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Ausgabe:

1962 Nr. 5

Spalte:

339-341

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Skrobucha, Heinz Paul Gerhard

Titel/Untertitel:

Sinai 1962

Rezensent:

Onasch, Konrad

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 5

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schiede der zugrundeliegenden Theologumena, sondern auch auf
die Problematik der dialektischen Methodik zurück. Wenn man
den Aufbau des Kapitels überblickt (Geistliches Amt, Pfarramt,
Ältestenamt, Diakonenamt, Lehramt, Hilfsämter), so tritt deutlich
der Aufriß der reformierten Kirchenverfassung zutage. In
diesen wird nun aber die lutherische Kirchenverfassung eingebaut
. So wird z. B. der lutherische Kirchenvorsteher in das
„Ältestenamt" eingeordnet. Auch wenn man für Pfarrer und
Kirchenvorsteher im allgemeinen Priestertum einen beiden gemeinsamen
rechtstheologischen Bezugspunkt erblickt61, so kann
man den reformierten Ältesten und den lutherischen Kirchenvorsteher
schwerlich so auf einen gemeinsamen Nenner bringen,
wie das W. tut, so sehr das damit verfolgte ökumenische Anliegen
Zustimmung verdient. Es ergeben sich sonst unausweichlich
Unstimmigkeiten"2. Sie machen sich audi in dem folgenden
Kapitel (22.) „Ordnung der Leitung" (S. 645—654) bemerkbar.
Man wird, wenn sich nicht Mißverständnisse einschleichen sollen
, kaum ganz davon absehen können, daß „Kirchenregiment"
nach CA XIV zunächst einmal das öffentliche Predigtamt ist
und daß sich der spezifisch regiminale Sinn des Begriffs erst allmählich
entwickelt hat. Man wird auch kaum sagen können, daß
im frühen Luthertum aus der kanonistischen Unterscheidung
von potestas ordinis und potestas iurisdictionis die Unterscheidung
Predigt- und Sakramentsspende einerseits und Leitungsgewalt
andererseits geworden sei 03, 64 •

Die Kapitel 20—22 zeigen vielleicht am deutlichsten, wo
die Grenzen der dialektischen Rechtslehre W.s liegen. Weil W.
„weder identifizierend, noch isolierend, noch kontradiktorisch"
verfahren, sondern weil er die Gemeinsamkeiten der Kirchen-
tümer „in der Einheit ihrer Unterschiedenheit" finden will, verbindet
er lutherische und reformierte Verfassungselemente
systematisch miteinander. Dabei gewinnt er aber nicht mehr an
Gemeinsamkeit als die von ihm abgelehnte „Kombinations- |
methode" und „Kumulationsmethode" (S. 23 f.) früherer Zeit.
Der Unterschied liegt nur darin, daß W. ein Verfassungssystem
, nämlich das reformierte, zur Dominante macht und ihm
das Luthertum, wenn auch unter Hervorhebung der Unterschiede
, ein-, ja, unterordnet. Daraus ergeben sich nicht nur j
Unstimmigkeiten, sondern im Grunde bleiben auch die Systeme
unvermittelt nebeneinander stehen. Das kann gar nicht
anders sein, weil für sie unterschiedliche theologische Grundauffassungen
kausal sind. Hier und nur hier ist daher auch der
Ansatzpunkt für ihre Überwindung. Der Weg zu diesem Ziel j
besteht in dem gemeinsamen gehorsamen Hören auf das leben-
dige Wort Gottes und „in gemeinsamer exegetischer Forschungs-
arbeit", die sich „in entschlossener Radikalität an das Ursprung- j
liehe biblische Zeugnis" preisgibt65. Bis dahin aber wird die j
Kirchenrechtswissenschaft in nüchterner Selbstbescheidung auf ]
konfessioneller Grundlage betrieben werden müssen. Das bedcu- j
tet ökumenisch gesehen nur scheinbar Entsagung und Resigna-

61) Vgl. Grundmann, Sacerdotium, S. 150.

62) Wie die Bezeichnung des Kirchenvorstands als „Presbytcrium"
(S. 627).

63) Ebenso S. 372 f. Vgl. dazu J. Heckcl, ZRG 73, Kan. Abt. 42,
1956, S. 523 ff., bes. S. 526—531; ferner Grundmann RGG, 3. Aufl.,
III, Sp. 1434 f.

64) Übrigens kann man auch die Bischofskonferenz der VELKD
nicht unter dem Stichwort „Provinzialkirchenrat" abhandeln.

6r>) Edmund Schlink, Aufgabe und Gefahr des Ökumenischen Ra-
tes, ökum. Rdschau, I, 1952, S. 3 ff., Zitat S. 8.

tion. In Wahrheit wird der Kirchenrechtler gerade von diesem
Boden aus seinen ökumenischen Beitrag leisten können, einmal
in dem für die Gegenwart kennzeichnenden Gespräch mit der
Theologie, durch das beiden Gesprächspartnern Einsichten eröffnet
werden, die mit den Erkenntnismitteln jeder der beiden
Disziplinen für sich allein nicht zu gewinnen sind, zum anderen
in dem offenere aufnahmebereiten, ressentimentfreien Gespräch
mit den kirchenrechtlichen Fachkollegen anderer theologischer
und konfessioneller Herkunft6". In diesem Doppelgespräch werden
vielfältige Methoden anzuwenden sein, unter ihnen auch
die dialektische. Sie allein hingegen vermag uns in der ökumenischen
Arbeit kaum weiterzuhelfen. Damit hat sich indes zugleich
die eingangs angedeutete Skepsis bestätigt.

