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Ausgabe:

1962 Nr. 5

Spalte:

377-378

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Salakka, Yrjö

Titel/Untertitel:

Person und Offenbarung in der Theologie Emil Brunners während der Jahre 1914 - 1937 1962

Rezensent:

Wiesner, Werner

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377 Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 5 378

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

S a 1 a k k a, Yrjö: Person und Offenbarung in der Theologie Emil
Brunners während der Jahre 1914—1937. Helsinki 1960. 197 S.
gr. 8" = Schriften der Luther - Agricola - Gesellschaft, 12. Kart.
DM 13.80.

Der finnische Theologe Salakka hat sich die Aufgabe gestellt
, die Entwicklung der Theologie E. Brunners unter dem
Gesichtspunkt seines Anliegens darzustellen, das von Anfang an
deT Anthropologie gewidmet war, die er schon immer von einer
idealistischen Metaphysik des Geistes her verstand. Der Verf.
teilt die Entwicklungsphasen in Brunners Schrifttum ein: I. in
,,die vorkritische Periode" (1914—1920), 2. ,,die dialektische
Periode" (1921—1928), 3. „die eristische Periode" (1929-1937).
Ihrer Wiedergabe stellt er ein Kapitel über „die Hauptzüge der
dialektischen Theologie" voran, das allerdings für Karl Barth
nur das Anfangsstadium seiner Römerbriefauslegung zu Grunde
legt und auch die anderen ,,Dialektiker" nur uniter dem
Gesichtspunkt behandelt, „welche Anregungen Brunner von der
dialektischen Theologie erhalten und wieweit er als Dialektiker
seinen Weg selbständig gegangen ist" (S. 3 3). Die „vorkritische
Periode" zeigt Br. als Vertreter einer „intuitiven Erlebnisreligion
". Anregungen von Kant und Schleiermacher, aber auch von
Bergsons Intuitionismus haben dazu beigetragen. In der Intuition
soll die Kluft zwischen Objekt und Subjekt überwunden
und die freie geistige Persönlichkeit sich ihTes Zusammenhangs
mit dem universalen geistigen Sein, für das Gott das Symbol ist,
bewußt werden. Die Mystik ist das Herz der Religion. Später
macht sich der Einfluß der religiös-sozialen Bewegung in Christoph
Blumhardt, Ragaz und Kutter auf Br. bemerkbar. Das Erscheinen
von Barths „Römerbrief" macht Br. zu seinem Bundesgenossen
im Kampf gegen den Psychologismus und Historismus
in der Theologie, aber zunächst noch mit den Denkmitteln des
neukantischen Transzendentalismus. Der Verf. weist hier allerdings
erhebliche Spannungen und Unklarheiten im damaligen
Denken Br.s auf. Neu ist in diesem Stadium, daß die ethische
Problematik des Menschen zwischen Sollen und Sein, die wesentlich
von Kant her gesehen wird, den Ansatzpunkt der Theologie
bildet. Der Einfluß Kierkegaards auf Br. wird nur kurz gestreift.
Eine entscheidende Wende in Br.s „dialektischer Periode" bedeutet
die Aufnahme der Ich-Du-Philosophie Ferdinand Ebners
und seiner Kategorie des „Wortes". Hierdurch wird die transzendental
-idealistische Begrifflichkeit zwar nicht preisgegeben,
aber relativiert durch das Personverständnis in der Ich-Du-Beziehung
zu Gott im Wort. Von da aus wird vor allem die
Auseinandersetzung mit Schleiermachers Mystik und dem Neu-
Prctcsrantismus geführt. Dabei unterscheidet sich Br.s Worttheologie
von der anderer Worttheologen wie Barth. Gogarten,
Rultmann u. a. darin, daß er den Wortbcgriff unbeschadet seines
Personalen Anredecharakters als Schöpferwort mit der griechisch-
realistischen Logosbedeutung als Prinzip der Weltordnung zur
Synthese bringt, dem wiederum der Glaube als reintegrierte
vernehmende Vernunft entspricht. Der Glaube ist „Nachdenken
<kr göttlichen Gedanken" (S. 112), die Offenbarung des Wortes
G°ttes ..Antwort auf das Wahrheitssuchen der menschlichen
Vernunft" (S. 115). So ist Br. stets daran interessiert, die
Christusoffenbarung als Wort in ihrem Zusammenhange mit der
zunächst noch transzendental verstandenen anthropologischen
Wirklichkeit zu sehen. Damit stand er aber vor der Frage, worin
°;cse anthropologische Entsprechung als „Anknüpfungspunkt
für das Wort besteht, und seine Antwort auf diese Frage hat
dann in der sog. „eristischen Periode" im Mittelpunkt des
Streites um ihn gestanden, die ihn über den vorerst noch das
Historische und Psychologische ausklammernden anthropologischen
Transzcndentalismus hinausführte. Es liegt Br. daran, daß
«• offenbarte Wort nicht als eine absolut fremde Sache zum
Renschen kommt, sondern daß dieser wenigstens eine formale
Ansprechbarkeit für es besitzt, die auf seiner formalen auch
dc"i Sünder noch verbliebenen Gottcbenbildlichkcit als Geist-
wesen beruht. Hier setzt bei Br. im Unterschied zur Apologetik

