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Ausgabe:

1962 Nr. 6

Spalte:

411-413

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Baker's Dictionary of theology 1962

Rezensent:

Walz, Hans Hermann

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 6

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der Ausgangspunkt des christologischen Kerygmas der Apostel
gewesen. Das Osterereignis hat nur die Bedeutung gehabt, daß
es das gesamte Wirken Jesu in Wort und Tat völlig durchsichtig
machte66.

Mußner hat nun aber einen Gedanken geltend gemacht,
der Beachtung verdient, und der in der Formgeschichte überhaupt
keine Rolle spielt. Linter Bezugnahme auf einige Paraklet-
6pTÜche im Johannes-Evangelium (Joh. 14,17.26; 15, 26 f.;
16, 13) weist er darauf hin, daß man bei der Traditionsbildung
nicht das Christuszeugnis des heiligen Geistes übersehen dürfe.
Denn der heilige Geist wird von Johannes verstanden als
„Garant der Integrität der Jesusüberlieferung"; er ist es, der
die Erinnerung an Jesus wachhält und in das volle Verständnis
Jesu und seiner Botschaft einführt67.

Auch nach H. Schürmann konnte es ein nachösterliches
Christusbekenntnis nur geben, weil es — bei aller Unterschiedlichkeit
— ein vorösterliches bereits im Jüngerkreis gab68. Die
„Bekenntniskontinuität" lasse vielleicht auch die Möglichkeit
eines „Traditionskontinuums" zu. Doch dürfte es fraglich sein,
ob man auf diesem Wege zu gesicherten Ergebnissen kommen
kann.

Wichtiger sind m. E. die von O. Cullmann geäußerten
„Bemerkungen zum .historischen Jesus' der Bultmannschule"611.
Cullmann fragt, ob nicht ein theologisches Anliegen der Ur-
gemeinde „in gleicher Form schon ein Grundmotiv des Denkens
Jesu selber" gewesen sein kann70. Er empfindet die Unterschei-

m) Ebd. S. 240. Vgl. H. Schlier, Das Neue Testament und der Mythos
. Hochland 48 (1956) S. 205.
6') Ebd. S. 248.

M) H. Sdiürmann, a.a.O. S. 353.

,e) In: Der historische Jesus und der • kerygmatische Christus.
S. 266—280.

70) Ebd. S. 277.

dung von „Gemeindcbildung" und „historisch" als willkürlich71.
Ebenso lehnt er die These Bultmanns ab, daß alle Worte Jesu
für unecht erklärt werden, in denen auf irgendeine Weise ein
messianisches Selbstbewußtsein Jesu im Anschluß an jüdische
Würdetitel (wie „Menschensohn", „Messias", „Gottesknecht",
„Gottessohn") zum Ausdruck kommt72. Weiter sieht er in der
existentialen Interpretation der synoptischen Texte eine unzulässige
■Verkürzung des historischen Tatbestandes'1. Vor allem
aber erklärt Cullmann mit Nachdruck, daß das Verständnis des
Werkes und der Lehre Jesu grundlegend durch das messianische
Selbstbewußtsein Jesu bestimmt ist74.

So wird man abschließend sagen können, daß die Christo-
Iogie der Lirgemeinde ihre Grundlage nicht in der schöpferischen
Kraft des Glaubens der Gemeinde, sondern in den Gewißheiten
Jesu hat. Das heißt: Das Kerygma der Gemeinde geht in seinen
Grundzügen auf Jesus selbst zurück".

Es lag uns daran, die wichtigsten Gesichtspunkte der
Forschungsrichtung innerhalb der neutestamentlichen Wissenschaft
zur Geltung zu bringen, die der formgeschichtlichen Methode
kritisch gegenübersteht und über sie hinausstrebt, um ein, wie
sie glaubt, richtigeres, der historischen Wirklichkeit besser entsprechendes
Bild über die Entstehung der urchristlichen Überlieferung
von Jesus zu gewinnen. Die nächste Aufgabe müßte
darin bestehen, von den Einzelbcobachtungen zu einer neuen
Gesamtdarstellung zu gelangen. Ihr werden wir bei anderer
Gelegenheit gerecht zu werden versuchen.

71) Ebd. S. 275.

72) Ebd. S. 273.
") Ebd. S. 274.
7l) Ebd. S. 279.

75) Vgl. J. Schneider, Die Frage nach dem historischen Jesus in der
neutestamentlichen Forschung der Gegenwart. 1958. S. 16.

ALLGEMEINES, FESTSCHRIFTEN

(' Bakers Dictionary of Theology. Editor-in-Chief: Everett F. Harri-
son, Associate Editor: G. W. Brom Hey, Consulting Editor:
C. F. H. Henry. Grand Rapids/Mich.: Baker Book House 1960.
566 S. gr. 8°. Hlw. $ 8.95.

