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Ausgabe:

1962

Spalte:

434-436

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Steger, Hugo

Titel/Untertitel:

David rex et propheta 1962

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 1962 Hr. 6

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concrete" zu betrachten ist. In meinen Untersuchungen (Sacra
doctrina, 1957, sowie Revue philosophiquc de Louvain, 1958)
habe ich derartige Versuche, Grenzlinien zwischen den verschiedenen
Teilen der Summa zu ziehen, kritisiert und nachzuweisen
versucht, daß der Aufbau der Summa in seiner Gesamtheit von
der für Thomas charakteristischen Auffassung des zwischen Gott
und Menschen bestehenden Kausalverhältnisses bestimmt ist.
Man muß bedauern, daß der Verf. auch einige andere Beiträge,
die für die Diskussion dieser Frage wichtig sind, unberücksichtigt
gelassen hat. So wird merkwürdigerweise weder auf
H. Schillebeeckx, De sacrainentale heilseconomie, 1952 (vgl. besonders
S. 1 — 18) noch auf Y. M.-J. Congar (in: Festgabe für
J. Lortz, Bd. II, S. 19—58) Bezug genommen.

Offenbar hat keine dieser skizzenartig dargestellten Lösungsversuche
den Verf. befriedigt und er hat deshalb in einer oftmals
minutiös detaillierten Darstellung das gesainte Problem
erneut zur Behandlung aufgenommen. Er folgt dabei Schritt für
Schritt dem Gedankengang der Summa theologiae, wobei er
jedoch leider den Teil IIa — llae völlig übergeht, obwohl dieser
in diesem Zusammenhang keineswegs bedeutungslos ist. Bei
geringerem Wortschwall hätte der Verf. im Rahmen seiner
Arbeit zweifellos auch diesen Abschnitt analysieren können.

Methodisch fruchtbar und für den Leser ertragreich ist die
Darstellung des Verf.s insofern, als er an entscheidenden Punkten
einen Vergleich mit anderen Thomasschriften vornimmt,
die ebenso wie die Summa theologiae eine zusammenfassende
Darstellung des christlichen Glaubensinhaltes geben wollen.
Zum Vergleich werden „Compendium theologiae" und „Summa
contra Gentiles" herangezogen. Als Resultat des Vergleichs ergibt
sich, daß die die Frühschriften kennzeichnende Verteilung
des Stoffes auf Wirkursächlichkeit und Finalursächlichkeit als
zwei sukzessiv aufeinander folgende Aspekte, in der Summa
theologiae durch eine für die gesamte Darstellung entscheidende
Vereinheitlichung des Kausalaspektes ersetzt wird. Mit Recht
wird dabei die Rolle unterstrichen, die in Ia Pars der qu. 44 als
Introduktion für die gesamte Darstellung der geschaffenen Welt
zukommt. Denn hier wird Gott gleichzeitig als „causa efficiens,
exemplaris et finalis omnium rerum" dargestellt. Von diesem für
den gesamten Aufbau der Summa entscheidenden Kausalitätsaspekt
gelangt Lafont zu der Feststellung, daß die Begriffe
• ■bonitas Dei" und „beatitudo" einen Schlüssel zum Verständnis
des theologischen Gedankengebäudes bilden. Zutreffend wird
auch die systematisch entscheidende Rolle betont, welche die für
Thomas primäre Erkenntnisfrage spielt. „Bonitas Dei" erscheint
als Quelle und Ursprung der Erkenntnis, was sich nicht zuletzt
auch darin zeigt, daß in lila Pars Christi Menschlichkeit sowohl
als „Offenbarung" der Güte Gottes als auch des Weges zur
Seligkeit gedeutet wird (vgl. S. 300 f.). Die „beatitudo" besteht
ja primär in einer vollständigen Erkenntnis. Damit — wie
auch hinsichtlich des grundlegenden Kausalaspektes — kommt
der Verf. der Deutung sehr nahe, die in meiner Arbeit „Sacra
Doctrina" (1957) dargelegt worden ist. Leider ist diese Arbeit
dem Verf. nur in einem kurzen, ins Französische übersetzten
Auszug zugänglich gewesen. — Es ist hier nicht möglich, ausführlicher
auf die oftmals einfallsreiche Darstellung des Verfassers
einzugehen. Soll außer dem bisher Gesagten noch etwas
hervorgehoben werden, so wäre dies die außerordentlich instruktive
Darstellung einiger Probleme der thomistischen Anr
thropologie, die im Kap. III und IV. gegeben wird.

Die markiert apologetische Einstellung des Verfassers zu
dem behandelten Material hat jedoch zur Folge, daß das entscheidende
Problem, wie sich Metaphysik und Heilsökonomie
innerhalb der Synthese des Thomas zueinander verhalten, nicht
genügend beachtet wird. Die in diesem Zusammenhang wesentliche
Frage ist ja nicht, ob es Thomas in seiner Summa theologiae
besser als in früheren Schriften gelungen ist, eine solche
Synthese durchzuführen - daß dies der Fall ist, hat der Verf.

naeutig nachgewiesen sondern ob eine Synthese von der
und' S'u Tnomas aufgestellt hat, als theologisch brauchbar
in wel* j-Belten kann- Aus dem Vorwort des Verfassers,
echt he/vT ja moderne Methodendiskussion berührt wird,
der BehimL f erLd,icSe Frage bejaht. Ich dagegen würde an

Behauptung festhalten, daß an einer Reihe von entscheiden-

den Punkten der theologischen Synthese des Thomas die
biblische Heilsgeschichte, die er auslegen will, nicht zu ihrem
Rechte kommt. Und zwar deshalb, weil ein für die Heilsgeschichte
fremder metaphysischer Rahmen zur Anwendung gelangt
, in den die biblischen Elemente eingefügt werden und von
dem aus sie ihren Sinn erhalten.

