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Ausgabe:

1962

Spalte:

341-342

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Forschung und Erfahrung im Dienst der Seelsorge 1962

Rezensent:

Wagner, Heinz

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341

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nachlesen. So gehört etwa ein Teil der mit dem Namen des
großen Justinian verbundenen Berichte der Legende an, und
nach den Forschungen W. Elerts darf man jetzt Theodor von
Pharan und Theodor von Raithu als eine Person ansehen. Eine
der sympathischsten Züge der Darstellung Skrobuchas ist, daß
er nicht in die heute so oft anzutreffende „Europamüdigkeit"
verfällt. Der Verlag hat den Band in vorbildlicher Weise ausgestattet
. Die Farbtafeln sind von ausgezeichneter Qualität.
Der ständige Wechsel von Farbtafeln, schwarzweißen Abbildungen
und Zeichnungen im Text erweist sich wieder einmal
als geschickter psychologischer Effekt: Der Leser blättert angeregt
von Seite zu Seite, ohne dabei den Text zu vergessen. Dieser
wiederum umreißt weite geistesgeschichtliche Horizonte,
die vom Sinai über den Athos bis nach Nordrußland reichen.
Sie sind, von einigen in der Diskussion sich befindlichen Gegenständen
abgesehen, richtig gesehen. So wird selbst der, welcher
mit einigen Dingen, von denen das Buch handelt, in täglicher
Arbeit zu tun hat. es immer wieder gerne in die Hand nehmen.

Hullc/Saalc Konrad O n a sch

|H a e n d I c r, G>.:[ Forschung und Erfahrung im Dienst der Seelsorge.

Festgabe für Otto Haendler zum 70. Geburtstag. Berlin: Evang.
Verlagsanstalt; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [i960]. 154 S.,
I Porträt, gr. 8°.

Die Otto Haendler gewidmete Festschrift hat den Vorzug,
daß sie die thematische Geschlossenheit der Aufsätze mit der
kollegialen Würdigung dieses verdienten Praktischen Theologen
ungekünstelt verbindet. Die Einheit von Leben und Werk, wie
sie in dieser Festschrift erreicht worden ist, wird selten zu verzeichnen
sein. „Im Mittelpunkt dieser Festschrift für Otto
Haendler stehen Forschungen und Erfahrungen aus dem Bereich
der Seelsorge, weil ihr im besonderen Sinne die gesamte
praktisch-theologische Lebensarbeit des Jubilars verhaftet ist" (7).

Ein weiterer Vorzug dieses Sammelbandes besteht darin,
daß eine weitgreifende Orientierung über die Probleme
der Seelsorge in der Gegenwart gegeben wird. Damit ist der
Anschluß an die aktuelle Literatur leicht zu erreichen.

Die Einzel-Beiträge sind natürlich vcrschicdengestaltig, können
aber ohne Schwierigkeit in Gruppen zusammengeschlossen
werden.

Da ist zunächst ein Themenkreis, der den k i r c h 1 i c h e n
Charakter der Seclsorge heraushebt. Darunter sind zu rechnen
die Beiträge von William Nagel: „Die Bedeutung der Liturgie
für die Seelsorge der Kirche", Oskar Söhngen: „Vom Regier-
nnd Seelsorgeamt der Kirchenbehörden", Rudolf Hermann: „Erörterungen
zur Neugestaltung der Liturgie (1959) in der Evangelischen
Kirche der Union", Theodor Bovet: „Von der Pfarr-
ehe", Walter Elliger: „Zur Geschichte der Praktischen Theologie
in der Berliner Fakultät".

Ein anderer Kreis wird geschaffen mit Beiträgen, die den
Glaubens- Charakter der Seelsorge im Sinne der Glaubenshilfe
des Seelsorgers und der Glaubensentscheidung des Seel-
sorgesuchenden heraushebt. Dazu gehören die Aufsätze von
HansLIrncr: „Zur Frage der Einzelbcichte", Karl Bernhard Ritter:
• •Oratio et meditatio" und vor allen Dingen die grundlegende
Untersuchung von Erich Fascher: „Der unendliche Wert der
Menschenseele". Dazu zu rechnen sind auch die Ausführungen
von Ruth Fuchrer: „Seelsorge an Kranken", Wilhelm Stählin:
••Willst du gesund werden?", Oskar Planck: „Seelsorge an alten
Menschen".

E'ne dritte Gruppe führt uns an die Grenze der Scel-
H°rgC' w der sie Begegnung und Berührung kommt mit anderen
Wissenschaften oder mit abartigen Frömmigkeitsbetätigungen
. 6

A,» vaJ[e theol°g'sche Forschung des Jubilars vor allem um
oie Probleme der individuellen Seelsorge, ihrer diagnostischen
Voraussetzung und therapeutischen Möglichkeit kreist, ist es
die Bczü^ ^r Psychologie zu finden, etwa
PsvZ rh^d?I: ^«rn Problem der Transzendenz in der
j£ ^.C; G.Jungs" oder in Joachim Scharfenberg: „Über-
f t7 Gegenübertragung in der Seclsorge", auch der Beitrag
des Haendler-Schülers Ernst-Rüdiger Kiesow: „Das Vater-

Problem in der Biographie Friedrich Rittelmeyers" führt in die
psychologische Forschung als diagnostische Voraussetzung der
Seelsorge.