Das durch die Schafr-Herzog'sche Encyclopedia of Religious
Knowledge auch über Amerika hinaus bekannte, der fundamentalistischen
Richtung zuneigende Baker Book House legt hier auf
566 weniger 15 Seiten unter 874 Stichworten mit Beiträgen von
138 Mitarbeitern ein „Lexikon der Theologie" vor. Im Vorwort
wird mitgeteilt, daß im Zusammenhang mit dem ständig wachsenden
Interesse an biblischen Studien ein Werk zur Erklärung
theologischer und kirchlicher Termini geschaffen worden sei, das
seinen Schwerpunkt in der Darstellung kontroverser Punkte in
der gegenwärtigen theologischen Diskussion habe. Das Werk
wendet sich nach dem Klappentext an jeden ernsthaften Studenten
der Theologie. Dabei darf das amerikanische Wort „Student"
in einem weiteren Sinn verstanden werden als das deutsche
„Student". Die Ausstattung ist angemessen solide, der Druck
sauber und größer, als man das bei deutschen Nachschlagewerken
gewohnt ist. Freilich würde man bei einem entsprechenden
deutschen Band auch erheblich mehr Text erwarten.

Der Rahmen der Stichworte von „Abaddon" bis „Zoro-
astrianism" ist weit gespannt. Er umfaßt alle theologischen Disziplinen
und geht an einzelnen Stellen, etwa in Beiträgen zur
Religionsgeschichte oder zur Religionspsychologie darüber hinaus.
Daß dann nicht alles Wichtige berücksichtigt werden konnte und
eine rigorose Auswahl der zu behandelnden Stichworte getroffen
werden mußte, liegt auf der Hand, wenn man den bescheidenen
Umfang des Buches als gegeben annimmt. Die Auswahlprinzipien
werden aber nicht deutlich. Besonders schlecht weggekommen
sind neben der Kirchengeschichte die Sozialethik und der ökumenisch
-ekklesiologische Bereich. So ist in einem 5-Spalten-

Beitrag über ,,Law" nur in 15 Zeilen von „human laws" die
Rede, und das obwohl „demoeraey", „government" und verwandte
Begriffe überhaupt fehlen, ebenso wie Fragen der Wirtschaft
nirgends und solche der Sozialgestaltung nur ganz am
Rande vorkommen. Während „Anabaptists" und „Baptists" erscheinen
, fehlen z. B. Anglikaner, Methodisten, Presbyterianer.
Daneben gibt es „I.utheranism", aber nicht etwa auch Kongregationalismus
.

Fragt man sich nach dem Grund dieses mindestens seltsamen
Ausleseverfahrens, so kommt man auf folgende Vermutung: Die
Verantwortlichen wollten offenbar von biblischen Begriffen ausgehen
. In der biblischen Worterklärung — und nicht in der Darstellung
kontroverser theologischer Fragen - liegt ganz offenbar
der faktische Schwerpunkt des Werkes. Statt nun aber ein Nachschlagewerk
zur Erklärung biblischer Worte zu schaffen, meinen
6ie anscheinend, mit Hilfe biblischer Begriffe die ganze Theologie
stichwortartig zur Darstellung bringen zu können. So liegt der
Anlage des Buches ein fundamentalistisches Mißverständnis der
Theologie zu Grunde. Denn diese kann sich ihrem Wesen nach
nicht darauf beschränken, die jeweilige geschichtliche Wirklichkeit
in biblische Begriffe cinzufangen oder sie ihnen gar zu subsumieren
. Daß dies nicht geht, hat 6ich auch den Herausgebern
gezeigt. Deshalb wurden theologische Begriffe wie „providence",
„rrinity" hereingenommen mit einem entschuldigenden Hinweis
darauf, daß sie in der Bibel nicht vorkommen, aber einen biblischen
Inhalt in Worte fassen. Man sah sich dann aber gezwungen,
darüber noch hinauszugehen und gewisse Stichworte der systematischen
Theologie wie „dialectical", der Dogmengeschichtc
wie „Gnosticism", der Konfessionskunde wie „Protestantism"
und anderer Gebiete hereinzunehmen. Hier aber war man maßstablos
, und deshalb fiel die Auswahl so zufällig aus.

Es wäre besser gewesen, man hätte sich auf die Bibel beschränkt
und dann gründlicher gearbeitet. — Was sollen z. B. die
wenigen Zeilen über „prudence", in denen lediglich mitgeteilt
wird, es gäbe verschiedene hebräische Stämme, die durch p.
wiedergegeben würden? - Oder aber hätte man ein theologisches