Luid Per Erik 1'e r s s o n

Steg er, Hugo: David Rex et Propheta. König David als vorbildliche
Verkörperung des Herrschers und Dichters im Mittelalter, nach
Bilddarstellungen de6 8. bis 12. Jahrhunderts. Nürnberg: Hans Carl
1961. XII, 291 S. m. 10 Abb.. 36 Taf. 4° == Erlanger Beiträge zur
Sprach- u. Kunstwissenschaft, Bd. VI. Lw. DM 48.—.

„Das folgende Buch folgt jenem Zug der neueren Mediävistik
, der aus der Kombination mehrerer Disziplinen vertieften
Einblick in den ordo des Mittelalters zu gewinnen sucht.
Es bewegt sich in dem Gebiet, wo Germanische Philologie und
Altertumskunde, mittelalterliche Geschichte, Kunstgeschichte,
Musikwissenschaft und Rechtsarchäologie sich mit fließenden
Übergängen gegenseitig abgrenzen". Mit diesen Sätzen beginnt
das Vorwort des Buches, das auch für den Kirchenhistoriker
höchst anregend ist, obwohl die Theologie in den zitierten
Einleitungssätzen erstaunlicherweise nicht genannt wird. Dabei
formuliert der Autor später: „Niemals darf übersehen werden,
daß unsere Bilder Theologie darstellen . . ." (S. 70). Zwei
charakteristische theologische Zitate stehen am Anfang der Einleitung
: Ein Wort Augustins über David als praefiguratio
Christi und ein Satz aus den Libri Carolini über die Beziehung
zwischen David und Karl d. Gr. Wenig später stellt Steger drei
Gesichtspunkte als wesentlich heraus: „So sehen wir das Davidbild
in vielfältiger Bindung: in bezug zu König Davids eigener
Geschichte, in bezug auf Christus und zum mittelalterlichen
Herrscher" (S. 3). Im Folgenden soll diesen drei Beziehungen
nachgegangen werden, wobei klar ist, daß manche Einzelfrage
unerwähnt bleiben muß.

Die Beziehungen zu den alttestamentlichen Zusammenhängen
sind gering. Der Abschnitt „Nimbus und Krone" enthält Hinweise
auf das AT (S. 8 u. 12), aber es zeigt sich, daß die frühmittelalterlichen
Miniatoren über diese Zusammenhänge keine Klarheit hatten
(S. 14). Bei der Untersuchung der Musikinstrumente (S. 41 ff.) wird
auf altorientalische Zusammenhänge eingegangen, doch wird die
Möglichkeit verneint, daß man aus den mittelalterlichen Daviddarstellungen
etwas über die Musikinstrumente des historischen David lernen
könnte. Im Abschnitt „Dichter und Inspiration" wird auf alttesta-
mentliche Bezüge hingewiesen, die aber für das Bildmaterial des frühen
Mittelalters nur ganz vereinzelt wirksam waren (S. 99). Zu der Frage
der vier Begleiter Davids wird festgestellt, daß in den biblischen Berichten
jeweils drei Namen gemeinsam mit David auftreten; Steger
folgert: „Hier hat also mittelalterliche Interpretation eingesetzt. Erst
als der Wille vorhanden war, eine Vierzahl von Davids Musikern zu
finden, konnte sie aus dem biblischen Material gewonnen werden. Die
Gewinnung der vier Namen dürfte dann wohl auf der Kompilation
von 1. Chr. 16 und 2. Chr. 5 beruhen" (S. 115). — Die Beziehung
David-Christus sieht Steger zunächst in der Ausstattung Davids mit
einem goldenen Nimbus (S. 9—10). „Im 8. Jhdt. schließt sich die
Gewandung Davids auf unseren Bildern vollständig dem Formenschatz
der Evangelisten- und Christusbilder an" (S. 3 5). „Haar- und Barttracht
weisen auf die christliche Typik" (S. 121/22). Auch als dann
von der Mitte des 9. Jhdts. an das Davidbild sich eng an das mittel-
alteiliche Herrschaftsbild anschließt (bzw. es beeinflußt!), bleibt die
Beziehung zu Christus wesentlich: David wird dargestellt im himmlischen
Jerusalem. „Wieder greift unsere Formel ein Element der
Apokalypsensymbolik auf, denn auch Christus wird in der Himmelsstadt
dargestellt" (S. 124). Besonders lehrreich sind Beziehungen zwischen
David und Majestas-Domini-Bildcrn (S. 113 ff.). Christus, umgeben
von den 4 Evangelisten, steht in Parallele zu Darstellungen Davids
inmitten von 4 Musikern. Daneben zeigt eine Darstellung Christus
inmitten von 4 Musikern, von denen einer David ist.' „Wir erkennen
, welches Ausmaß die typologisdie Deutung König Davids auf
den Dominus Christus hin erreicht" (S. 117). Weiter führt der Abschnitt
„David Rex et Propheta Spiritus rector harmoniae mundi"
(S. 118/21), der zu der Feststellung kommt: „David und Christus erscheinen
, da sie in die Symbolik der Vierzahl hineingestellt werden,
als Spiritus rectores der Ordnung (Harmonie!) des Weltlaufs" (S. 121).
Davids enge Beziehung zur Musik wird als Zugang zu solchem Gedanken
angesehen: „Das Bild Davids, der sein Instrument stimmt,
wird in bezug gesetzt zum Weltharmoniebild, und es wird ein vorläu-