Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1962 Nr. 4

Spalte:

278-279

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Barczay, Gyula

Titel/Untertitel:

Ecclesia semper reformanda 1962

Rezensent:

Fagerberg, Holsten

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

277

Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 4

278

bis nach England reichenden Mission. Die schließlich auf ihn
zurückgehenden homöischen Germanen hätten meist eine erfreulich
tolerante Haltung gegenüber der katholischen Kirche bewiesen
. Von der Aufgabe der Kirche her gesehen, den Menschen das
Evangelium zu verkünden, habe deshalb Wulfila dem Auftrage
Christi eher entsprochen als Ambrosius, zumal er sich persönlich
eindeutiger als Jünger Jesu erwiesen habe.

Die klar aufgebaute, interessante Arbeit regt zur Auseinandersetzung
und zur Überprüfung der eigenen Auffassung an.
Sie zieht in bezug auf Ambrosius letzte Folgerungen aus Hans
von Campenhausens Werk von 1929 „Ambrosius von Mailand
als Kirchenpolitiker". Wer sich mehr Hans Lietzmanns Deutung
des Ambrosius anschließt, wie sie am deutlichsten in seinem
Vortrag von 1940 ,,Das Problem Staat und Kirche im weströmischen
Reich" zum Ausdruck kommt, wird nicht alle Ergebnisse
übernehmen können. In bezug auf Wulfila wäre zu fragen,
ob die vom Verfasser anerkannt „spärlichen Nachrichten" (S. 12)
ausreichen, um 60 weitgehende Folgerungen zu rechtfertigen.
Recht häufig wird mit „vielleicht", „man könnte sich vorstellen
", „dürfte", „möglicherweise" usw. operiert (vgl. bes. S. 23).
Grundsätzlich wäre noch zu fragen, ob Ambrosius und Wulfila,
die Menschen ihrer Zeit waren und in ihrer Umwelt lebten, in
dieser Weise als Typen gesetzt werden dürfen für verschiedene
Realisierungsversuche des Christenrums.

Leipzig Ingctraut Ludol phy

Abramowski, Luise: Zur Theologie Theodors von Mopsuestia.
Zeitschrift für Kirchengeschichte LXXII, 1961 S. 263-293.

Andresen, Carl: Altchristliche Kritik am Tanz — ein Ausschnitt
aus dem Kampf der alten Kirche gegen die heidnische Sitte.
Zeitschrift für Kirchengeschichte LXXII, 1961 S. 217-262.

A n t i n, P.: Saint Cyprien et Jonas.
Revue Biblique 68, 1961 S. 412—414.

Cyprianus, Caecilianus. Eine Auswahl aus seinen Schriften, zusammengestellt
u. übers, v. Walter Schultz. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
[1961]. 66 S. kl. 8° = Quellen. Ausgewählte Texte aus d.
Geschichte d. christlichen Kirche, hrsg. v. H. Ristow u. W. Schultz,
H. 4. Kart. DM 2.80.

Diesncr, Hans-Joachim: Die „Ambivalenz" des Friedensgedankens
und der Friedenspolitik bei Augustin.

Wiss. Zeitschr. d. Martin-Luther-Univ. Halle-Wittenberg, Ges.-

Sprachwiss. X, 1961 S. 877—880.
— Zur Datierung des Briefes 220 und anderer Spätschriften Augustins.

Forschungen und Fortschritte 35, 1961 S. 281—283.
G ro n d i j s, L. H.: La terminologie metalogique dans la theologie

Dionysicnne.

Nederlands Theologisch Tijdschrift 14, 1960 S. 420-429.
Hahn. Viktor: Schrift, Tradition und Primat bei Irenaus.

Trierer Theologische Zeitschrift 70, 1961 S. 292—302.
Klenk, G. Friedrich: Augustinus und die Humanita6 Christiana.

Stimmen der Zeit 169 (Jg. 87, 1961/62) S. 169-185.
Kupisch. Karl: Der Löwe aus Juda. Zum 1500. Todestag Papst

Leos des Großen.

Die Zeichen der Zeit 15, 1961 S. 415—418.
La motte, Jean: Le Mythe de Rome „Ville Eternelle" et Saint
Augustin.

Augustiniana XI, 1961 S. 225—260.
Lauras. Antoinc: Stüdes 6ur Saint Leon le Grand.

Rechcrches de science religieusc XLIX, 1961 S. 481—499.
L o f. L. J. van der: Hoe hanteert Augustinus het Apostolicum in het

Enchiridion?

Nederlands Theologisch Tijdschrift 15, 1961 S. 321-337.
Morel, Bruno: De invloed van Leporius op Cassianus' wccrlegging

van het Ncstorianisme.

B'jdragcn 21, 1960 S. 31—52.
R«foulc, Francois: La date de la lettre ä Evagre (P. G. 46, 1101

— 1108).

Recherchcs de science religieusc XLIX, 1961 S. 520—548.

T«ftullianus, Quintus Septimius Florens. Eine Auswahl aus seinen
Schriften, zusammengestellt u. übers, v. Walter Schultz. Berlin:
Evang. Verlagsanstalt [l96lT. 86 S. kl. 8° - Quellen. Ausgewählte
Texte a. d. Geschichte d. christlichen Kirche, hrsg. v. H. Ristow u.
W. Schultz, H. 3. Kart. DM 3.20.

