Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1962 Nr. 6

Spalte:

427-429

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Kotter, Bonifatius

Titel/Untertitel:

Die Überlieferung der Pege gnoseos des Hl. Johannes von Damaskos 1962

Rezensent:

Studer, Basil

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

427

Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 6

428

nannte Germain Morin erstmals veröffentlicht, oder für bereits
bekannte Sermones konnte er bessere Handschriften benützen.
In den col. 347—398 handelt es sich um verschiedene andere
Augustinustexte. Im nächsten Faszikel des „Supplementum" wird
uns der gelehrte Editor des großen Sammelwerkes noch weitere
Augustiniana vorlegen können. Zu besonderem Dank wird der
Benützer der Texte für die reichlich und zuverlässig dargebotene
, den Stand der neusten Forschung widerspiegelnde Spezial-
literatur verpflichtet sein. Die nächsten Faszikel werden hoffentlich
nicht lange auf sich warten lassen.

Würzburg Berthold Altaner

Kotten P. Bonifaz: Die Überlieferung der Pege Gnoseos des HI. Jo-
hannes von Damaskos. Ettal: Budi-Kunstverlag 1959. VIII, 243 S.
gr. 8° = Studia Patristica et Byzantina, hrsg. v. J. M. Hoeck, 5. H.
Kart. DM 24.40.

Wie alle interessierten Kreise, besonders jedoch die Freunde
der byzant. Institute von Scheyern und Ettal, mit Genugtuung
feststellen, ist nun das Fundament für die Neuausgabe der Pege
Gnoseos des Johannes von Damaskos (JD) gelegt. Mit echt bene-
diktinischem Fleiß hat P. Bonifaz Kotter, Scheyern, die Ergebnisse
der Arbeit ausgewertet, die in langen Jahren von Mitgliedern
und Mitarbeitern der genannten Institute geleistet wurde,
und aus dem riesigen Hss.-Material jene Überlieferungszeugen ermittelt
, die einen tragfähigen Grund für eine kritische Ausgabe
versprechen. In einem klaren und gediegenen Überblick stellt er
in der vorliegenden Schrift das Ergebnis seiner Untersuchungen
dar. Ein kurzer Blick in die Arbeit wird übrigens jedem erklären,
warum die langwierigen Vorarbeiten bisher wohl verschiedene
Studien über JD befruchteten, indes so lange auf ein greifbares
Resultat für die geplante Edition der Werke dieses Kirchenvaters
warten ließen.

In der kurzen Einleitung umreißt der Verf. das Ziel
6einer Arbeit und erklärt die darin verwendeten Termini. Es geht
darum, die gegenseitige Abhängigkeit der uns bekannten Hss.
aufzuzeigen und so eine Grundlage für die kritische Ausgabe der
Pege Gnoseos zu schaffen. Diese stellt bekanntlich das Hauptwerk
des JD dar und umfaßt drei Teile: die philosophischen Kapitel
, Dialectica genannt, die Häresiengeschichte und die Expo-
sitio de fide orthodoxa. Von allen drei Teilen liegen je zwei
Textgestalten vor, die sich durch Erweiterungen resp. Umstellung
der Kapitel unterscheiden. Der Verf. spricht darum von Dial.
brevior (50 Kap.) und Dial. fusior (68 Kap.), von Haereses und
Haereses auetae, von Expos, ordinata und Expos, inversa. — Was
den Gesamttitel der Trilogie betrifft, könnte man beifügen, daß
er sich nicht nur mit Rücksicht auf die bisherige Redeweise, sondern
auch aus inhaltlichen Gründen nahelegt. Selbst wenn er sich
unmittelbar nur auf die Dial. fus. bezieht und vielleicht nicht einmal
auf JD selbst zurückgeht, charakterisiert er doch in vortrefflicher
Wei6e das Hauptwerk des JD. Dieser will den orthodoxen
Glauben darlegen und damit die Grundlage für die wahre Erkenntnis
Gottes und der Dinge (yrwotg) schaffen. Sein letztes
Ziel ist hier und anderswo die Beschauung.

Das Hauptgewicht der Arbeit liegt ohne Zweifel auf den
Kap. II und IV, die 87 resp. 117 Seiten umfassen. Das erste
der beiden Hauptkapitel stellt ein Verzeichnis und eine Beschreibung
aller Hs6. dar, die, — wenigstens angeblich —, Teile der Pege
enthalten. Die Hss., 759 Nummern, sind nach dem deutschen
Alphabet der Standorte geordnet; nach ihrer Beschreibung wird
angegeben, welche Teile der Pege sie enthalten. Der so weit gespannte
Rahmen der Untersuchung soll nicht nur eine solide
Grundlage für die kritische Ausgabe gewährleisten, sondern auch
erlauben, einen Überblick über die Geschichte der Überlieferung
und das Fortwirken des JD in der Theologie zu gewinnen wie
auch an einem besonders ergiebigen Beispiel allgemeine diesbezügliche
Erfahrungen zu sammeln (S. 6).

Im überleitenden Kap. III gliedert der Verf. die erfaßten
Hss. nach Inhalt, Alter und anderen Gesichtspunkten. Besonders
interessant ist die Aufgliederung nach dem Alter. Es ergeben
sich aus ihr folgende Feststellungen: der älteste griechische Überlieferungszeuge
geht auf das 9. Jhdt. zurück; die Mehrzahl der
Hss. stammt aus dem 13. — 15. Jhdt.; Haeres. auet. sind erst seit

dem 14. Jhdt. bezeugt; Dial. fus. und Expos, inversa sind seit dem
11. Jhdt. nachweisbar; keine Hs. enthält die von JD geplante und
von Lequien (Migne) übernommene Ordnung; die Zusammenstellung
von Dial. brev. und Expos, ord. kommt am meisten vor;
Dial. fus. findet sich mit Expos, inversa, und Haeres. auetae mit
den letztgenannten.

