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1962 Nr. 5

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Kirchengeschichte: Allgemeines

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Neuerscheinungen

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357 Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 5 358

aus. Hier liegt ein gutes Stück Lutherforschung vor, die der weiteren
Erforschung der reformatorischen Theologie der 30er
Jahre erst recht von Nutzen sein wird. D. hat uns nicht nur manches
Stück aus Luthers Schaffen gerettet, sondern uns auch viele
Aufgaben gestellt, die bisher noch nicht gründlich genug erörtert
sind. Auf D. fällt ein bezeichnendes Licht während seines
Aufenthaltes bei Luther auf der Coburg, wie auch in den folgenden
vier Jahren in Wittenberg, in denen sich der Amanuensis
als Sammler der Luther-Überlieferung neben Rörer betätigt hat,
die er in seiner Nürnberger Zeit zu bearbeiten und zu veröffentlichen
begann. Die Darstellung ist wohl abgewogen und unterrichtet
über die Zusammenhänge. Nur an einem Punkte hätte
man gern Näheres erfahren, das betrifft Dietrichs Übersetzer-
Tätigkeit und sein Verhältnis zu Mclanchthons von ihm benutzten
Schriften, die sich in seinen Summarien finden.

Hatte Hans von Schubert in seinem posthum erschienenen
,,Lazarus Spengler" die Anfänge der Reformation in der Reichsstadt
Nürnberg geschildert, so ist die vorliegende Darstellung
in gewisser Weise eine Fortsetzung. In die Darstellung ist manches
Stück Einzelforschung verwoben, das dem Ganzen sein besonderes
Kolorit gibt. Hier wird deutlich gemacht, wieviel der
junge Gelehrte nach seiner Rückkehr in die Heimatstadt für
diese getan hat. Mit Recht ist in jüngster Zeit gefragt worden,
ob die Reformation die Ausmaße erreicht hätte, die sie tatsächlich
erreicht hat, wenn nicht die Männer zur Stelle gewesen
wären, die dieses Werk fortzuführen bereit waren. D.s praktische
Wirksamkeit in Nürnberg umfaßt die verschiedensten Gebiete
. Seine nicht gewöhnliche Predigttätigkeit wird ebenso gekennzeichnet
, wie seine liturgische unld seelsorgerlichc Arbeit.
Die Auseinandersetzung mit Osiander über die Beichte wird
ebenso sorgfältig erörtert, wie sein Einfluß auf die Gestaltung der
Liturgie und schließlich seine in der Notzeit des Krieges verfaßten
Trostschriften. Sein Zusammenhang mit Melanchthon wird
dabei öfters beachtet. Wenn D. auch nicht soviel geleistet hat,
wie von ihm erwartet wurde, seine Leistung ist nicht unerheblich
.

Bei der Beurteilung der Theologie D.s ist der Verfasser geneigt
, ein positiveres Urteil abzugeben, als es Mcinhold getan
hat.. D.s Stellung zwischen den Reformatoren, besonders seine
Auffassung der Rcchtfcrtigungslehre zeigt, daß er sich nicht nur
Melanchthon gehalten hat. Ebenso wie Mcinhold meint Vf.
allerdings, D. hätte die feineren Unterschiede in der reformaton-
schen Lehre nicht verstanden. Nur in der Abendmahlsauffassung
will er D. eigene Wege gehen sehen, die sich stärker an Luther
anschließen. Die Linien werden durchgezogen in seine Theologie
des Gottesdienstes und sein liturgisches Schaffen hinein, DB
seinem Wirken in allem gerecht zu werden.

Die Arbeit wird um ihrer Vielseitigkeit willen Interesse
von verschiedenen Seiten beanspruchen können. Sie wird von der
Lutherforschung beachtet werden und darüber hinaus als eine
bemerkenswerte Darstellung der reformatorischen Vorgänge in
den 30er und 40er Jahren an einem der Brennpunkte der deutschen
Geschichte zu gelten haben.

Müiisu-r/Wcstf. RebaH St»pp«*t«'

Lempp. Wilhelm: Der Württembergische Synodus. IJ5I—1934. B»
Beitrag zur Geschichte der württcmbcrgischcn evang. Landeskirche.
Stuttgart: Chr. Scheufcle |1959]. 325 S. 8° - Blätter f. Württem-
oergische Kirchcngeschichte, 12. Sonderheft. Lw. DM 22.-.

Der altwürttcmbcrgischc Synodus hatte seinen Platz im
Kähmen des territorialkirchlichen Ordnungssystems der Brenz-
^hnstophinischen Reformation. Dieses oberste kirchenregiment-
l'che Organ hatte seine Eigenart darin, daß es nicht nur aus den
beiden maßgebenden weltlichen und kirchlichen Beamten des
Herzogtums, dem Landhofmeister und dem Stiftspropst sowie
aem Kirchenrat, sondern auch aus den Gcncralsuperintendenten,
«n landeskirchlichen Visitatoren bestand. Aufgabe des Synodus
7Zrl t ta??T Ub"wachung, Lenkung und Formung des %t-
H™ t dl, fd'Cn Lcbens' damit auch der Volkssittlichkeit i*
Herzogtum Württemberg.