Wolfs Buch ist auch in den Einzelheiten von einer bewundernswerten
Präzision. Wenn zum Schluß noch vom Merkzettel
des Rezensenten einige wenige Fehler aufgezählt werden, so
ändert das an dieser Feststellung nicht das mindeste. Sie seien
nur zu dem Zweck angeführt, um bei einer 2. Auflage ausgemerzt
werden zu können: S. 36: Das Luth. Einigungswerk ist
nicht erst 1950 gegründet worden (vgl. dazu Grundmann, Der
Luth. Weltbund S. 150, 181 f.). — S. 82 zur Ordination in der
luth. Kirche: In dieser Allgemeinheit nicht richtig (vgl. im einzelnen
Wilhelm Brunottc, Das geistliche Amt bei Luther). —
S. 122: Sehr mißverständlich: Die Ehe „gilt als .weltlich Ding'
(Luther) einerseits, andererseits wird sie als .geheiligt' (Calvin)
bezeichnet" (richtig aber S. 551 f.). — S. 491, Anm. 3: Sohm II
ist nicht 1917, sondern 1923 erschienen. — S. 584: Ist die Hausgemeinde
kirchenrechtlich irrelevant? — S. 619: Die These von
der rechtstheologischen Begründung des Bischofsamts im lutherischen
Bereich wird man als so fraglos kaum aufstellen können
. — S. 672: In Bayern gibt es sehr wohl eine Ortskirchensteuer
, nämlich das Kirchgeld (vgl. Art. 1 II, 21—26 KiStG. v.
26. 11. 1954), das also (entgegen S. 676) nicht auf „Kirchen
ohne Steuerabzugssystem" beschränkt ist. — S. 702, Anm. 2:
Für Hamburg ist jetzt die Kirchenverfassung vom 19. 2. 1959
maßgebend (die Sammlung von Merzyn veraltet leider mangels
Nachträgen unaufhaltsam!). — S. 707: In Bayern ist die Kirchenleitung
(Landeskirchenrat) „ausschließlich .amtstypisch' " im
Sinne W.s „orientiert". — S. 748, Anm. 4: Der II. Teil de? Werkes
von Rouse / Neill ist erschienen (1958).

Eine Rezension dient der wissenschaftlichen Auseinandersetzung
, ohne die wissenschaftlicher Fortschritt nicht möglich
ist. Ihr Schwerpunkt muß, wenn sie sich nicht in billigen Lobsprüchen
erschöpfen will, in der Kritik liegen. Kritische Würdigung
ist nicht gleichbedeutend mit negativer Bewertung, die
gegenüber der Leistung und dem Werk W.s auf Unsachhchkeit
hinausliefe. Denn und vielmehr: Erik Wolf hat dem deutschen
evangelischen Kirchenrecht eine Gesamtdarstellung geschenkt, die
der Tradition und dem lange gefährdeten, mit diesem imponierenden
Werk aber eindrucksvoll erhärteten Rang der deutschen
Kirchenrechtswissenschaft entspricht. Das Buch fügt sich
würdig und ebenbürtig in die lange Reihe der großen deutschen
Kirchenrechtslchrbücher ein.

"") Diesem Ziel hat der Rezensent mit seinen bisherigen Arbeiten
(insbesondere ..Der Lutherische Weltbund" und „Das evangelische
Kirchenrecht und die ökumenisdie Bewegung", aber auch RGG, 3. Aufl..
IV, Sp. 1 582 —1 584) zu dienen versucht. Er ist sich bewußt, in wie
unvollkommenem Maße ihm das gelungen ist; er glaubt aber nicht,
daß die dialektische Methode besseren Erfolg verspricht.

ALLGEMEINES, FESTSCHRIFTEN

Skrobucha, Heinz: Sinai. Mit Aufnahmen von George W. Allan.
Ölten und Lausanne: Urs Graf-Verlag 1959. 125 S., Abb. u. Zeichnungen
im Text sowie zahlreidien Farbtafeln. 4° = Stätten des Geistes
. Lw. sfr. 38.—.

Dieses schöne Buch verfolgt keine unmittelbaren wissenschaftlichen
Ziele. In der Reihe „Stätten des Geistes" erschienen
, will es den Leser mit einer Stätte des Christentums bekannt
machen, die, ähnlich wie der Athos vom 11. Jhdt. ab,
eine überaus interessante Geschichte während der Frühzeit des

I Christentums aufzuweisen hat. Später wurde der Sinai eine
wichtige Begegnungsstätte des Christentums mit dem Islam.
Schließlich und endlich gehört vor allem das berühmte Katharinenkloster
, wiederum ähnlich wie die Athosklöstcr, zu den
Schatzkammern an Handschriften und Kunstdenkmälern für die
wissenschaftliche Forschung. Dieses alles zusammen mit einer
Reihe von Pilgerberichten aus allen Jahrhunderten versteht der
Verf. an Hand der guten Aufnahmen Allans vor dem Leser
lebendig zu machen. Was an wissenschaftlicher Literatur fehlt,
kann man jetzt bei Hans-Georg Beck, Kirche und theologische

I Literatur im byzantinischen Reich, München 1959, 199, 202 f.