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Ausgabe:

1962

Spalte:

371-373

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Hoffmann, Hans

Titel/Untertitel:

Das Bekenntnis des Meisters Mathis 1962

Rezensent:

Weckwerth, Alfred

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verrät, ist gelungen, aber bei fast allen anderen Deutungen habe
ich grundsätzliche und inhaltliche Bedenken anzumelden. Gewiß
ist die erste Voraussetzung, daß mich ein Bild in seiner letzten
Tiefe trifft, nur dann kann ich seinen Gehalt weiter vermitteln

— aber ehe ich es deuten kann, muß ich mich bemühen, den
Meister aus seiner Zeit heraus zu verstehen. Dazu bedarf es der
Kräfte des Verstandes. Gehe ich hier nicht mit aller „intellektuellen
Redlichkeit" zu Werke, so wird die Deutung rein subjektiv
und kann zur Verfälschung der Wahrheit führen, der
doch gerade auch durch das Verständnis des Transzendenten im
Bilde gedient werden soll.

Für inhaltliche Fehldeutungen kann ich hier nur wenige
Beispiele anführen. S. 27 (Bild 11): „Die Gesichter sind sämtlich
verschieden" — ich würde sagen: fast gleich — lediglich
durch die Barttracht unterschieden. — S. 30 (Bild 13): Wenn die
Haltung des Petrus auf den Verf. humorvoll wirkt, so würde
diese Wirkung, wäre sie vom Maler beabsichtigt, den Ernst des
Bildes vernichten! — S. 33 (Bild 16) dürfte Lukas gemeint sein.

— S. 51/52 (Bild 26): Bild und Text stimmen nicht überein. —
S. 5 2 (Bild 27): Der „Riesenengel" ist in seinen Proportionen
nicht größer als die Menschen! — S. 58 (Bild 30): Hier möchte
ich fragen, wer sich mit der Deutung des Engels bei Konrad
Witz zufrieden geben würde! — S. 66/67 (Bild 35) scheint mir
der Verdacht nicht unbegründet, der Verf. habe an den Apostel
Paulus statt an den von Grünewald dargestellten Eremiten Paulus
gedacht. — Besonders gefahrvoll erscheint mir die Deutung
Dürers. Sicherlich ist er in vielen seiner Schöpfungen nicht mehr
dem Mittelalter zuzurechnen. Aber so, wie es der Verf. tut,
kann man ein Bild wie Dürers Melancholie nicht abtun. Schon
die Frage an da6 Bild, was von der mittelalterlichen Kunst hier
übriggeblieben sei, ist unsachgemäß. Der Verf. weiß „sicher",
daß die Melancholie nicht mehr über theologische Probleme
nachgrübelt! Wie aber, wenn sie tiefer nachdächte, als die
Theologen es vermögen?? — Es wäre noch viel zu sagen, was
in der gleichen Richtung liegt. Es ist schade, daß man ein Buch
mit einem 60 verheißungsvollen Titel und einer großen Anzahl
guter Abbildungen (nur auf einigen kann man der detaillierten
Beschreibung nicht folgen), das mit dem Willen geschrieben
wurde, das Transzendente im Bildwerk aufzudecken, mit mehr
Kritik aus der Hand legen muß, als es sich der Leser wünscht.

Jena Hanna Ju rsch

L e i n z - von Dessauer, A.: Savonarola und Albredit Dürer.

Savonarola, der Ritter in Dürers Meisterstich. München: Schnell &
Steiner [1961]. 59 S. m. Abb. 4°. Kart. DM 6.80.
Hoffmann, Hans: Das Bekenntnis des Meisters Mathis. Eine Deutung
der Erasmus-Mauritius-Tafel des Matthias Grünewald. München
: Evang. Presseverband f. Bayern [1961]. 52 S„ 6 Taf., 1 Farbtaf.
S". Kart. DM 3.80.

Fast gleichzeitig sind in München zwei Schriften erschienen,
die sich mit der Ausdeutung zweier bekannter Bildwerke der
ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts befassen und ihre Thesen
mit großer Sachkenntnis der kunsthistorischen, zeit- und reli-
gionsgeschichtlichen Gegebenheiten vortragen und überzeugend
darlegen.

Antonie Leinz-v. Dessauer weist unter umfassender Berücksichtigung
der Entwicklungsgeschichte des Bildes und unter sorgfältiger
Ausdeutung der einzelnen Bildmotive sowie unter
Würdigung der bereits vorangegangenen Interpretationsversuche
nach, daß mit dem Reitersmann in Dürers Meisterstich „Ritter,
Tod und Teufel" der im Jahre 1498 in Florenz als Ketzer hingerichtete
Dominikanermönch Girolamo Savonarola gemeint ist.
Nach einer kurzen Erwähnung der Vorstellungen, die mit dem
Begriffe des „miles christianus", des christlichen Streiters, verknüpft
waren, geht die Verfasserin auf die Bedeutung des Hundes
, des Salamanders und des Schweines ein. Sie gelangt hierbei
zu dem Ergebnis, daß der Hund hier als ein Hinweis auf den
Dominikanerorden aufzufassen ist. Für fast jedes Bildmotiv des
vorliegenden Blattes finden sich in dem so reich erhaltenen
Lebenswerke Dürers ein oder mehrere Vorgänger. Die endgültige
Komposition weist diesen Teildarstellungen gegenüber jedoch
mehrere bemerkenswerte Linterschiede auf, die für die
Ausdeutung des Blattes „Ritter, Tod und Teufel" recht wichtig

