der Aufklärungstheologie sich mit den ersten fachtheologischen
Neubildungen im 19. Jhdt. beschäftigt (Daub, Marheineke, De
Wette, Schleiermacher, Erweckungstheologie), hat der Bearbeiter
von seinen eigenen Forschungen her Ergänzungen vorgenommen:
so in dem Abschnitt über Jung - Stilling mit dem Hinweis auf
dessen Aufnahme der Erkenntniskritik Kants und Gedanken
Zinzendorfs über die Scheidung von Glauben und Erkenntnis wie
auf die Vorwegnahme von Kierkegaards Befreiungskampf gegen
Hegel (S. 60), vor allem aber in dem Abschnitt über die Theologie
Schleiermachers. Schmidt verschärft das Urteil Stephans, indem
er der harmonisierenden Methode Schleiermachers zur Last
legt, sie lasse dem Glauben und der Verheißung wider alle Vernunft
keinen Raum und bringe damit den christlichen Glauben
um seinen Charakter und Sinn (S. 104), an dem Gottesgedanken
Schleiermachers besonders das Fehlen von Gottes Zorn und
Liebe, Gericht und Gnade bemängelt (S. 105) und schließlich den
Vorwurf erhebt, Schleiermacher habe den christlichen Glauben
zu einer Form des Idealismus werden lassen, weil ihm bei dem
ungenügend geklärten Verhältnis des Glaubens zur Geschichte
auch die Abgrenzung zwischen Theologie und Philosophie nicht
gelungen sei (S. 109).

In dem III. Kap. über „Die Entwicklung der theologischen
Richtungen zwischen Schleiermacher und Ritschl" (freie, restau-
rative und Vermittlungstheologie) hat der Bearbeiter einen neuen
Abschnitt eingefügt: „Die theologische Absage an Hegel: Sören
Kierkegaard" (S. 151—154) und in der Darstellung der restaura-
tiven Theologie (S. 166 ff.) teils gestrichen, teils ergänzt; in der
Schilderung der sich wandelnden protestantischen Frömmigkeit
wird auf die andersartige Entwicklung in England hingewiesen
(S. 13 3). Die Würdigung Kierkegaards entspricht der Bedeutung,
die diesem Denker seit dem Ende des 1. Weltkrieges beigemessen
wird. Seine Fernwirkung und seine von Schmidt hervorgehobene
Hegelkritik waren wohl der Grund für eine besondere Darstellung
. Doch fügt sich der Einschub in den ursprünglichen und von
dem Bearbeiter sonst sorgfältig beachteten Aufriß des Buches
nicht ohne Bruch ein. Wenn Stephan sich auf eine gelegentliche
Erwähnung Kierkegaards beschränkte, so hat er dem Selbstverständnis
der behandelten Epoche entsprochen, auf die Kierkegaard
in seiner Isoliertheit ohne Wirkung blieb. Indessen wird
man von dem Interesse aus, das dieser Denker in unserem Jahrhundert
gefunden hat, den neuen Abschnitt begrüßen. In der
Darstellung der restaurativen Theologie hat der Bearbeiter etwas
mehr zu differenzieren und die Kritik zu mildern gesucht.
Stephan hatte für die Betonung und Zuspitzung der Lehre von
der Kirche innerhalb des Nculuthertums das Objektivitätsbedürfnis
der Zeit als Grund geltend gemacht. Schmidt zerlegt es in
negative und positive Komponenten (S. 173) und ist darauf bedacht
, daß die restaurativen Theologen nicht allzu schnell auf
einen Nenner gebracht werden (S. 174). Dieser Korrektur entspricht
es auch, daß er — was zu bedauern ist — die sich gewiß
noch zurückhaltende Kritik Stephans gestrichen hat, in der neulutherischen
Lehre von der Kirche sei die Gefahr brennend geworden
, „daß die Kirche sich an die Stelle Christi schob", was
gerade in dem Mitten-Bewußtsein (des Luthertums zwischen
den Einseitigkeiten des Katholizismus und des Reformierten-
tums) deutlich hervortrat" (1. Aufl. S. 158). — Bei Vilmar ist der
Hinweis eingefügt, daß er schon vor Kliefoth den Entwicklungs-
gedanken im positiven Sinn auf die Dogmengeschichte angewandt
hat (S. 180).

Das IV. Kap. „Von Ritschl bis zum 1. Weltkrieg" ist unverändert
geblieben bis auf die Bemerkung, bei Troeltsch habe
sich in dessen schließlicher Wiederaufnahme der Prädestinationslehre
der kommende theozentrische Zug des theologischen Denkens
angedeutet (S. 290). Hingegen bedurfte das letzte, in die
Gegenwart führende V. Kap. über die „Nachkriegstheologie"
größerer Änderungen. Freilich ist vieles aus der 1. Aufl. übernommen
- fa6t zu viel, möchte man sagen. Stephan selbst hatte