rat w!im"'nuLcmLPP' früher Direktor im Evang. Oberkirchenrat
Württembergs, hat sich das große Verdienst erworben, aus

tiefgehender Kenntnis des landeskirchlichen Archivs, auch der
Dekanatsregistraturen, die Geschichte des Synodus von seinen
Anfängen 1 5 5 3 bis zu seinem Ende 1924 geschrieben zu haben.
Lcmpps Buch enthält eine Fülle von kirchen- und verwaltungsrechtlichen
Einzelangaben und stützt sich zum guten Teil auf
bisher nicht erschlossenes Quellenmaterial. Gründliche Kenntnis
des Stoffs und Liebe zur Sache haben sich vereinigt, um ein
Werk zu schaffen, das im Grunde eine Geschichte der Württembergischen
Landeskirche, darüber hinaus eine Geschichte der
politischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung Württembergs
darstellt. Der Einfluß des Synodus erhielt sich bis zum
Beginn der Neuzeit; mit der Einführung der Landessynode 1867
wurde sein Aufgabenkreis 6tark beschränkt. Mit dem Inkrafttreten
des neuen Kirchenverfassungsgesetzes von 1924 und der
Aufnahme der vier Prälaten in den Oberkirchenrat fand der
Synodus sein Ende.

Das Literaturverzeichnis ist von erfreulicher Vollständigkeit.

Muiilbronn Heinrich Tauscl

Herzog, Ulrich: Untersuchungen zur Ceschidite des Domkapitels zu
Münster und seines Besitzes im Mittelalter. Göttingen: Vandcnhoeck
& Ruprecht 1961. 96 S., 1 Faltkte. gr. 8° = Veröffentl. d. Max-
Planck - Instituts f. Geschichte. 6, Studien zur Germania Sacra, 2.
DM II.-.

Merkel, Friedemann: Geschichte des evangelischen Bekenntnisses in
Baden von der Reformation bis zur Union. Karlsruhe: Evang. Presseverband
1960. 189 S. gr. 8° = Veröffentlichungen d. Vereins f.
Kirchcngeschichte i. d. evang. Landeskirche Badens, XX. DM 10.80.

M i r g e 1 e r, Albert: Rückblick auf das abendländische Christentum.
Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag [1961]. 173 S. 8°. Lw. DM 9.80.

Tetz, Martin: Über Formgeschichte in der Kirchcngeschichte.
Theologische Zeitschrift 17, 1961 S. 413—431.

KIRCHEN GESCHICHTE: MITTELALTER

Schmaus, Michael: Zur Diskussion über das Problem der Univozität
im Umkreis des Johannes Duns Skotus. München: Verlag d. Bayer.
Akademie d. Wissenschaften; in Komm. C.H.Beck. München 1957.
132S. 8" = Bayer. Akademie d. Wissenschaften. Philos.-Hist. Klasse.
Sitzungsberichte. Jahrg. 1957,4.

Der Münchener katholische Dogmatiker, der den Auseinandersetzungen
zwischen Thomistcn und Skotisten zu Beginn des
14. Jhdts. schon mehrere Spezialstudicn gewidmet hat, legt hier
erstmalig edierte Texte zu einer der die beiden Schulen am tiefsten
trennenden Fragen vor: Analogie oder Gleichsinnigkeit des
Seinsbegriffs, besonders in Anwendung auf Gott und Welt. Die
einleitende Analyse dieser Texte ist zugleich ein wertvoller Beitrag
zur Frühgeschichte der Thomistenschule und zur Person des
Thomas von Sutton.

Schmaus beginnt seinen am 10. 6. 1955 gehaltenen Akademievortrag
mit einem knappen Abriß der Geschichte des Problems.
Er stellt den Gegensatz des Duns Scotus zu Thomas treffend als
vorwiegend erkenntnistheoretisch bedingt dar: Zwar stehen Gott
und Welt selbst nicht im Verhältnis der Gleichartigkeit, sondern
nur in dem einer Analogie, aber unsere Begriffe von ihnen — besonders
der Seinsbegriff — müssen univok sein, wenn überhaupt
Gotteserkenntnis möglich sein soll (8 f.).

Der englische Dominikaner Thomas Anglicus ist in seiner
"ach 1311 geschriebenen Verteidigung des Aquinaten gegen
Duns auch auf die Frage der Seinsunivozität eingegangen. Er
meint gegen Duns, daß ein univoker Begriff nicht nur in sich,
sondern auch in bezug auf die bezeichneten Dinge einheitlich sein
müsse (Schmaus 125 f.). Wenn Duns Scotus, obwohl er zugibt,
daß Letzteres beim Seinsbegriff nicht der Fall ist, diesen doch
univok nennt, so sei das eine mißbräuchliche Verwendung dieses
Wortes (ib. 130 f.). Thomas Anglicus steht in dieser Frage also
wohl sachlich noch näher bei Duns, als Schmaus meint. Wenn
Schmaus seinen Unterschied zu Duns so angibt: „Nach ihm
herrscht nicht nur im Sachbercich. sondern auch im Begriffsfeld
Analogie" (11), so spricht Anglicus dagegen nur von einer Analogie
der Dinge zu dem in sich durchaus einheitlichen Seins-
begriff (. . . analogia ipsarum rerum ad unum coneeptum,
p. 128). Die später orthodox - thomistische Lösung, daß der