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Ausgabe:

1962 Nr. 4

Spalte:

265-267

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Probleme alttestamentlicher Hermeneutik 1962

Rezensent:

Hertzberg, Hans Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 4

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lichkeit nicht ein Fall von semantischer Änderung, sondern nur der
Gebrauch des Wortes mit demselben semantischen Wert für eine
neue Person; linguistisch nicht mehr als seine Erweiterung z. B.
bei Dionysus, als sein Kultus nach Griechenland kam" (Ibid).
Also, wenn der Christ und der Jude seit Deutero - Jesaja Gott sagten
und den Monotheismus und den bildlosen Kult damit einschlössen,
meinten sie dasselbe wie der Polytheist und Gottesbildanbeter, wenn
er von Gott sprach! So meinten die Betreffenden es jedenfalls nicht
ßclbst. Wir wissen. daß die ersten Christen von den griechischen
Polytheistcn als Atheisten betrachtet wurden, und was schon Deutero-
Jcsaja von dem heidnischen Gott und seinen unentbehrlichen Bildern
meinte, ist jedem Theologen bekannt.

Als ein Beispiel dafür, wie B. die Auffassungen anderer Forscher
karikiert, mag hier nur auf seine Auseinandersetzung mit W. C. van
Unnik (S. 101 f.) verwiesen werden.

B. hat wohl darin recht, daß einige Theologen zu schnell
und unkritisch den Unterschied zwischen hebräischem und griechischem
Denken betont und ausgenutzt haben. Sie haben sich
ab und zu so ausgedrückt, als ob hebräisch heiliger als alle anderen
Sprachen und an sich eine Garantie für die Heiligkeit der
Offenbarung wäre. Um diesen Irrtum aufzudecken, wäre es aber
genug gewesen, daran zu erinnern, daß nicht nur Moses und die
großen Propheten, sondern auch die falschen Propheten und das
abtrünnige Volk hebräisch sprachen, und daß Jesu Feinde und
seine gleichgültigen Zeitgenossen dieselbe Sprache wie er selbst
und seine Apostel sprachen. In der Bibel spricht nicht nur Gott,
sondern auch der Teufel hebräisch. Hebräisch ist mit anderen
Worten imstande, die höchste Offenbarung und den gefährlichsten
religiösen Irrtum gleich gut auszudrücken.

Auch wenn es richtig ist, daß hebräisch die Offenbarung
besser als griechisch ausdrücken kann, so beweist das griechisch
geschriebene Neue Testament, daß die griechische Sprache für
religiöse Zwecke so brauchbar ist. daß später kein Mensch auf
keine Sprache die Offenbarung hat besser ausdrücken können.
Feines Werkzeug zu haben ist gut, aber die Hauptsache ist doch,
ob es ein Meister ist, der das Werkzeug benutzt, in diesem Falle:
ob es ein begnadeter Apostel oder Hinz und Kunz, die zu uns
reden. Wenn Barrs Buch mithelfen könnte, diese trivialen Wahrheiten
zur allgemeinen Geltung zu bringen, hätte es der Theologie
und dem Christentuni einen Dienst getan.

Oslo Thorlcif Ii o in n n

Hcmcrt. Guus van: Over de tweede bijbelkwestie.

Bijdragcn 21, i960 S. 1 — 19.
Mowinckcl, Sigmund: Kan forholdct Bellen Dct gamle og Det

nye testamente uttrykkes som profeti og oppfyllelse?

Norsk Teologisk Tidsskrift 62. 1961 S. 223-237.
■ 1 P p. Gordon: Die neue englische Bibel.

hinge Kirche 22, 1961 S. 684—687.

ALTES TESTAMENT

}, We s t e r m a n n, Claus |Hreg.|: Probleme alttestamcntlicher Hermeneutik
. Aul Sätze zum Verstehen des Alten Testaments. München:
Kaiser i960. 366 S. 8° ™ Theologische Büdierci. Neudrucke u. Berichte
a. d. 20. Jhdt., Bd. II. Knrt. DM 14.-.

Das vorliegende Buch, das 16 Aufsätze zur alttcstament-
'ichen Hermeneutik aus den Jahren 1952-61 enthält, „will ein
Arbeitebuch sein, das der Beschäftigung mit der Frage nach dem
Verstehen des Alten Testaments eine Tcxtgrundlage geben möch-
te" (9). Zugestandenermaßen bilden den „Grundstock" Anritze
, die in der „Evangelischen Theologie" 1952/5 3 und 1956
veröffentlicht waren, aus dem Kreise der Mitarbeiter des Bibh-
schen Kommentars. Es fehlen aber auch nicht andersartige und
gegenteilige Meinungen wie die von Fr. Baumgärtel, F. Hesse
«der auch R. Bultmann. Allerdings hat man zunächst den Eindruck
, diese seien im wesentlichen gebracht worden, um wider-
legt zu werden, so besonders durch die Beiträge von Westermann
"W Wolff von 1955 und 1956. Dazwischen gibt es „neutrale
Äußerungen wie die ruhigen und abgewogenen von A. Jepsen
jn seinem Heidelberger und von W. Eichrodt in seinem Strab-
J^rger Vortrag aus dem Jahre 1957. Das Vorwort sucht einem
Verwundern zu begegnen, daß man „die Stimme G. v. Rads vermissen
" müsse: das sei geschehen in Rücksicht auf seinen damals