In Kap. IV: Stemmata, gelangen wir zum Kern
der gafizen Arbeit, zur Darstellung des Abhängigkeitsverhältnisses
der bekannten Hss. Wegleitend sind dabei der äußere Aufbau,
wie große Textlücken oder -Zusätze, Ordnung und Umfang der
Kapitel, sowie eine Kollationsauswahl, die V« des Gesamttextes
erfaßt. Um im voraus übertriebenen Hoffnungen auf ein sauberes
Stemma zu begegnen, weist K. kurz auf die Gründe hin, warum
ein solches nicht zu erwarten ist. Einmal ist bei der beachtlichen
Länge und Breite des Überlieferungsstromes mit einem großen
Verlust von Hss. zu rechnen. Dann muß die Tatsache in Rechnung
gezogen werden, daß die Pege in zwei Textgestalten weitergegeben
wurde, die sich fortwährend beeinflußten, was zu
mannigfachen Mischformen führte. In drei Abschnitten werden
darauf für die drei Teile getrennt die Stemmata herausgearbeitet,
wobei überdies für die Dial. (mit Widmungsbrief) und Expos, die
beiden Textgestalten gesondert behandelt werden. Das Ergebnis
ist immer dasselbe. Für jeden Teil muß die Edition mehrere
Hauptstämme berücksichtigen. Immerhin lassen sich eine Reihe
von Hss. oder ganze Sippen von der weiteren Bearbeitung ausscheiden
. Andererseits steht fest, daß einzelne Hss. den ursprünglichen
Text besser durch den Irrgarten der Textmischungen
hindurchgerettet haben. Somit kann die Edition auf eine gute
Grundlage gestellt werden. Neben diesem Hauptergebnis 6ind
indes noch eine ganze Reihe wichtiger Erkenntnisse über die Herkunft
und den Aufbau der Trilogie und ihre doppelte Textgestalt
zu vermerken. So führt K. stichhaltige Gründe für die
zeitl. Priorität der Dial. brev. gegenüber der Dial. fus. an
(S. 146 s). — Man könnte beifügen, daß gerade auch die 50-Zahl
der Kapitel für die Priorität der Dial. brev. spricht. Ein Redaktor
, dem etwas an einer halben Zenturie lag, hätte cheT die Kapitel
, die inhaltlich nicht einheitlich sind, zusammengezogen als
ganze Kapitel ausgelassen. — Weiter stellt K. fest, daß die beiden
Fassungen der Expos, aus textkritischen Gründen als annähernd
gleich alt betrachtet werden können. Beide 6ind für das 9. Jhdt.
verbürgt. Doch nach dem handschriftlichen Zeugnis und besonders
nach dem Minus an Text in den cc. 43 und 44 komme die
Priorität der Expos, ord. zu. Damit ist auch gesagt, daß Expos
ord. sicher von JD stammt, während das für Expos, inv. in Frage
steht, auch wenn es nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden
kann (S. 194 s). — In bezug auf die Häresiengeschichte ist zu erklären
, warum die Hss. nicht die Ordnung wiedergeben, die JD
selbst in der Widmungsepistel vorgesehen hat. K. antwortet mit
folgender Hypothese. JD verfaßte von Anfang an die Trilogie
in der Ordnung: Dial., Haeres., Expos. Weil indes Haeres. auch
in Sammlungen häresiologischer, kanonistischcr oder dogmatischer
Art (vor allem als Kap. 34 der Doctrina Patrum) überliefert
wurde, fiel sie schon in sehr früher Zeit (spätestens Ende des
8. Jhdts.) aus der Trilogie aus, um dann später als dritter Teil
wieder an die Dial. und Expos, angefügt zu werden. Diese Hypothese
besitzt ihre Stütze im Widmungsbrief, der nach den Hss.
immer mit Dial. und Expos, verbunden ist. — Sie befriedigt jedoch
nicht voll und ganz. J. M. Hoeck jedenfalls übernimmt sie nicht.
Im Artikel, den er neuestens für das Lexikon für Theologie und
Kirche über JD schrieb, hält er weiterhin aufrecht, daß die Pege
nach dem handschriftlichen Ausweis und einem wohl zeitgenössischen
Zeugnis ursprünglich aus 150 Kapiteln (Dial. brev. +
Expos.) bestanden hätte (LThK 5 (1961) 1024).-Im gleichen
Zusammenhang prüft K. die Argumente, mit denen Diekamp bewies
, daß die Pege von Doctrina Patrum abhängig sei, und
kommt zum Schluß, daß sie nicht stringent seien (S. 211—214).
Das umgekehrte Verhältnis sei auch möglich. Nach seiner Auffassung
würde es sich selbst lohnen, für die Doctrina Patrum
wieder JD als Autor in Betracht zu ziehen (S. 213, Anm. l).

Es schließen sich drei ergänzende Kapitel an. Kap. V.
behandelt die Lokalisierung der Textformen, kann aber als einziges
Ergebnis nur buchen, daß Unteritalien für die Textüberlie-
ferung eine besondere Beachtung verdiene. Kap. VI. gibt