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Ausgabe:

1962

Spalte:

425-426

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Campenhausen, Hans von

Titel/Untertitel:

Lateinische Kirchenväter 1962

Rezensent:

Diesner, Hans-Joachim

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Seite 1

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425 Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 6___426

,,banaler Gewöhnlichkeit" (S. 15 3) verband. Der Rahmen des

Campenhausen, Hans Freiherr von: Lateinische Kirchenväter.

Stuttgart: Kohlhammer 1960. 255 S., 1 Taf. kl. 8° - Urban-Bücher,
die Wissenschaftl. Taschcnbudireihe, hrsg. v. Fritz Ernst, 50. Kart.
DM 4.80.

Dieser für die Urban-Taschenbuchreihe geschriebene Band
schließt, wie der Verf. selbst hervorhebt, an sein Werk ,.Griechische
Kirchenväter" an und setzt es gewissermaßen für den
lateinischen Sprach- und Kulturbereich fort. In beiden Fällen

-•------.~~ Omni

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIHCHE ! ..Kleinbürgerlichen" ist doch zumindest äußerlich durch die

| Kurienfähigkeit des Patricius und durch den Besitz von Sklaven
gesprengt. Die Formulierung läßt sich, wie vieles andere hier,
nicht halten. Man versteht wiederum auch nicht recht, wieso
Augustin an anderer Stelle (S. 190) so sehr als „privilegierter
Bürger" gesehen wird (zumal er ja als Bischof praktisch auf alle
Privilegien verzichtete). Geschickt, aber oft schief ist Augustins
Einstellung zu den Sekten und Schismen, insbesondere zum
Donatismui, geschildert. Man darf wohl die Rolle des ,,Coge
Intrare", das von der Forschung heute doch weithin als

-!»■••«•- -"---------------- (theoretische) Grundlage der Inquisition anerkannt wird, nicht

war es kein kleines Unterfangen, auf so eingeengtem Kaum nur un{er mickwjnke, ejner geiinden Nachhilfe der Poli-
einen intensiven Blick auf die bedeutendsten Vater - die Aus- ^ (g ^ ^ A tin audl jn der praxis einer

wähl begrenzt sich hier auf die Reihe Tertullian, Lypnan, r..._ x..u--------

Lactantius, Ambrosius, Hieronymus, Augustin, Boethius — zu
werfen, die die Geschichte bzw. innere Geschichte der Alten
Kirche im wesentlichen bestimmen. Die meisten Leser werden
wohl mit mir in der Auffassung übereinstimmen, daß der Verf.
seine Aufgabe prinzipiell gut gelöst hat; jahrzehntelange verdienstvolle
Bemühung um das weite Gebiet der Patristik findet
hier einen Niederschlag in einer sachlich wertvollen und
sprachlich anziehenden transparenten Darstellung, die den
neuesten Forschungsstand nach Möglichkeit berücksichtigt. Hierauf
ist allerdings noch zurückzukommen. Vielleicht ist das
Arbeitsergebnis auch durch die (S. 10) geäußerte Überzeugung
gefördert worden, „daß sich das geschichtliche Leben selbst vorzüglich
durch Persönlichkeiten verwirklicht oder zum mindesten
in solchen am unmittelbarsten zu fassen und am deutlichsten
zu begreifen ist". Besonders der zweite Teil dieser „These" ist
einleuchtend und m. E. logisch zwingend, wenngleich heute
nicht unwidersprochen. Campenhausen demonstriert seine Auffassung
an den Kirchenvätern weithin in vorbildlich-exakter
Weise.

Allerdings kann er sich den heute allen Mitforschern
irgendwie auferlegten technischen und sonstigen Schwierigkeiten
auch nicht ganz entziehen. Darstellung und Literaturhinweise
lassen zuweilen die Frage nach einer gleichmäßigen
Durchdringung des Stoffes unbeantwortet. An dieser und jener
Stelle drängt sich der Zweifel auf, ob die Auswahl passend getroffen
, der Akzent sachentsprechend gesetzt, die Einordnung
der Details in den größeren Zusammenhang richtig bzw. glaubwürdig
erfolgt ist. Ich weiß nicht, ob man es der Aporie, die
Publikation dem neuesten Stand der Forschung anzupassen,
gleichzeitig aber einen möglichst großen Interessentenkreis anzusprechen
, zuschreiben muß. daß die Darstellung hier und da
auffallend superlativistisch und modernisierend ist (S. 222 warnt
der Verf. allerdings selbst vor Modernisierungen). Einige Beispiele
mögen unsere Hinweise belegen.