Eine besondere Stellung nimmt der Beitrag des Sohnes Gert
Haendler ein, der in einer interessanten Studie die Brücke von
der Psychologie und Seelsorge zur Kirchengeschichte schlägt, indem
er „Psychologische und theologische Gesichtspunkte bei
der Kirchengeschichtsschreibung Gottfried Arnolds" erörtert.

Es ist nicht möglich, auf die einzelnen Beiträge, die alle ihr
Gewicht haben, einzugehen. Der Leser wird sich jeweils nach
seiner Aufgabe an den einzelnen Themen orientieren. Vier der
Beiträge 6eien aber besonders erwähnt:

1. Das Thema des ersten Aufsatzes von Oskar Söhngen ist
doch wohl symptomatisch für ein neues Verständnis der Aufgaben
einer Kirchenleitung. Die Kirchenbehörden werden hier
in ihrem Regier- und Seelsorgeamt angesprochen. Damit wird
die Aufgabe der Seelsorge auch für die sonst so leicht bürokratisch
mißverstandenen Dienste einer Kirche gestellt.

2. Dedo Müller gibt in seinen Ausführungen Antwort auf
die Frage: „Ist Seelsorge lehrbar?" und setzt mit der lapidaren
Feststellung ein: „Es gibt Fragen, die so ganz und gar vom
Leben selbst gestellt sind, daß ihnen gegenüber leicht eine Art
theoretischer Platzangst entsteht. Zu diesen Fragen gehört auch
die Lehrbarkeit der Seelsorge" (71).

3. Besondere Beachtung verdient der Aufsatz von Oskar
Planck: „Seelsorge an alten Menschen", der in verständlicher
und helfender Weise in die gegenwärtigen Aufgaben einführt.
Es wäre zu wünschen, daß nicht nur die Praktischen Theologen
sich um die Gerontologie kümmern würden, in der wissenschaftlich
die Probleme des Alterns und des Alters erforscht werden.
Der Seelsorger „braucht ein klares Leitbild vom Sinn und Wesen
des Alters, sonst verfällt er der Resignation" (101).

4. Von allen Beiträgen ist aber wohl am aufregendsten der
von Gottfried Holtz: „Aberglaube und Rechtgläubigkeit". Es ist
kaum zu erwarten, daß jemand nach der Einleitung nicht mit
großer Aufmerksamkeit weiter liest: ,,Es ist gleichermaßen bedrückend
wie erregend, daß im 19. Jahrhundert die Produktion
der Zauberbücher den größten Aufschwung in der Geschichte der
Neuzeit genommen hat. Das Jahrhundert, das einerseits durch
hohe wissenschaftliche Blüte, gute allgemeine Schulkenntnisse
und weit fortgeschrittene politische Mündigkeit, durch den erwachten
Materialismus und Säkularismus, durch politische und
weltanschauliche Emanzipationen bestimmt ist — dies Jahrhundert
erzeugt doch andererseits eine Blüte abergläubischer Literatur
, die in häuslichen Verstecken in Stadt und Land bewahrt
wird und — täuschen wir uns nicht darüber — in Neuauflagen
auch bei uns den Händlern auf den kleinen und großen Jahrmärkten
und in den Winkelbuchhandlungen aus den Händen
gerissen würde, wenn Druck und Verbreitung auch bei uns erlaubt
wären. Wie konnte es dahin kommen?" (58). Wer von
den Seelsorgern weiß wirklich etwas um das Bestehen und die
Wirksamkeit der „Weissen Magie", deren Praktiken der Verfasser
sachkundig schildert? Die Fülle der Literatur führt in ein
unbeachtetes Gebiet und die daraus erwachsenden seelsorgerlichen
Fragen und Nöte.

Der Schlußsatz dieser „Enthüllung" könnte gleichzeitig
unter dem gesamten Werk dieser verdienstvollen Festschrift
stehen: „Der praktische Seelsorger lebt in der bunten, verwirrenden
Welt der Mischformen, und die theoretische Seelsorge
soll ihr zur Entflechtung und Bewältigung des Wirrwarrs dienen
" (65).

Leipzig Heinz Wagner

[Vi sc her, W.:) Hommage ä Wilhelm Vischer. Montpellier: Causse
Graille Castelnau 1960. 230 S., 2 Taf. gr. 8° = maqqel shäqcdh,
la branche d'Amandicr. N. F. 16.50.

Es handelt sich wirklich um eine „Huldigung" für den
Fünfundsechzigjährigen; die französische Sprache ist ja imstande
, so etwas, ohne schwülstig zu werden, angemessen und
auch herzlich auszudrücken, wie die „Zueignung" von J. Cadier
und die „Presentation" von D. L y 6 zu Beginn es zeigen. Der