erscheinen. L.-v. D. macht darauf aufmerksam, daß für Dürer
die Beschäftigung mit der Symbolkunde des Horapollo ungefähr
für die Jahre 1509—1515 erweisbar ist und zieht dieses Werk
mit Recht für ihre Ausdeutung heran. Die Verfasserin wendet
sich sodann der Namenstafel des Meisterstiches zu, insbesondere
dem Buchstaben „S" vor der Jahreszahl. Nach einer eingehenden
Würdigung und kritischen Stellungnahme der bislang in der
Literatur vorgetragenen Deutungsversuche „Secundus", „Salus"
(= anno salutis), „Sickingen, der durch den Wald reitet", weist
sie auf die Möglichkeit hin, dieses „S" auf Girolamo Savonarola
zu beziehen. Die eingehende Würdigung der Persönlichkeit
Savonarolas und die offensichtlichen Bezüge des Dürerstiches auf
Savonarolas Meditation über den 30. Psalm „In te domine
speravi" bekräftigen die Vermutung, daß Dürer mit dem „S"
der Namenstafel auf Savonarola hinweisen wollte. Hinzu kommt,
daß uns verschiedentlich bezeugt ist, daß man sich zu Dürers
Zeit in Nürnberg lebhaft mit dem Vermächtnis Savonarolas beschäftigt
hat: In den Jahren 1499/1500 wurde von dem Nürnberger
Bürger Peter Wagner ein Savonarolabändchen gedruckt.
Nürnberg hatte ein Dominikanerkloster innerhalb seiner Mauern,
und ■ der Nürnberger Dominikanerkonvent war durch seine
Reformforderungen bis auf die Tage Albrecht Dürers bedeutsam.
L.-v. D. folgert ferner überzeugend aus dem Verbot der Weltchronik
Hartmann Schedels durch die Gegner Savonarolas, daß
Dr. Hartmann Schede! ein Anhänger des Florentiner Reform-
predigers gewesen ist. Auf die Frage, warum Dürer den „Reiter"
nicht klar benannt habe, gibt die Verfasserin eine durchaus stichhaltige
Antwort: Im Jahre 1509 erließ der damalige Ordensmeister
auf zehn Jahre ein Schweigegebot, um auf diese Weise
die Ruhe im Orden wenigstens äußerlich zu erzwingen; bei
schwerster Ordensstrafe durfte der Name Bruder Girolamos
nicht mehr genannt werden, und seine Schriften, alle Andenken
sowie Reliquien sollten ausgeliefert werden. Trotz peinlicher
Überwachung hielten die Freunde Savonarola die Treue, wie
L.-v. D. an mehreren Beispielen nachweisen kann. Hinweise auf
den Reuchlin'schen Handel vom Jahre 1513 und seine Resonanz
in Nürnberg erhellen schließlich die Situation im Entstehungsjahre
des Dürerstiches. So kommt die Verfasserin zu dem überzeugenden
Ergebnis: „Der Kupferstich ,Ritter, Tod und Teufel'
bildet die Lage ab, in der sich Savonarola an seinem Lebensende
befand und die in seinem letzten Werk, der Meditation über
den 30. Psalm, ihren Niederschlag gefunden hat... Es verdichten
sich die Hinweise, die für Savonarola zutreffen: der Salamander
, der geradeausblickende Hund und der keusche Ritter
Christi. Der Buchstabe „S" auf der Signaturtafel mit Dürers
Initialen und der Jahreszahl 1513 dürfte auf Savonarola zu deuten
sein" (S. 20). In einer anschließenden wertvollen Betrachtung
zeigt die Verfasserin noch Zusammenhänge zu andern
Meisterwerken auf. Der letzte Teil bringt eine Auswahl von
Texten aus Savonarolas Schriften, die für die Ausdeutung des
Dürerstiches bedeutsam sind. Auf diese Weise wird das wertvolle
Buch über seine kunstgeschichtlichen Aspekte hinaus zu
einem beachtenswerten Hilfsmittel zum Studium der Gestalt des
Dominikanerpredigers Girolamo Savonarola und der von ihm
ausgehenden Wirkung auf seine Zeit.

Die Erasmus-Mauritius-Tafel des Matthias Grünewald war
als Prunkstück für das „Neue Stift" in Halle, die Licblings-
gründung des Erzbischofs Albrccht von Mainz, bestimmt. „Das
Werk zeigt eine Meisterschaft an Komposition, Gestaltungskraft
und Charakterisierungskunst", so schreibt der Verfasser
unserer Schrift, Hans Hoffmann, „die nicht überboten werden
kann . . . Grünewald hat seinem Herrn mit ihm wirklich vor
aller Welt Ehre eingelegt. Dieser war allem Anschein nach auch
hochbeglückt von der Leistung seines Hofmalers" (S. 9/lO).
H. stellt nach dieser Feststellung die Frage: „Ist nun dieses
Bild nichts anderes als ein Meisterstück, das im Vergleich mit
anderen die Ebenbürtigkeit, ja, Überlegenheit 6eines Schöpfers
beweisen sollte und bewies?" Er meint dazu auf Grund einer
kurzen Würdigung des Schaffens Meister Matthias Grünewalds
am Isenhcimer Altar: „Von einem echten Grünewald . . . verlangen
wir mehr als vollendetes Können, mehr als ein Kunstwerk
um der Kunst willen. Es ist auch unvorstellbar, daß ein
Mann wie Meister Mathis einzig und allein sich darum bemüht