Von einem „Vulgarismus" Tertullians zu sprechen, der
allerdings „nie einfach gemein" sei, oder einen „unnachgiebigen,
heroischen Realismus" (S. 15) desselben .Kirchenvaters' zu
Postulieren, geht wohl doch zu weit. In solchen Partien gelangt
der Verf. mitunter zu einer schlagwortartigen Verkürzung und
damit Entstellung der Sachverhalte, was auch mit gleichzeitiger
Illustrierung durch Beispiele nicht immer wettgemacht wird.
Manchmal scheint der modernisierenden Darstellung allerdings
ein erfreulich bahnbrechender Realismus zu korrespondieren.
j>o wird v. Campenhausen der Mißerfolg der Schriften Tertullians
weithin daraus verständlich, daß die rigorosen Forderungen
des Afrikaners oft mit den wirtschaftlichen Existenzsorgen
ferner Landslcute kollidieren (S. 30). Auch das von v. Campenhausen
gegebene Cyprianbild und die Darstellung des Kirchenvaters
Ambrosius sind reich an solch realistischer Sicht, während
mir die Würdigung Augustins - die freilich ungleich
schwerer vorzunehmen ist - nicht immer die Berücksichtigung
der modernsten Problemstellungen zu zeigen scheint. Hier
kommt der Verfasser auch am ehesten in ein so vielfältiges
nn,,4,2cCfrr,SSen? Fors*ungsfeld hinein, daß ihm ein wider-
SreRS/US8,ei*cn woh> unmöglich wurde. Einmal «st
Tchä zt . Bedeutung Monnicas für Augustins Lebensgang Oberin
Tha,2r 22*12 die Rollc des Ambrosius. Die Jugendzeit

bttÄ'l>n,lcht zvRccht ^ AsPckt cincs vklcin;

bürgerlichen Provi"zmiliCus gesehen (S. 152). das sich mit

"t va. i**t) senen, so senr rtuyuaini auui m .
schroffen Gewaltanwendung abgeneigt war. Seine Äußerungen
sind aber selbst innerhalb der einzelnen Schrift — etwa des
berühmten 18 5. Briefes — uneinheitlich und boten so einer
recht unterschiedlichen Anwendung Raum.

Einige Fragen mögen noch am Rande gestellt werden. Kann man
den (aufständisch gewordenen und mit den Donatisten verbündeten)
comes Africae Gildo als „Statthalter" (S. 192) bezeichnen? Besser
wäre: Militärbefehlshaber Nordafrikas. Der Widerstand des Ambrosius
bei den Ereignissen von 385—386 in Mailand wird zu sehr unter dem
Blickwinkel der passiven Resietenz gesehen; gegenüber Valentinian II.
und Justina wirkte das geschickt abgestufte Vorgehen des Bischofs im
Bündnis mit großen Teilen der Bevölkerung und 60gar der barbarischen
Truppen zeitweilig doch sehr offensiv (in mancher Hinsicht ist es sogar
der donatistischen Taktik vergleichbar).

Eine längere Auseinandersetzung mit v. Campenhausens
Arbeit wäre lohnend — ein Beweis für die Wichtigkeit dieses
Hilfsmittels innerhalb der Patristik und der Spätantike. Das
Buch kann jedem empfohlen werden, der sich sine ira et studio
mit dem Thema befassen will.

Halle/Saale Hans-Joadiim D i e s n e r

P a t r o I o g i ac Cursu« Completu« a J.-P. M i g n e Editus et Parisiis,
anno Domini 1844, excusus. Series Latina. Supplemcntum. Accurante
Adalberto H a m m a n. Vol. II, 1 u. 2. Paris: Garnier Freres 1960.
748 Sp. 4°.

Über das verdienstliche Unternehmen von A. Hamman habe
ich bereits zweimal in dieser Zeitschrift (1959, 294 f. und 1959,
917 f.) berichtet. Jetzt liegen zwei weitere Faszikel aus dem Jahre
i960 vor, in denen wichtige Texte zur bequemen Benützung
bereitgestellt werden. Die 748 Spalten (genau im Format und in
der Druckgestaltung der früheren Migne-Bände) werden fast
ausschließlich von Schriften des Hieronymus (col. 17—346) und
Augustinus (col. 347—748), die in der Patrologia von Migne
nicht zu finden sind, in Anspruch genommen. Auch der nächste
Faszikel wird noch Augustinus-Schriften enthalten.

Um über den Inhalt der in weit zerstreuten Publikationen
erschienenen Texte einige konkrete Angaben zu machen, so finden
wir hier col. 19—26 vier Hieronymusbriefe; col. 26—29 Hinweise
auf Spuria und Dubia. Col. 29 — 75 werden die erstmals
von G. Morin (1 895) edierten Commentarioli in Psalmos, versehen
mit wertvollen Hinweisen auf mehrere meist unechte
Psalmenkommentare, die mit den genannten Psalmen-Kommentaren
im Zusammenhang stehen (col. 76—79), abgedruckt. Es
folgen 79—87 Prologe zu den Psalmen. Col. 87—263 werden die
Homilien bzw. tractarus (alias Predigten) ediert, die uns gleichfalls
das Finderglück von G. Morin beschert hat. Sehr reichhaltig
ist das, was uns col. 264—296 unter dem Titel Epistolae et
opera varia geboten wird; eine schätzenswerte Zusammenstellung
von zumeist unechten Texten. Die Notizen über die weit zerstreute
Spezialli'teratur erleichtern die Erschließung der Texte.
Col. 297 — 326 bringen wieder kurze Psalmenkommentare. In
den col. 329—346 finden wir Texte von wenig bekannten Autoren
des ausgehenden 4. Jahrhunderts: Abt Valentinus; Presbyter
Januarius an Valentinus; Eine Epistola De Dei gratia (col. 3 35
—341; col. 329 f. ein unechter Orosius-Brief).

Fast alles, was in den col. 347—748 geboten wird, gehört
zum Schrifttum Augustins. Hier werden vor allem die so zahlreich
in den letzten Jahrzehnten veröffentlichten Scrmones zum
Abdruck gebracht. Einen Großteil dieser Texte hat der schon ge-