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Ausgabe:

1962

Spalte:

267-269

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Sutcliffe, Edmund F.

Titel/Untertitel:

The monks of Qumran 1962

Rezensent:

Molin, Georg

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Seite 1, Seite 2

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lc«igkeit in der Periode der Angriffe gegen das Alte Testament
offenbar gemacht wurde, durch Vischel' ausgelöst worden
ist? Unsere jüngeren Kollegen wissen schon gar nicht mehr,
wie dieses Buch damals — ungeachtet aller sofort und mit vielem
Recht einsetzenden Kritik (vgl. z.B. ThLZ 1936, S. 435 ff.) -
„Leben in die Bude" brachte! Damals, in den dreißiger Jahren,
erschienen dann, in Auseinandersetzung mit Vischer, jene Arbeiten
von Hirsch, Herntrich, H. M. Müller usw. bis hin zu Goppelt.
Es wäre nicht unangebracht gewesen und hätte dem Zweck des
hier besprochenen Buches als eines Arbeitsbuches gut gedient,
wenn es mit einer kurzen Darstellung begonnen hätte, in der die
vor 1952 liegende Geschichte des Problems aufgezeigt worden
wäre, und zwar auch unter Hinweis auf die sich aus den neuen
Fragestellungen ergebende Auslegung des Alten Testaments.
Ohne jene Vorgänge und Vorgänger ist der Fortgang, wie er
sich in den hier dargebotenen Aufsätzen spiegelt, weder vorzustellen
noch auch zu verstehen. Diese stellen sozusagen einen
zweiten Akt dar; der erste — einschließlich der Exposition! —
liegt früher.

Vielleicht darf noch ein anderes gesagt werden. Ich glaube
mich nicht zu täuschen, wenn ich den Eindruck habe, daß die
Argumentationen bisweilen in eine Überfeinerung hineinführen,
die zwar dem Ernst der Sache und derer, die sie vertreten, durchaus
entspricht, aber nicht immer das Verständnis fördert. Anders
gesagt: Es ist in der Sprache und der Beweisführung dieser Beiträge
weit weniger die rabies theologorum zu spüren als vielmehr
eine zu stark ausgeprägte subtilitas. Wir haben Ähnliches
auf anderen Gebieten erlebt. Die historisch - kritische Zeit lief
auf ihren Höhepunkten auf solche Überspitzungen hinaus, daß
z. B. von einem Buche wie Habakuk gelegentlich nur 7 Verse als
„echt" übrigblieben. Die religionsgeschichtliche Ära brachte eine
Erscheinung wie den Pan-Babylonismus hervor. Die Formgeschichte
ist in der Fähigkeit, immer neue „Formen" aufzuzeigen
, bisweilen fast 6chon auf dem Wege, sich selbst ad absurdum
zu führen. Auf dem Gebiete nun der Hermeneutik bzw. der Erfassung
des theologischen Gehaltes des Alten Testaments in Ansehung
seiner Zusammengehörigkeit mit dem Neuen sind entsprechende
Gefahren nicht weit ab. H. W. Wolff hat zwar gemeint
, daß „in der alttestamentlichen Wissenschaft z. Zt. viel
gTÖßer als die Gefahr der Überinterpretation die der Unterinterpretation
" sei (171). Er mag zunächst noch damit recht
haben. Aber die Gefahr der Überinterpretation ist nichtsdestoweniger
da.

Es ist gut, zwischen dem allen einmal den Satz zu lesen,
das Alte Testament gebe „seine ganze in ihm wohnende Kraft
.. .aus 6ich selbst" her (Herrmann, S. 350). Die Frage nach dem
theologischen Eigenwert des Alten Testaments sollte, als ein
Grundanliegen alttestamentlicher Wissenschaft, in der Tat immer
wieder gestellt werden. Dazu gehört nun aber das Achten auf das
Gefälle des Alten Testaments, sowohl zum Judentum wie zum
Neuen Testament hin. Wie stark das Bemühen ist, sich hier
Wege zu bahnen, bezeugen die Beiträge dieses Buches, wenn auch
nicht alle in gleicher Weise. Aber es ist interessant und verdienstlich
, einen Teil des dafür in Betracht kommenden Materials
in der Art, wie der Herausgeber es hier getan hat, der Mit- und
Nachwelt vor Augen gestellt zu haben.

Eine Kleinigkeit: Wohin ist auf S. 27 die Anmerkung 6 geraten?
Eine Anmerkung 5 fehlt ebenfalls.

Kiel Hau« Wilhelm II c r I /. I) e r g

Sutclif fe, Edmund F., S. J.: The Monks of Qumran as Depicted in
the Dead Sea Scrolls. With Translations in English. London: Burns
& Oates 1960. XVI, 272 S., 4 Taf., 3 Skizzen. 8°. Lw. 30 s.

Dieses Buch nimmt man zunächst mit gemischten Gefühlen
zur Hand. Man argwöhnt, es sei eines jener vielen Bücher über
Qumrän, die, für eine breitere Leserschicht bestimmt, heute nicht
mehr viel Neues zu bieten haben, eine späte Welle in der großen
Flut der populären Qumrän-Literatur. Nähere Bekanntschaft zeigt
aber bald, daß es nicht ganz so ist. Vermutlich kann auch der
englische Büchermarkt noch Richtigstellungen gegenüber Allegro
und Wilson brauchen. Sutcliffe gibt diese Richtigstellung ohne
Polemik, einfach durch eine bessere, wohl abgewogene und nüchterne
Darstellung. Wenn er meint, er wolle zum Unterschied von
anderen Bearbeitern vor allem „die Gemeinde" von Qumrän darstellen
, so muß man ihm allerdings sagen, daß sich schon unter
den allerersten Arbeiten über Qumrän solche befanden, die sehr
ernsthaft auf die „Gemeinde" eingegangen sind. Von den neueren
Büchern mögen manche für Sutcliffe nicht mehr rechtzeitig
auf den Markt gekommen sein.