Theodorou, Andreas: Die Lehre von der Vergottung des Menschen
bei den griechischen Kirchenvätern.
Kerygma und Dogma 7. 1961 S. 283—310.

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Bärczay, Gyula: Ecclesia Semper reformanda. Eine LIntersuchung
Mm Kirchenbegriff des 19. Jahrhunderts. Zürich: EVZ - Verlag
11961]. 196 S. 8°. Kart. DM 13.60.

Woher der Satz ecclesia Semper reformanda stammt, ist
unbekannt. Eine ähnliche Formulierung findet sich bei den
Vermittlungstheologen während des vergangenen Jahrhunderts
(I. A. Dorner, A. Schweizer), aber es ist höchst unsicher, ob der
Gedanke in der allgemeinen Form, die der Satz andeutet, 6chon
während der Reformationszeit vorhanden war. Ganz sicher fehlt
er in den lutherischen Bekenntnisschriften, und es ist unwahrscheinlich
, daß er bei Luther oder einem der anderen Reformatoren
belegt werden kann.

Der Autor, der (S. 19) die unbekannte Provenienz des
Satzes konstatiert, geht doch von ihm als einem reformatorischen
Prinzip aus. Seine Bedeutung besteht in dem ständigen
Bewußtsein von der Notwendigkeit einer kirchlichen Erneuerung.
Ob diese konkret den persönlichen Glauben und die Lebensführung
der Kirchenmitglieder oder die Lehre und Verfassung
der Kirche berühren soll, wird nicht angegeben. Es wird auch
nichts darüber gesagt, ob er auf eine Stärkung der eigenen Gemeinde
oder eine ökumenische Annäherung zwischen den Kirchen
hinzielt. Dagegen sagt der Autor, daß die ständig vor sich
gehende Reformation zu einer wirklichen Erneuerung (nicht
Neuerung!) in der Bedeutung von Wiederherstellung der alten
rechten Kirche des Wortes führen muß. Eine solche Reformation
muß aber Gottes eigenes Werk ohne menschliche Einmischung
sein. Die Kritik gegen alle späteren Versuche einer kirchlichen
Erneuerung geht darauf hinaus, daß sie mehr oder weniger
menschliche Unternehmungen blieben.

Im Zentrum der Darstellung steht der Versuch Schleiermachers
zu kirchlicher Reformation nach der in kirchlicher Beziehung
absteigenden Periode des 18. Jahrhunderts. Das erste
Kapitel gibt den Hintergrund zu seinem Programm der kirchlichen
Erneuerung. Der Kampf der Neologen gegen die Gebundenheit
an die symbolischen Bücher wird positiv gewertet, aber
sowohl Rationalismus als auch Supranaturalismus werden kritisiert
, weil sie „die Zweckmäßigkeit" als oberste Norm für die
Veränderung der Kirche aufgestellt haben. Dagegen bewertet
der Autor die Brüdergemeine wegen ihrer bewußt christozentri-
schen und ökumenischen Einstellung hoch. Die überwältigende
Bedeutung, die Christus dort hatte, bewirkte, daß die Brüder-
gemeine eine vollständig freie, von menschlichen Statuten ungebundene
Gemeinschaft wurde. Praktisch hat sie die Einheit
der Kirche dadurch in ihrer Existenz realisiert, daß 6ie überall
die Gemeinschaft mit allen Christen bewährt hat.

Schleiermacher betrachtete sich als „Herrnhuter höherer
Ordnung" und versuchte deshalb theologisch die Impulse durchzuführen
, die er von der Brüdergemeine empfangen hatte. Wegen
seiner Philosophie kam es bei ihm oft nur zu Ansätzen,
aber der Autor hält sich mehr daran, was Schleiermacher wollte
als daran, was er vermochte. Die entscheidende Bedeutung
Schleiermachers liegt nach der Ansicht des Autors in seinem Bemühen
, Christus ins Zentrum zu stellen. Christus ist die Norm
für die Erneuerung der Kirche, die darauf hinzielt, die Lebensgemeinschaft
mit ihm wiederherzustellen. Die Kirche wird hier
zur selbständigen Gemeinschaft der an Christus Glaubenden.
Die Bedeutung der Bibel für die Reformbestrebungen Schleier-
machers wird stark betont, es ist aber deutlich, daß die Bibel
für ihn eine andere Rolle spielen mußte als in der Reformationszeit
, was der Autor hätte hervorheben sollen. Bei Schleiermacher
ist die Schrift der ursprüngliche Ausdruck des christlichen Bewußtseins
und hat als solches seine große Bedeutung, aber im
Zentrum seiner Darstellung steht ja das christliche Selbstbewußtsein
, nicht die Schrift. Der Geist, das „gemeinsame
Lebensprinzip" der Kirche, ihre „innerste Lebenskraft" weckt
dieses Selbstbewußtsein zum Leben und verwirklicht es während
der Entwicklung der Kirche zu immer größerer Vollendung.
Aber dieser Geist wird nicht immer von dem im allgemeinen
Kulturzusammenhang wirksamen Geist unterschieden, und dies