'e ••enstische" Aufgabe der Theologie ein, den Menschen von
'ncn Ausflüchten vor Gott zu befreien und ihm zu zeigen,

•Wk d«rch das Wort Gottes die menschliche Vernunft teils als

Quelle lebensfeindlichen Irrtums enthüllt, teils in ihrem un-
vollendbaren Suchen erfüllt wird" (S. 141), ja, „den Menschen
seine eigene Frage nach Gott verstehen zu lehren" (S. 143),
eben weil die Geiststruktur des Menschen direkt auf Gott als
den Schöpfer hinweist, also Schöpfungsoffenbarung ist, die Gott
als den offenbart, der den Menschen zur Verbindung mit sich
geschaffen hat. Der Verf. unterschlägt nicht die begrifflichen
Aporien, denen Br.s Unterscheidung von formaleT und materialer
Gottebenbildlichkeit unterliegt, auch wenn er ihn gegen
den Vorwurf des Katholisierens in Schutz nimmt. Auf alle Fälle
ist für Br. das idealistisch verstandene Geistwesen des sündigen
Menschen in 6einem Gegenüber zum unpersönlich verstandenen
Sittengesetz das Residuum seiner eigentlichen Gottebenbildlichkeit
in seiner ursprünglichen Personalität aus dem Wort und
für das Wort, die erst die Christusoffenbarung wiederherstellt,
zugleich als Aufhebung des unpersönlichen richtenden Gesetzes,
in das sich der persönliche Gotteswille im Wort beim Sünder
gewandelt hat.

Der Verf. stellt die theologische Entwicklung Br.s sehr sauber
und gründlich dar. Die Frage ist nur, ob er damit seine
eigentliche Intention richtig erfaßt hat. Es ist richtig, daß Br.
die an Kant sich anschließende idealistische Begrifflichkeit nie
aufgegeben hat. Wenn der Verf. aber behauptet: „Brunners
Denken baut sich zentral auf der Metaphysik des Geistes auf"
(S. 186), so dürfte dies doch eine Verkennung seiner theologischen
Absicht sein. Die idealistische Begrifflichkeit dient
ihm ja nur dazu, die bleibende Gottebenbildlichkeit des Sünders
zu formulieren, die er aber doch existenzdialektisch in eine
theologisch-personalistische Anthropologie einordnet, in der
das idealistische Schema überwunden ist. Es rächt sich hier, daß
der Verf. seine Darstellung von Br.s Entwicklung nicht bis zu
dessen Buch: „Wahrheit als Begegnung" 193 8 durchgeführt hat,
in dem diese Entwicklung erst zürn Abschluß kam und das Br.
selbst als die entscheidende Grundlage seiner Theologie ansieht.
In diesem Buche wird deutlich, daß es Br. auf die schon von
Anfang an gesuchte Überwindung des Objektivismus und Subjektivismus
im theologischen Personalismus der Gottesbegegnung
im Wort ankommt, für die die Metaphysik des Geistes
keine Hilfe leisten konnte. Als Darstellung der theologischen
Wende nach dem 1. Weltkrieg an dem Beispiel eines ihrer Vertreter
behält die Arbeit trotz dieser Bedenken ihren theologiegeschichtlichen
Wert.

Mainz Werner Wiesner

Schleicrmachcr, Friedrich: Der christliche Glaube. Nach den
Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt.
7. Aufl. I. u. II. Bd. Auf Grund der 2. Aufl. u. kritischer Prüfung
des Textes neu hrsg. und mit Einleitung, Erläuterungen u. Register
versehen v. Martin Redeker. Berlin: de Gruytcr 1960. XLII,
459 S. u. 580 S. 8°. Lw. DM 28.-; u. 30.—.

Sechsmal ist im 19. Jhdt. nach Schleiermachers Tod seine
Glaubenslehre erneut dem Publikum vorgelegt worden. Seit dem
letzten Abdruck aber sind nun über 60 Jahre vergangen. Schon
diese Zeitangaben machen wohl die Notwendigkeit
einer Neuausgabe deutlich (der Hrsg. geht darauf im
1. Abschnitt seiner Einleitung ein). Weiterhin haben alle bisherigen
Nachdrucke die Fehler der 2. Auflage (l830/3l) kritiklos
übernommen, ja, z. T. noch vermehrt. Die wissenschaftliche
Brauchbarkeit dieser Ausgaben ist also beschränkt. Alle diese
Fehler galt es bei der Neuausgabe durch unmittelbaren Rückgang
auf die noch von Schi, selbst besorgte 2. Auflage zu vermeiden.
Darüber hinaus aber wurden auch in deren Text offensichtliche
Flüchtigkeits- und Druckfehler korrigiert (z.B. im Motto „Prosl."
statt „Prosol.").

Über die Grundsätze der kritischen Bearbeitung
im einzelnen gibt der 4. Abschnitt der Einleitung de6
Herausgebers Auskunft: der originale Lautbestand mit seinen
zeitgenössischen Eigenheiten wurde beibehalten, die Orthographie
dagegen der modernen angeglichen. Die Interpunktion schließlich
wurde so gestaltet, daß sie dem heutigen Leser das Verständnis
mancher ungewohnter Satzungetüme erleichtert.

Ein (für den ersten Band doppelter) Apparat ist dem
Text hinzugefügt. Er führt den Nachweis der Zitate Schl.s aus