Positiv zu werten wäre, daß S. sich einleitend nicht nur mit
den wirtschaftlichen Möglichkeiten von Qumrän befaßt (unter
Hinweis auf die Buqei'a), sondern auch mit der Tier- und Pflanzenwelt
, allerdings unter Berufung auf einen Gewährsmann vom
Anfang unseres Jahrhunderts (Masterman). Bardtkes Arbeiten
über die Rechtsstellung der Gemeinde und Siedlung kamen für
ihn wohl schon zu spät.

Von Sutcliffes Anschauungen im einzelnen ist erwähnenswert
:

1. ) Von den bisher publizierten Texten scheint ihm lQS
VIII — IX die Urordnung der Mönchsgemeinde zu sein, vom
Moräh entworfen, um aus der Schar seiner verheirateten Anhänger
heraus die Klostergemcinde zu konstituieren. Die Belehrung über
die „Zwei Geister" lQS III — IV dagegen scheint ihm ein junges
Stück zu sein. Die Regeln für die lockerer organisierte Tertiariergemeinde
sieht er in der Damaskusschrift. Wie derzeit üblich,
zerlegt er sie in zwei Hauptteile, deren einen er für eine Sabbath-
predigt hält. Hier vermag der Rezensent nicht zu folgen. Ihm erscheint
die Damaskusschrift als ein einheitlich nach dem Muster
des Deuteronomiums konzipiertes Werk (was Überarbeitungen
und Zusätze nicht ausschließt). In den Hymnen sieht Sutcliffe als
Verfasser, Sprecher und Hauptgestalt den Moräh an.

2. ) Die Geschichte von Qumrän läßt Sutcliffe um 150 v. Chr.
beginnen. Die Schichte Ia sei deshalb von so kurzem Bestände gewesen
, weil Jonathan die Mönchsgemeinde gesprengt und verjagt
habe (lQpHab XI, 4 ff.). Erst unter Simon seien sie zurückgekommen
. Ihre Makkabäerfeindlichkeit spreche sich auch darin
aus, daß IMakk in der Bibliothek von Qumrän nicht enthalten
gewesen sei. Datum ad quem sei die Synode von Jabne (90
n. Chr.), da die biblischen Handschriften von Murabba'at einen
ganz anderen Text zeigen. Eine Cl4-Probe an Palmholzstücken
habe 7 v. Chr. — 18 n. Chr. (± 80) ergeben. Die 390 Jahre der
Damaskusschrift will Sutcliffe nicht verwenden, da die Berechnungen
der jüdischen Historiker falsch gewesen seien. (Dies hat
der Rez. schon 1952 vertreten.) Die Darstellung der Kittim im
Habakukkommentar passe wohl auf die Seleukiden, aber noch
besser auf die Römer. Damit sei noch nichts über den Frevelpriester
ausgesagt. Als diesen spricht S. Jonathan an. Dem Rez.
scheint es nur fraglich, ob lQpHab VIII, 9 in diesem Sinne verwendet
werden kann. Die von S. vollzogene Identifikation Frevelpriester
= Lügenmann = Lügenprediger hält der Rez. für unwahrscheinlich
. Antiochus und Demetrius in pNah legt S. auf
Antiochos IV. und Demetrios I. aus.

3. ) Im Kloster von Qumrän sieht S. einen Raum (Nr. 30 auf
seinem Plan) als Schlafraum an, weil dort eine Matte gefunden
wurde. In bezug auf die Schreibtische und ihre Benützung folgt
er den gängigen Vorstellungen, obwohl Teicher diese längst zutreffend
kritisiert hat. (Die Tische dürften eher Sitze als Schreibtische
gewesen sein.) S. verweist noch darauf, daß kein Raum des
Baues mit Sicherheit als Synagoge angesprochen werden kann.

4. ) Bei Besprechung der Rechts- und Organisationsvorschriften
hebt S. hervor, daß die Damaskusschrift keinerlei Probezeit
kenne. Diese habe es nur in der Mönchsgemeinde gegeben. Das
Verbot die „Reinheit zu berühren", bezieht sich nach ihm auf
Bad und Vorbereitung von Speise und Trank, nicht auf Teilnahme
am Mahl. Die Strafvorschriften über Rationskürzung scheint S.
allzusehr zu verharmlosen (S. 107).

Das Mahl von lQSa ist für S. nicht ein messianisches Mahl,
sondern eine gewöhnliche Mahlzeit, bei der der Messias aus Israel
anwesend ist.

5. ) Den Moräh Zädäq 6ieht S. als den Verfasser der Hymnen
und der Urordnung lQS VIII — IX an. Er sei aber nicht der Prophet
von Dt. 18,18, da dieser in lQS IX, 11 noch erwartet
werde. Dieser Schluß scheint dem Rez. nicht zwingend. Er sei
überhaupt kein Prophet, sondern habe nur besondere Einsicht in
die raze 'el. Von seiner Wiederkehr sei nicht die Rede. Die Aus-