unmittelbar vor dem Erscheinen stehenden zweiten Band der
Theologie des Alten Testaments. Aber warum hat der Herausgeber
nicht jenen bemerkenswerten Aufsatz von G. v. Rad gebracht
, der, von Haus aus ein Vortrag vor Studenten, 1938 unter
dem Titel „Fragen der Schriftauslegung im Alten Testament" erschienen
ist und, damals frisch in der besonders durch Vischer und
Hirsch bestimmten Debatte stehend, in. E. zu dem Besten gehört,
was über diesen Gegenstand bis heute geschrieben worden ist? —
Am Schluß findet sich auf 4 Seiten ein Verzeichnis der Titel von
Aufsätzen zur alttestamentlichen Hermeneutik, zumeist aus den
Jahren 1950—60, woraus hervorgeht, wie stark das Gespräch
über diese Sache im In- und Ausland im Gange war und ist.

Es ist nicht nötig und auch nicht sinnvoll, den Inhalt der
einzelnen Beiträge hier anzugeben. Es wird genügen, einige allgemeine
Dinge dazu zu sagen. Zunächst dieses. Der Stand des
Gespräches über die Hermeneutik des Alten Testaments wird, so
scheint es, dadurch gekennzeichnet, daß die starke Betonung der
Geschichte sein am meisten in die Augen springendes Merkmal
ist. v. Rad präzisiert das so, daß es sich um Gottesgeschichte,
nicht um Glaubensgeschichte handelt (14). Das geht durch die
meisten Aufsätze hindurch, so z. B. bei Westermann (18 ff.),
Noth (54 ff.), hier ganz besonders in ruhiger Klarheit, nicht
ohne daß hinzugefügt wird, „daß doch Gott an Geschichte und
Zeit nicht gebunden sein kann" (55), Zimmerli (80), Pannenberg,
der von der ,,Ge6chichtshaftigkeit des Heilsgeschehens" spricht
(296), aber auch Hesse, der den wichtigen Begriff der „Vcr-
stockungsgeschichtc", die „neben und in der Geschichte des Heils
da ist (28 3). in die Debatte wirft. In solchem Zusammenhang
wird gegen Bultmann eingewandt, daß er „die Geschichte auflöst
in die Geschichtlichkeit der Existenz" (295, vgl. auch 106).
Wichtig ist weiter die gelegentliche Bemerkung Eichrodts (217 f.):
„Auch wo wir das zugrundeliegende historische Geschehen mit
den Mitteln der modernen Wissenschaft nicht mehr greifen können
, da erhalten wir in dem daraus erwachsenen Kerygma eine
Auswirkung dieses Geschehens, die von seiner Bedeutung Zeugnis
ablegt": er spricht in Verbindung damit, ein Wort Baumgärtels
aufgreifend, von den „inneren Fakten", die „zur Nachzeichnung
der Heilsgeschichte benützt werden" dürfen. Es ist beachtlich,
wie in dem allen das Erbe früheren Bemühens um die wissenschaftliche
Erfassung des Alten Testaments anerkannt, durchdacht
und in neue Positionen eingearbeitet wird.

Was nun das Verhältnis der Testamente zueinander anbetrifft
, so sind hier natürlich die Unterschiede in den einzelnen
Artikeln offenkundig. Am weitesten nach der Seite ihrer Gegensätzlichkeit
neigen wohl die bekannte Äußerung Bultmanns, daß
die alttestamentlich-jüdische Geschichte Weissagung" sei „in
ihrem inneren Widerspruch, in ihrem Scheitern" (50), oder auch
Baumgärtels Wort von der „anderen Religion" (118; vgl. 176).
während etwa Wolff die Testamente gelegentlich allzusehr einander
annähert (die Auseinandersetzung um Ps. 1, 176f. u.a.m.).
Einen nicht einmal allzugroßen Raum nimmt da6 Problem der
Typologie ein; hier sei auf die gut abgewogenen Ausführungen
von Wolff (162), auf Jepsens Bemerkungen (239 ff.) und vor
allem auf Eichrodts Beitrag „Ist die typologische Exegese sachgemäße
Exegese?" hingewiesen (205 ff.), aber auch auf eine
Äußerung wie die von Pannenberg, daß „die typologische Analogie
" zwar „an einem in der Geschichte stattfindenden Verhältnis
" hafte, daß aber die „an der Kontinuität der Verheißungen
• ■ faßbare Geschichtseinheit ... die Zusammengehörigkeit des
Neuen mit dem Alten Bunde" stifte (309. 311).

Auffällig ist dabei, wie wenig eigentlich von W. Vischer die
Rede ist. Wohl findet sich einmal — eingeklammert innerhalb
einer Anmerkung! (147) - im Blick auf Vischels ..Christuszeugnis
" der Satz Wolffs, es dürfe „der Dank für die letztlich
sachgemäßen Anstöße dieses Buches nie verklingen". Sonst ist
nur sehr am Rande von ihm die Rede. Mir ist z. B. aufgefallen,
daß weder in dem wertvollen Aufsatz von Zimmerli „Verheißung
und Erfüllung" (69 ff.) noch in den Deduktionen Pannenbergs
S. 298 f. der Gedanke Vischers von der „Geschichte als Versprechen
" (Christuszeugnis II. 7) Erwähnung findet. Hat man eigentlich
jetzt schon vergessen, daß die Frage um die theologische Erfassung
des Alten Testaments, als die historisch -kritische Zeit
der Auslegung sich dem Ende zuneigte und in ihrer Ausweg-